Rio de Janeiro (dapd). Bundesumweltminister Peter Altmaier trägt einen für Politiker ungewöhnlichen Schmuck: Um sein Handgelenk hat er einen grünen Wollfaden gewickelt, der fast aussieht wie eines der Freundschaftsbändchen, die sich Jugendliche früher gegenseitig umgebunden haben. Es ist ein Symbol, das ihm Schüler aus aller Welt am Rande des UN-Nachhaltigkeits-Gipfels in Rio de Janeiro mit auf den Weg gegeben haben, „damit er den grünen Faden nicht aus den Augen verliert“. Das zumindest ist nicht seine Absicht. Der CDU-Politiker absolviert auf dieser Konferenz viele Termine. Er spricht mit Amtskollegen, trifft Vertreter aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft und steht Journalisten für Fragen zur Verfügung. Doch das Treffen mit den Jugendlichen ragt auch für ihn aus der Masse der Veranstaltungen heraus. „Es ist eure Zukunft, es ist eure Erde und was daraus wird, ist auch eure Entscheidung“, sagt er an die Jugendlichen gerichtet. „Wir müssen überall anfangen“, antwortet er einem der Schüler auf die Frage, ob nicht jedes Land in Sachen Umweltschutz und Ressourcenverbrauch bei sich zu Hause anfangen müsste. Gerade einmal vier Wochen ist Altmaier im Amt. Hals über Kopf beerbte er den glücklosen Norbert Röttgen, der den Trip an den Zuckerhut eigentlich schon fest eingeplant hatte – bis Angela Merkel ihn nach der Wahlschlappe in NRW aus dem Kabinett warf. Und tatsächlich hat der neue Minister in den letzten Wochen den Eindruck erweckt, als wolle er überall anfangen. Energiewende, Endlagerung, internationale Umweltdiplomatie. Die Liste der Aufgaben ist lang. Yannick Klecker ist einer der Jugendlichen, die Altmaier gerade eben den grünen Faden überreicht haben. Der 18-Jährige aus Osterkappeln bei Osnabrück findet den neuen Umweltminister „ganz interessant“. Er nimmt Altmaier als bestens vernetzten Politiker wahr, der sich rasch in Dinge einarbeiten kann und nebenbei auch den Humor nicht verliert. „Das ist in der momentanen Dauerkrise wichtig“, meint er. Zugleich äußert Yannick die Hoffnung, dass es Altmaier gelingt, die Energiewende zu organisieren. In Rio zumindest wirbt Altmaier unermüdlich für das Projekt, das er auch auf Englisch Energiewende nennt. So auch am Dienstagnachmittag, im deutschen Pavillon. „Wenn es Deutschland gelingt, erneuerbare Energien zu erschwinglichen Preisen zu produzieren, werden wir ein Musterfall werden“, gibt er sich überzeugt. Während der Debatte wirkt Altmaier zwischenzeitlich müde, die Nacht zuvor hat er nur zweieinhalb Stunden geschlafen. Doch wenn er über die Energiewende sprechen kann, ist alle Müdigkeit plötzlich wie weggeblasen. Nichtsdestotrotz war die Nacht anstrengend für den neuen Minister. Der Showdown kam früh auf dieser Konferenz. Anstatt bis zur letzten Minute (und darüber hinaus) zu verhandeln, wie es etwa auf Klimakonferenzen normalerweise der Fall ist, fand die Nachtsitzung in Rio bereits am Montag statt – noch bevor der offizielle Teil des Gipfels überhaupt angefangen hatte. Die Brasilianer waren mit einem Vorschlag für eine Abschlusserklärung vorgeprescht, den Altmaier am nächsten Morgen als „inakzeptabel“ bezeichnen sollte. Bis in die Morgenstunden zogen sich daraufhin die Verhandlungen – und das ausgerechnet an Altmaiers Geburtstag. Anstatt diesen mit einer Caipirinha an der Copacabana ausklingen zu lassen, verbrachte er einen langen Abend im Kongresszentrum, bis endlich ein Kompromiss gefunden war. Etwas genervt machte er seinem Unmut irgendwann auch via Twitter Luft. Die Erwartungen an den Rio-Gipfel waren schon im Vorfeld gering. Doch die Erklärung, auf die sich die Teilnehmer der Konferenz schließlich verständigen, unterbietet viele Erwartungen noch bei Weitem. Umwelt- und Hilfsverbände sind enttäuscht, doch Altmaier muss dennoch gute Miene zum bösen Spiel machen. Er räumt ein, dass es sich nicht um einen Durchbruch handelt. Dennoch spricht er immer wieder von einer guten Grundlage. Für ihn, den leidenschaftlichen Strippenzieher und Kommunikator, kann dies nur eines heißen: Solange weitermachen, bis auch der letzte überzeugt ist. Und so trommelt der Umweltminister weiter beharrlich für die Energiewende und macht zugleich deutlich, worum es aus seiner Sicht geht: „We’re on the eve of a big bang“, sagt er etwa am Donnerstag bei einer Veranstaltung mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie. Am Vorabend des Urknall also. Die deutsche Energiewende als Blaupause, die auch andere Länder dazu bringen kann, umzusteuern – das ist Altmaiers Ziel. Angesichts der Schwerfälligkeit der großen UN-Konferenzen setzt er jetzt auf die Zusammenarbeit von Staaten, die das ähnlich sehen wie die Deutschen. So soll eine Dynamik ausgelöst werden, „die immer mehr Länder dieser Welt umfasst“. Altmaier geht davon aus, dass sich Beharrlichkeit irgendwann auszahlt. „Wenn man immer wieder das gleiche sagt, haben es irgendwann alle kapiert“, versichert er den Schülern. Tags darauf gibt er noch ein weiteres Versprechen ab. „Ich werde das grüne Bändchen so lange aufheben, bis wir sagen können, die Energiewende in Deutschland ist unaufhaltsam und sie wird zum Modell für andere Länder in der Welt.“ In seinem Ministerium will er es sichtbar befestigen, damit jedermann es sehen kann. Für ihn ist der Faden ein Symbol für das, „was wir erreichen müssen“. Altmaier hat noch viel vor. Erst recht nach dieser Rio-Konferenz. dapd (Politik/Politik)
Warten auf den Urknall in Rio
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen