Ich hatte jüngst Gelegenheit, eine Veranstaltung zu aktuellen Führungsinstrumenten zu besuchen. Die Referenten schilderten in hellen Farben, warum ein strukturiertes und unternehmensweites Feedback an alle Führungskräfte notwendig und fruchtbringend sei. Auf meine Frage, wie es denn um die Kosten/Nutzen-Relation des eingesetzten Instruments bestellt sei, bekam ich ausweichende Antworten.
Um es klar zu sagen: grundsätzlich halte ich derartige Instrumente der Personalentwicklung für sinnvoll. Allerdings sollte es einen Beipackzettel geben, auf dem auch die möglichen Nebenwirkungen beschrieben werden. Seit Jahren werden komplexe Verfahren der Personalentwicklung und -bewertung über ganze Organisationen gezogen, die sich nur noch der Personalabteilung und den damit beauftragten externen Beratern erschließen. Der Soziologieprofessor Stefan Kühl hat dies ketzerisch als „Personalentwicklungszyklus“ beschrieben, der sich selbst am Leben erhält und dem sich niemand entziehen könne.
Wenn wir Organisationen als lebendige Systeme betrachten, dann sollten wir Selbstorganisation fördern, anstatt überkomplizierte Verfahren zu erschaffen, die sich selbst am Leben erhalten. Wenngleich den Führungskräften wesentliche Rollen und Aufgaben zukommen, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind, so schlage ich dennoch vor, die Mitarbeiter an ihre Eigenverantwortung zu erinnern.
Aus meiner Erfahrung als Organisationsberater habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass wir einen praxistauglichen Ansatz der Selbstführung benötigen, der gleichermaßen für Mitarbeiter, Führungskräfte, aber ebenso auch für Vorstände und Inhaber taugt. Die Führung der eigenen Person kann aus meiner Sicht nicht an Verfahren delegiert werden, gleichwohl benötigt die Analyse, Weiterentwicklung und tägliche Organisation des Menschen einen systematischen Ansatz.
Wir brauchen Selbstführung, weil wir im Arbeitsleben alle – ob Führungskraft oder Mitarbeiter – wirksam sein müssen. Dazu bedarf es eigener Ziele, der Kenntnis unserer Stärken und der Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten. Wir benötigen die richtigen Teammitgliedern um uns, und vor allem: wir müssen die volle Verantwortung für uns selbst übernehmen. Wie sagte es der Gründer der dm-Drogeriemärkte, Götz W. Werner: Wie gelingt es mir, im Sattel zu sitzen – und nicht am Schwanz der Pferdes zu hängen?
Burkhard Bensmann