So steht es um den Wirtschaftsstandort Lippe. IHK-Präsident Volker Steinbach, IHK-Hauptgeschäftsführerin Svenja Jochens und Ralf Nitschke, Vorstand der Jowat SE in Detmold (v.l.n.r.) stellen die Ergebnisse der IHK-Standortumfrage 2025 vor (Foto: IHK Lippe)
So steht es um den Wirtschaftsstandort Lippe. IHK-Präsident Volker Steinbach, IHK-Hauptgeschäftsführerin Svenja Jochens und Ralf Nitschke, Vorstand der Jowat SE in Detmold (v.l.n.r.) stellen die Ergebnisse der IHK-Standortumfrage 2025 vor (Foto: IHK Lippe)

IHK-Befragung zum Standort Lippe

Miese Noten für Bürokratie und Standortkosten

Lippe – Die gute Nachricht zuerst: die lippischen Unternehmen fühlen sich an ihrem heimischen Standort wohl. Über 85 Prozent der Betriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistungen sind generell zufrieden bis sehr zufrieden mit dem Standort Lippe. Jedes vierte Unternehmen plant sogar eine Vergrößerung des Betriebes in den nächsten fünf Jahren. Die Kehrseite der Medaille: mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, allen voran der Belastung durch Bürokratie und hohe Standortkosten, sind die Unternehmen massiv unzufrieden. Das ergab eine aktuelle Umfrage der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe), die die hiesigen Standortbedingungen unter die Lupe nahm.

Für die Befragung hatte die IHK Lippe jedes vierte Mitgliedsunternehmen quer durch alle Branchen angeschrieben – und über 400 Antworten erhalten. 60 Prozent davon stammten von Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. „Eine Befragung in dieser Dimension machen wir nur alle fünf Jahre. Dabei ist uns sehr wichtig, vor allem auch die Meinung der vielen kleinen und mittelgroßen Betriebe kennenzulernen“, macht IHK-Präsident Volker Steinbach deutlich. Insgesamt hatte die IHK die fünf Themenfelder Infrastruktur, Arbeitsmarkt und Qualifizierung, Wirtschaftliches Umfeld, Standortkosten sowie Allgemeines Umfeld untersucht. Zu 51 verschiedenen Standortfaktoren wurde jeweils die Wichtigkeit und die Zufriedenheit bei den Firmen abgefragt.

Im Ergebnis besteht vor allem bei vielen „harten“ Wirtschaftsfaktoren dringender Handlungsbedarf. Aus Sicht der Unternehmen ganz oben steht der Bürokratie- und Regulierungsabbau (für 96 Prozent wichtig, knapp 89 Prozent sind unzufrieden), dicht gefolgt von den hohen Energiekosten (95 Prozent wichtig, 86 Prozent unzufrieden). Auf den weiteren Plätzen folgt Kritik an Geschwindigkeit und Ablauf von Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren (94 % vs. 83 %) sowie der Gewerbesteuer (90 % vs. 74 %) und Grundsteuer (87 % vs. 75 %). „Das sind für einen Wirtschaftsstandort verheerende Bewertungen“, lässt Volker Steinbach keinen Zweifel aufkommen. Alarmierend sei auch, dass die Schere zwischen Bedeutung und Zufriedenheit seit der letzten IHK-Umfrage 2019 deutlich weiter auseinanderklaffe, sorgt sich der IHK-Präsident. Neben den genannten Faktoren gebe es auch bei der Infrastruktur Handlungsbedarf, z. B. bei der Breitbandanbindung und der Qualität der Straßen.

Dass es für die Politik viel zu tun gibt, veranschaulicht Ralf Nitschke, Vorstand der Detmolder Jowat SE – ein mittelständisches Familienunternehmen, das zu den weltweit führenden Industrieklebstoffherstellern gehört. Er nennt als ein Beispiel die überkommenen Regelungen im Arbeitszeitbereich: „Mitarbeitende, die beispielsweise in den Bereichen F&E oder IT arbeiten und nachmittags ‚im Flow‘ sind, um etwas Neues zu entwickeln, schicken wir nach spätestens zehn Stunden nach Hause für eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden. Damit signalisieren wir: ‚Du musst jetzt deine Tätigkeit abbrechen und darfst nicht weiter darüber nachdenken, bis Du am nächsten Tag wieder anfangen darfst zu arbeiten.‘ Da kommt keine ‚Start-up-Mentalität‘ auf. Besonders veraltet ist die Regelung für die flexible Arbeitszeitgestaltung junger Eltern, die nachmittags Zeit mit ihren Kindern verbringen und abends, wenn die Kinder schlafen, noch zwei Stunden arbeiten möchten. Am nächsten Morgen, wenn die Kinder in der Kita sind, dürfen sie ihre Arbeit wegen der vorgeschriebenen Ruhezeit nicht gleich aufnehmen. Diese Arbeitszeitordnung passt nicht mehr zur Lebenswirklichkeit!“

Neben Kritik gab es aber auch Lob für den Standort Lippe. Zu den Stärken zählen die Unternehmen vor allem „weiche“ Faktoren wie die guten Einkaufsmöglichkeiten, die Naherholungsgebiete sowie allgemein das gute Image der Region. Bei einigen „harten“ Wirtschaftsfaktoren sammelt Lippe aber auch Pluspunkte wie zum Beispiel bei der Versorgungssicherheit mit Strom, aber auch der Nähe zu Kunden und Lieferanten.

Über die Ergebnisse der Umfrage will die IHK Lippe schnell mit Politik und Verwaltung ins Gespräch kommen. „Inhaltlich sagen wir das als IHK schon länger, jetzt haben wir´s aber auch schwarz auf weiß: so kann es nicht weitergehen! Der Fokus muss auf allen Politikebenen wieder auf die Wirtschaft gelegt werden!“ fordert Svenja Jochens, IHK-Hauptgeschäftsführerin. „Die Energie- und Standortkosten müssen genauso runter wie die Bürokratielast. Und das mit großen und schnellen Schritten, nicht im Schneckentempo“, fordert Jochens mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin. Aber auch vor Ort bestehe Handlungsbedarf. Die lippischen Unternehmen seien in konjunkturell schwierigem Fahrwasser. Gleichzeitig kämpften sie mit hohen, auch kommunalen Steuern und Abgaben. „Ich weiß, dass es auch für die Kommunen derzeit schwierig ist. Aber die Haushaltslöcher immer wieder mit höheren Unternehmenssteuern zu stopfen, ist Gift für die Wirtschaft“, so Jochens.

www.ihk.de/lippe-detmold

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WIR Redaktion

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