Wenn Mensch und Roboter gemeinsam einen Tisch tragen

Der humanoide Roboter COMAN soll noch ein bisschen wachsen, damit er mit Erwachsenen interagieren kann. Professor Dr. Jochen Steil leitet das neue Forschungsprojekt. (Bild: Universi- tät Bielefeld)
Der humanoide Roboter COMAN soll noch ein bisschen wachsen, damit er mit Erwachsenen interagieren kann. Professor Dr. Jochen Steil leitet das neue Forschungsprojekt. (Bild: Universität Bielefeld)

Für Roboter ist ein Mensch normalerweise ein Störfaktor. Müssen Mensch und Roboter gemeinsam arbeiten, gibt es oft Schwierigkeiten. Die Forscherinnen und Forscher des gerade an der Universität Bielefeld gestarteten Projekts CogIMon wollen Robotern beibringen, mit Menschen zu interagieren und gemeinsam etwas zu bewerkstelligen.

CogIMon steht für kognitive nachgiebige Bewegungsinteraktion (Cognitive Compliant Interaction in Motion). Die Forschungsgruppe arbeitet sowohl an menschenähnlichen als auch an Industrie-Robotern. CogIMon wird von Professor Dr. Jochen Steil vom Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld koordiniert. Das Verbundprojekt mit sechs weiteren internationalen Partnern läuft von 2015 bis 2018 und wird vom EU-Förderprogramm Horizont 2020 mit sieben Millionen Euro gefördert.

„Das Ziel von CogIMon besteht darin, Robotern beizubringen, die Kräfte beim Bewegen von Objekten zu verstehen und angemessen auf Veränderung des Gewichtes und Kontaktes beim Tragen zu reagieren“, sagt Jochen Steil. Menschen haben kein Problem damit, anhand der Körpersprache eines anderen Menschen das Gewicht eines Objektes einzuschätzen und daraufhin angemessen ihre Kräfte beim Heben anzupassen. Robotern fehlt dieses Verständnis bislang. „Roboter können ihre eigenen Kräfte messen und bis zu einem gewissen Grad regulieren. Sie können ihre Bewegungen stoppen oder auch nachgeben, aber sie sind bisher nicht in der Lage, die Kräfte zu verstehen und sie aktiv für eine Kooperation zu steuern und einzusetzen. Das wollen wir ändern.“

„Das Verstehen von wirkenden Kräften ist eine große Herausforderung, weil es sich dabei um eine komplexe Interaktionskompetenz handelt, bei der verschiedene Bereiche kombiniert werden müssen: Wahrnehmen, das Bewegen von Objekten, Steuern der Nachgiebigkeit und Körperkontrolle sind einige davon“, erklärt Steil. Momentan gibt es nur wenig Theorie dazu, wie Roboter mit Menschen gemeinsam Dinge bewegen können, daher betreiben die Projektpartner in Italien und Großbritannien Grundlagenforschung durch Interaktionsexperimente mit Menschen. Steils Gruppe entwickelt währenddessen neue Steuerungs- und Programmiermethoden für die Roboter. Ein klassisches Beispiel für das Bewegen von Objekten: Wenn ein Mensch und ein Roboter oder auch zwei Roboter gemeinsam einen Tisch tragen. Bei dieser Handlung ist es wichtig, die Kräfte anzupassen: Der eine Träger geht vor, der andere folgt. Gerade beim Wechsel von Vorangehen und Folgen ist es notwendig, das Bewegungsverhalten vorherzusehen und die eigene Bewegung dementsprechend anzupassen.

Bei der Untersuchung der Interaktion von menschenähnlichen Robotern mit Menschen können die Forscherinnen und Forscher auf den humanoiden Roboterprototypen COMAN (COmpliant HuMANoid Plattform) zurückgreifen. COMAN wurde am Italian Institute of Technology in Genua entwickelt, misst 95 Zentimeter und wiegt 31 Kilogramm. Für das Projekt CogIMon soll er noch um ein Viertel wachsen, damit er auch mit Erwachsenen interagieren kann. In Zukunft soll COMAN lernen, die menschliche Körpersprache zu lesen. Dann könnte er zum Beispiel in der Rehabilitation eingesetzt werden und die Motorik und Koordination von Menschen trainieren, indem er ihnen einen Ball zuwirft. Dabei soll er auch Bewegungen antäuschen und beim Fangen direkt auf den Menschen reagieren können. Diese Gruppeninteraktion soll so frei sein, dass Menschen und Roboter jederzeit die Gruppe verlassen und wieder zurückkehren können, ohne dass es zu Irritationen kommt.

Eine weitere Anwendung ist in der Industrie geplant: Hier greifen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einen KUKA Leichtbauroboter zurück. In Fertigungshallen sollen mehrere Industrieroboter gemeinsam zum Beispiel große Pakete heben und in Regale einsortieren können. Dabei ist es wichtig, dass die Roboter lernen, die dynamischen Eigenschaften des Objektes richtig einzuschätzen und den Hebevorgang an das veränderte Gewicht und die Beschaffenheit der Oberfläche anzupassen.

Die internationalen Partner des von Jochen Steil und Felix Reinhart am CoR-Lab koordinierten Projektes sind: Sebastian Wrede (CoR-Lab/CITEC, Universität Bielefeld), Aude Billard und Auke Ijspeert (École polytechnique fédérale de Lausanne, Schweiz), Martin Giese (Universität Tübingen), Darwin Caldwell und Nikos Tsagarakis (Italian Institute of Technology in Genua), Andrea d’Avella und Yuri Ivanenko (Santa Lucia Foundation, Italien), Etienne Burdet (Imperial College London, Großbritannien) und Micheal Mistry (Birmingham University, Großbritannien).

www.cogimon.eu

www.uni-bielefeld.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

Die WIR-Redaktion freut sich auch auf Ihre Pressemitteilungen. Sprechen Sie uns an unter +49 5231 98100 0 oder per mail an redaktion@wirtschaft-regional.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.