Köln. Eine Internationalisierung des Unternehmens bewirkt eine Internationalisierung der Mitarbeiterschaft. Längst hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: War for Talents und Fachkräftemangel sind die aktuellen Schlagworte. Viele Unternehmen haben die Vorteile ausländischer Fach- und Führungskräfte, sogenannter Impatriates, längst erkannt: mehr Nähe zum Zielmarkt, wichtige sprachliche und interkulturelle Kompetenzen, neue Ideen und andere Perspektiven.
Folgerichtig ergibt sich die Frage: Was muss sich im Unternehmen ändern, um den vollen Nutzen aus der neuen Vielfalt zu ziehen? Manche Impatriates sind schnell wieder weg, weil das Drumherum nicht passt. Einem schwäbischen Maschinenbauer passierte das mit einem vietnamesischen Programmierer: Dieser kündigte seinen neuen Job nach fünf Monaten, weil er unter anderem einen immensen Aufwand betreiben musste, in der nächsten Großstadt asiatische Lebensmittel aufzutun.
Den Grund teilte er erst nach der Kündigung mit. Echte Vielfalt im Unternehmen muss gelebt werden und eine praktische Umsetzung für beide Seiten nach sich ziehen. Besonders mittelständische Unternehmen, die sich auf dem Weg zur Internationalisierung befinden, verweisen immer wieder auf die Faktoren Zeit und Geld. Doch ein nachhaltiges Onboarding-Programm hilft gerade unnötige Verluste zu vermeiden. Richtig aufgesetzt, besonders im mittelständischen Umfeld, lässt es sich kostengünstig realisieren. Katarina Lerch ist interkulturelle Trainerin bei den Carl Duisberg Centren und selbst ehemalige Expatriate mit langjähriger Erfahrung in der internationalen Personalentwicklung. Sie rät:
1. Training für die Personaler: Vor allem die Personalabteilung als zentrale Steuerungseinheit sollte über interkulturelles Knowhow verfügen und in sich divers sein. Sie braucht Sprachkenntnisse und muss in der Lage sein, Kandidaten aus dem Ausland über alle Lebensbereiche kompetent zu beraten: von Einkommensstrukturen über Schulwesen bis zu Versicherungen und Karrierechancen für beide Partner.
2. Common Ground formulieren: Wichtig ist sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, ihre Erwartungen und Vorstellungen transparent zu formulieren. So kann der berühmte „Wenn-ich-das-nur-früher-gewusst-hätte“-Effekt vermieden werden. Viel zu oft geben die Beschreibungen in Stellenausschreibungen nicht exakt die tatsächlichen Tätigkeiten wieder, die im Unternehmen gefordert sind. Deshalb sollten Bewerber aus dem Ausland die Möglichkeit haben, direkt mit Vorgesetzten und Kollegen aus dem Arbeitsbereich in Kontakt zu treten.
3. Look-and-See-Trip: Geben Sie den Kandidaten Gelegenheit, sich vorher gründlich über alles zu informieren, was wichtig ist. Vermitteln Sie kompetente Ansprechpartner für den Look-and-See-Trip und lassen Sie den jeweiligen Partner mit anreisen.
4. Partner und Familie: Ein Drittel der weltweiten Auslandseinsätze wird aus familiären Gründen vorzeitig abgebrochenen. Befürchtungen für die Karriere des Partners sind zugleich laut Brookfield Global Relocation Trends 2012 der häufigste Grund für die Ablehnung eines Auslandsaufenthaltes. Wenn es Familie gibt, berücksichtigen Sie deren Interessen genauso wie die des Arbeitnehmers.
5. Relocation Service: Wohnung, Strom, Essen und Kinderbetreuung sind nur einige der grundlegenden Probleme, die der Neuankömmling am Anfang lösen muss. Erst wenn sie geklärt sind, hat der neue Mitarbeiter den Kopf frei für seine Arbeit. Er braucht in dieser Phase viel Hilfe. Eine gute Betreuung gerade in den ersten Tagen ermöglicht einen guten Start.
6. Paten- und Partnerschaften: Bewährt haben sich Patenprogramme für neue Kollegen aus dem Ausland. Schon vor der Einreise nach Deutschland werden die neuen Kollegen durch einen Paten betreut. Per Mail oder Skype besprechen sich diese Tandems zu Themen wie Wohnen und Leben, Familie und Freunde, Essen und Trinken, Hobbys oder besondere Interessen. Solche Patenschaften sind vor allem am Anfang mit mehr Zeitaufwand verbunden. Dieser Aufwand hat sich jedoch in allen Firmen, die dieses Modell praktizieren, mehr als ausgezahlt.
7. Interkulturelle Kompetenz: Interkulturelle Deutschland-Trainings für „Die Neuen“ sind mittlerweile in vielen Unternehmen üblich. Noch besser wäre natürlich die Förderung interkultureller Kompetenz in der gesamten Belegschaft. Für beide Seiten sind Kenntnisse und Wahrnehmung der jeweils anderen Kultur von immenser Bedeutung. Dass dies manchmal nur schwer zu realisieren ist, liegt auf der Hand. Aber den Anfang sollte stets die Geschäftsführung machen und mit gutem Beispiel vorangehen. Damit unterstreicht sie die Wichtigkeit dieser Weiterbildung und ermutigt auch andere, sich solchen Maßnahmen anzuschließen. Interkulturelle Kompetenz sollte also kein Spezialwissen von einigen wenigen sein, sondern zur selbstverständlichen Grundausbildung eines jeden Mitarbeiters werden.
8. Sprachliche und kommunikative Hürden: Oftmals werden sprachliche Barrieren unterschätzt – man redet sich ein „Global English“ schön. Dabei liegt in der Sprache der Schlüssel zum Verständnis der jeweils anderen Kultur. Ermuntern Sie nicht nur den neuen Kollegen zu Sprachkursen, sondern ermöglichen Sie diese Art von Weiterbildung auch für die anderen Kollegen!
9. Führung: Sorgen Sie dafür, dass auch die Führungskraft interkulturell sensibilisiert wird. Führungsstile variieren stark zwischen den Kulturen. Der Chef ist für den Mitarbeiter enorm wichtig. Ein interkulturell kompetenter Chef schafft eine Willkommenskultur im Team und hält den Kommunikationskanal offen.
10. Retention: Nachhaltig ist die Einstellung ausländischer Fach- und Führungskräfte nur, wenn der Mitarbeiter lange genug bleibt, um die erhöhten Kosten der Einstellung oder Versetzung wieder einzuspielen. Dafür müssen privat und beruflich die Rahmenbedingungen stimmen. Jemand, der seine Mobilität schon unter Beweis gestellt hat, braucht dauerhafte Karriereperspektiven, sonst macht er sich wieder auf den Weg.
Die Harmonisierung unterschiedlicher Kulturen und ihrer Wertvorstellungen im Unternehmen sollten kein „nice to have“ sein, sondern selbstverständlich. Ausländische Mitarbeiter werden so zu wertvollen Multiplikatoren der Unternehmensphilosophie.