Osnabrück. Seit dem Abzug der Briten standen die Gebäude lange Zeit leer und drohten zu verrotten. Eine Gruppe von vier Unternehmern aus Osnabrück und Umgebung haben jetzt zwei Speicher von der ESOS – Energieservice Osnabrück GmbH erworben, dem für die Erschließung und Vermarktung verantwortlichen Tochterunternehmen der Stadtwerke Osnabrück. Als Teil des Kreativviertels am Hafen sollen die Gebäude nun kurzfristig saniert und schon ab Frühjahr 2019 für den Erstbezug neuer Mieter fertiggestellt werden.
Die beiden Speicher auf dem Gelände der ehemaligen Winkelhausenkaserne waren seit 2010 im Eigentum der Stadtwerke-Tochter. „Wir freuen uns, dass wir mit der Osnabrücker Speicher GbR jetzt einen kompetenten und insbesondere regionalen Partner gefunden haben, der die beiden Speicher an der Elbestraße sinnvoll und zielgerichtet weiterentwickelt – und so die gemeinsame Zielsetzung von Stadt und ESOS unterstützt“, betont ESOS- Prokurist Marcel Haselof. „Diese Entwicklung zahlt sehr gut auf unser Vermarktungskonzept ein.“ Die Vermietung der beiden Speicher mit einer Nettogrundfläche von jeweils rund 4.700 m2 unterteilt sich in zwei unterschiedliche Konzepte: zum einen der sogenannte „LEISE“ Speicher mit Büroräumen.
Stadt und Esos fördern Kreative
„Hier sprechen wir als Mieter ganz gezielt all diejenigen an, die kreativ und effizient arbeiten wollen – in einer inspirierenden Umgebung mit Industrie- Charme. Die Büros sind beispielsweise ideal für Architekten, Designer, Makler, Kanzleien, Eventagenturen und ähnliche.“ erläutert Matthias Folkers von der Osnabrücker Speicher GbR. Im zweiten Gebäude hingegen wird der „LAUTE“ Speicher angesiedelt mit einem Mieter-Mix rund um das Thema Musik und Kultur: „Die Proberaumsituation der Stadt ist momentan sehr kritisch und wir haben uns hier zum Ziel gesetzt, den ‚lauten‘ Speicher als Lösung anzubieten und zu entwickeln.“
Doch nicht nur Proberäume für Musiker und Bands sind in diesem Gebäude geplant. Zusätzlich sollen sich hier alle ansiedeln, die mit Musik und Kultur zu tun haben. Denkbar seien Unterrichtsräume für Musikschulen, Räume für Tanztraining, Ateliers für bildende Künstler, aber auch Lager oder Büros für Eventtechniker etc. Die Stadt begrüßt die neue Entwicklung am Hafen im Sinne des Stadtentwicklungskonzepts zum Kreativstandort Osnabrück und prüft derzeit verschiedene Möglichkeiten für Proberäume, wobei ein besonderer Fokus auf die Idee des lauten Speichers gelegt wird.
Entwicklung mit dem Mieter
Beide Gebäude, also der LAUTE und der LEISE Speicher, sollen gemeinsam mit den künftigen Mietern entwickelt werden: „Unser Ziel ist es, frühzeitig mit den künftigen Mietern ins Gespräch zu kommen, um die Räume schon während der Sanierung an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen zu können. Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche.“ stellt Benedictus Lingens für die Osnabrücker Speicher GbR fest. Detaillierte Infos zum Konzept sind auf der neuen Homepage www.speicher-osnabrueck.de zu finden, wo künftig auch laufend über die weitere Projektentwicklung informiert wird. Interessierte Mieter haben auf der Seite die Möglichkeit, per e-mail Kontakt aufzunehmen.
Interview mit Max Lingens, stellvertretend für die Osnabrücker Speicher GbR
Frage: Aktuell bröckelt noch der Putz von den Wänden, der Gebäudezustand mit eingeschlagenen Fenstern ist nicht gerade optimal, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Ist es tatsächlich realistisch, dass Sie die Räume schon im Frühjahr 2019 bezugsfertig bereitstellen können?
