Münster. Aufeinander hören und miteinander handeln: Was Unternehmer von weltweit erfolgreichen Orchestern lernen können, war Thema der Veranstaltung „Fokus. Zusammenspiel“ am 4. Juli in der VIP–‐Lounge des SC Preußen Münster. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hatte gemeinsam mit der southwalk GmbH und dem SC Preußen Münster dazu eingeladen, gute Unternehmensführung und zeitgemäßen Service aus einem neuen Blickwinkel kennenzulernen. Der international erfolgreiche Dirigent und Musikmanager Christian Gansch führte dem Publikum vor Augen, wie viel Führungsdominanz ein Unternehmen wirklich braucht und wann es auf das Vertrauen in die Initiative der Mitarbeiter ankommt.
Kundenorientierung neu definieren und erfahrbar machen: Bereits in der Begrüßung wies Bernd Adamaschek, Leiter der Wirtschaftsregion Westfalen für den BVMW, auf das Ziel guten Service–‐Designs hin. Jakob Ruprecht von southwalk nahm das Publikum in seinem Vortrag mit in das „Zeitalter des Kunden“ und gab zahlreiche Hinweise, wie sich Unternehmen von der Menge gleicher oder ähnlicher Angebote abheben können. „Das Internet verleiht dem Kunden Stimme und Macht. Der Kunde wird selbstbewusster und verlangt vom Anbieter mehr Aufmerksamkeit“, sagte der auf professionelle Konsumentenansprache spezialisierte Marketingberater aus Münster und stellte anhand von Praxisbeispielen und fundierten Zahlen dar, wie eine gelungene Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde aussehen sollte. Mit – teilweise humorvoll aufbereiteten – Negativbeispielen belegte Ruprecht, wie vermeidbare Fehler Unternehmen den Weg zur Kundenzufriedenheit versperren können. „Vollmundige Versprechungen beim Service müssen gehalten werden. Wer seinen eigenen Anspruch auch nur zeitweise nicht erfüllt, wird vom Konsumenten umgehend entlarvt“, brachte Ruprecht die Risiken auf den Punkt. Es gelte ein beträchtliches Umsatzpotenzial zu heben, was jedoch durchdachte Schnittstellen zum Kunden voraussetze. Um Schwachpunkte beim Service sichtbar zu machen, sei besondere Sensibilität und Selbstkritik gefordert. „Wechseln Sie die Perspektive und empfinden Sie den Weg des Kunden nach“, forderte Ruprecht die mehr als 150 anwesenden Unternehmer und Entscheider auf. Mit dem Top–‐Dirigenten und Musikmanager Christian Gansch hatte southwalk einen Gast nach Münster eingeladen, dessen Vortrag das Publikum in mehrfacher Hinsicht überraschen sollte. „Wer Musik professionell versteht und betreibt, erfüllt kein künstlerisches Klischee. Gefragt sind ausschließlich gutes Handwerk, Technik und Disziplin“, räumte der gebürtige Österreicher gleich zu Beginn mit dem Bild vom gemütsgeleiteten Kreativen auf. „Ein Unternehmen braucht Vorbilder statt immer neue Leitbilder“, erteilte Gansch einer ganzen Reihe von Motivations–‐ und Führungsseminaren eine klare Absage. Der Konzertbesucher, wie auch der anspruchsvolle Kunde, verlangten nach einer emotionalen Ansprache. Um diese zu erreichen, seien klar geordnete, mitunter auch schmerzhaft perfektionistische Strukturen nötig. Wahre „Perfektionsberserker“ seien die Orchesterleiter großer Häuser. „Wenn nur drei von hunderttausend Tönen nicht stimmen, schlafen sie nicht gut“, berichtete Gansch aus seiner Erfahrung. „Der Dirigent ist kein Alleinherrscher, aber er gibt die Vision vor. Vor allem muss er sich auf das eigenverantwortliche Handeln seiner Führungskräfte im Orchester verlassen können“, fasste Gansch, begleitet von passenden Musikbeispielen, die Parallelen zu einer wirkungsvollen unternehmerischen Führung zusammen. Auch im Bereich der Unternehmenskultur könnten die Betriebe und Konzerne vom Orchester lernen. „Homogenität nach außen schaffen und klare Kommunikation pflegen ist das Ziel. Ohne Information nach innen erreichen Sie keine Motivation“, erklärte der erfahrene Orchesterleiter und Förderer zahlreicher Musikgrößen sein Erfolgsprinzip. Nüchtern fiel seine Empfehlung für erfolgreiche Personalgewinnung aus: „Von Orchestermusikern werden Nervenstärke im richtigen Moment, überdurchschnittliche Flexibilität und die Wahrnehmung der benachbarten Abteilungen verlangt.“ Schnelle Entscheidungen und ein Netzwerk von Blickkontakten garantierten das ausdrucksstarke Zusammenspiel, unabhängig von der Selbstwahrnehmung der einzelnen Musiker. Hier komme besonders dem Dirigenten eine hohe Verantwortung zu. „Es gilt, die kleineren Rollen zu schätzen, damit die größeren Rollen möglich sind.“ Die Rücksicht auf individuelle Mitarbeiterwünsche sei keine moralische Forderung, betonte Gansch. „Im Orchester haften alle für die hörbaren Fehler Einzelner. Um den gewünschten Erfolg zu erzielen, seien Planung, mathematische Präzision und Leistungskontinuität unverzichtbar. „Schließlich interessiert den Kunden nicht, wie gut man gestern war.“ Den Brückenschlag zu gutem Kundenservice erreichte der Exkurs von Wagner über Bruckner bis hin zu James Brown mit einer zentralen Feststellung: Perfekt ist eine Leistung erst dann, wenn sie leicht erscheint und für den Kunden sinnlich erlebbar wird.