Antwort: Wir stehen in den Startlöchern und sind mit Frank Otte und Wolfgang Beckermann in sehr guten, zielführenden Gesprächen. Wir bereiten jetzt zeitnah alle notwendigen Unterlagen für die Baugenehmigung vor. Die Stadt hat zugesichert, die Unterlagen möglichst zeitnah zu prüfen. Wenn alles passt, kann der enge Zeitplan funktionieren. Sicherlich gibt es jede Menge zu tun, denn bevor hier die ersten Mieter einziehen, sind in puncto Brandschutz, Stromleitungen, Sanitäreinrichtungen etc. noch viele Punkte abzuarbeiten. Die Grundsubstanz der Gebäude ist allerdings sehr gut, da die Speicher in sehr massiver Bauweise konstruiert worden sind. Nichtsdestotrotz ist das Ganze ein aufwändiges und komplexes Mammutprojekt. Wir sind der Überzeugung, dass es funktionieren wird, denn gemeinsam mit der Stadt müssen wir jetzt alle an einem Strang ziehen: die Proberäume am Güterbahnhof werden schon zum Ende des Jahres geschlossen und wir wollen ganz einfach Vollgas geben, um den Bands, die dann mehr oder weniger „auf der Straße stehen“ schon zu diesem Zeitpunkt die ersten fertigen Proberäume anbieten zu können.
Frage: Wie sind Sie darauf gekommen, die beiden denkmalgeschützten Speicher zu erwerben, was ist Ihre Motivation?
Antwort: Wir vier teilen eine gemeinsame Leidenschaft: wir können uns für besondere, alte Dinge wie beispielsweise historische Gebäude begeistern. Bei den beiden Speichern hat uns der besondere Charme in seinen Bann gezogen – und es ist einfach spannend, wenn etwas ganz Neues in alten Mauern entsteht. Gemeinsam haben wir dann die Vision des „lauten“ und des „leisen“ Speichers entwickelt, um das Kreativviertel im Hafen aktiv mitzugestalten – und um die verwahrlosten Speicher ökologisch sinnvoll neu zu nutzen. Tatsächlich sind wir in mehreren Bereichen aktiv und betreiben auch eine Firma für Altbausanierung. Das Fachwissen in puncto Sanierung und Baustoffe kommt uns jetzt natürlich sehr zu gute. Und – was fast in der aktuellen Bauboom-Zeit fast noch am wichtigsten ist – wir können auch auf die notwendige Manpower zurückgreifen, um kurzfristig mit den Arbeiten zu beginnen.
Frage: In der Stadt Osnabrück schreckten in der Vergangenheit viele vor der Thematik Proberäume zurück: das ganze Thema ist vielerorts als zu laut verschrien und als Thema, mit dem man kein Geld verdienen kann. Wieso engagieren Sie sich ausgerechnet in diesem Bereich?
Antwort: Wir haben in den letzten Wochen gefühlt fast pausenlos Gespräche geführt: mit Musikern, mit Kulturvereinen und mit verschiedenen Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. Wir haben dadurch ein gutes Gefühl dafür bekommen, in welch schlechter Situation einige Bands stecken, die sich inzwischen ganz einfach allein gelassen und perspektivlos fühlen, da ihre Proberäume in wenigen Monaten geräumt werden müssen. Durch persönliche Kontakte in dieser Szene und die Begeisterung für die coole, handgemachte Musik, die hier von vielen hobbymäßig und mit großer Leidenschaft gemacht wird, haben wir uns „infizieren“ lassen. Und wir haben uns ganz persönlich ein Bild von der „Lautstärke“ gemacht: Wir haben uns mit einem Drummer und einem Bassisten getroffen, die es richtig laut haben krachen lassen im alten Speichergebäude. Man glaubt das vorher gar nicht, aber schon wenige Meter weiter war von der Musik fast nichts mehr zu hören – und im anderen Speichergebäude nebenan bekommt man dann rein gar nichts mehr davon mit. Insofern sind wir überzeugt, dass das genau das richtige Konzept ist: im „lauten“ Speicher wird sich ein bunter Mieter- Mix aus Musikern und all denjenigen heimisch fühlen, die rund um das Thema Musik/Tanz/Kultur arbeiten. Und im „leisen“ Speicher werden inspirierende Industrie-Look-Büros mit einem ganz besonderen Charme entstehen, wo Architekten, Agenturen, Programmierer, Start-ups, Designer, Makler und ähnliches sich zu moderaten Preisen ansiedeln können.