Harsewinkel. „Claas kümmert sich um seine Kunden und lässt sie niemals im Stich.“ Dieser Leitsatz von August Claas gilt bis heute. Doch der kleine Handwerksbetrieb, den er vor 100 Jahren gegründet hat, ist mittlerweile zu einem international aufgestellten Unternehmen mit Standorten und Vertriebsgesellschaften in über 100 Ländern geworden. Nach wie vor ist er familiär geprägt und mit Helmut Claas als Vorsitzendem des Gesellschafterausschusses, seiner Tochter Cathrina Claas-Mühlhäuser als Vorsitzender des Aufsichtsrates und Vertretern der beiden weiteren Eignerfamilien, Reinhold Claas und Günther Claas, auch familiengeführt.
Dank des „Knoter“ und anderer wegweisender Entwicklungen wie der Sammel- und Ladepresse PICK UP, dem ersten europäischen Mähdrescher MDB oder den JAGUAR Feldhäckslern eroberte CLAAS die Welt der Erntetechnik. Die Frage „Wo wird in Zukunft wie was geerntet?“ treibt die Entwicklung der Landmaschinen stetig voran. Heute beschäftigt das Unternehmen über 9.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2012 einen Umsatz von
3,4 Milliarden Euro.
„Dann machen wir es eben allein.“
Im Jahr 1913 gründete August Claas eine Firma zur Fertigung von Strohbindern und ließ sie ins Register der Amtsverwaltung Herzebrock eintragen. Als seine Brüder Bernhard und Franz jun. 1914 hinzu stießen – später mit Theo Claas auch der jüngste der vier Brüder – firmierte das Unternehmen fortan unter dem Namen „Gebrüder Claas“. Nach Ende des Ersten Weltkrieges kauften sie 1919 ein ehemaliges Hartsteinwerk in Harsewinkel ¬– nach wie vor wurden Strohbinder gefertigt. Der 1921 weiter entwickelte und patentierte „Knoter“, ein mechanischer Knüpfapparat für perfekte Bunde, wurde fester Bestandteil der Maschinen und ermöglichte mit zunehmendem Erfolg den Übergang vom Handwerks-betrieb zur industriellen Serienproduktion. In den 1920er Jahren erweiterten die Brüder die Fertigung um Düngerstreuer und später auch Strohpressen. ¬Dann konnte Professor Vormfelde, der als Vorkämpfer des Mähdreschers für europäische Verhältnisse gilt, die Brüder Claas davon überzeugen, die Entwicklung eines europatauglichen Mähdreschers aufzunehmen. Der Bonner Agrarwissenschaftler und sein Assistent Dr. Walter Brenner entwickelten schon 1932 einen ersten Mähdrescher-Prototypen mit Vorderschnitt, der um einen Traktor herum gebaut wurde. Der Versuch, den Prototypen gemeinsam mit anderen Herstellern zur Marktreife zu bringen, blieb jedoch erfolglos. Da entschied August Claas: „Dann machen wir es eben allein.“ Nach den ersten Erprobungen mit dem Frontschneider nahm man in Harsewinkel die Entwicklung eines gezogenen Anhänge-Mähdreschers auf. Der erste von einem Traktor gezogene Mäh-Dresch-Binder (MDB) fuhr 1936 in Zschernitz (Sachsen) über die Felder, ein Jahr später ging er in Serienproduktion. Seit dieser Zeit ist der Mähdrescher untrennbar mit dem Namen CLAAS verbunden und das Unternehmen verdankt vor allem dieser Maschine seine internationale Größe und Bedeutung.
Reparationsleistungen führen zu ersten Exportgeschäften
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte August Claas eine Landmaschinenvertretung im niederländischen Zytphen mit Strohbindern beliefert. Diese Geschäftsbeziehungen mit CLAAS nahm man im Jahr 1920 wieder auf. Die Reparationszahlungen Deutschlands an die Nachbarländer bildeten die Basis für das aufkommende Exportgeschäft mit Strohbindern, vor allem nach Frankreich und Belgien. Auch die ab 1931 produzierte Strohpresse und die ab 1933/34 gebaute Heu-Sammel- und -Ladepresse PICK-UP waren im Ausland sehr gefragt ¬– in Europa, aber auch in Kanada und Neuseeland.
Die Ehefrau von August Claas, Paula, kümmerte sich seit 1930, ihrem formellen Eintritt ins Unternehmen, als Prokuristin um das Auslandsgeschäft der „Gebrüder Claas“. Die studierte Handelslehrerin hatte ihren späteren Mann auf der Leipziger Landwirtschaftsmesse kennengelernt, wo er sie ¬– damals noch Studentin – als Dolmetscherin engagiert hatte. Auch dank ihrer guten Fremdsprachenkenntnisse spielte Paula Claas eine wichtige Rolle in dem immer internationaler werdenden Betrieb. Sie betrieb die Kontaktpflege zu den Auslandsvertretungen und begleitete ihren Mann zu allen wichtigen internationalen Ausstellungen.
Ein guter Ruf – weltweit
Der Zweite Weltkrieg stoppte die Exportgeschäfte, nicht aber den Entwicklungsgeist. Zwar verfügte die Regierung 1943, dass nur noch Rüstungsgüter produziert werden durften, was den Produktionsstopp für die Mähdrescher bedeutete, aber im Hause CLAAS wurde dennoch weiter entwickelt. Der Mähdrescher SUPER zog bereits 1943 seine ersten Proberunden bei Betrieben in Sachsen und Westfalen. Einem Auftrag der englischen Militärregierung für eine Ernte-Schnell-Aktion in den zerstörten westrheinischen Gebieten im Sommer 1946 verdankte man es, dass die neue Maschine in Serie produziert werden konnte. Ein im gleichen Jahr von den Engländern beschlagnahmter SUPER Mähdrescher überzeugte das britische Agrarministerium, was zur Folge hatte, dass bereits ein Jahr später eine größere Stückzahl exportiert wurde. In den Jahren 1948/1949 folgten mehrere hundert Mähdrescher. Damit hatte man erfolgreich auf der Insel Fuß gefasst.
Weitere Lieferungen erfolgten nach Frankreich, Belgien und in die Niederlande. Die Teilnahme an vielen internationalen landwirtschaftlichen Ausstellungen in Paris, Brüssel oder Großbritannien gehörte bei CLAAS zum unternehmerischen Alltag. Der Verkauf der Maschinen erfolgte zunächst über sogenannte Werksvertreter, die in den jeweiligen Ländern geeignete Händler suchten und betreuten. Später wurden Generalimporteure ernannt, zudem entstanden auch eigene Vertriebstochtergesellschaften. CLAAS genoss Anfang der 1950er Jahre weltweit einen guten Ruf. 1952 war das Unternehmen mit seinen Produkten in etwa 30 Ländern präsent, darunter alle wichtigen Märkte in Europa, Südamerika, in Teilen Afrikas und dem Nahen Osten.
Individuelle Lösungen für individuelle Bedürfnisse
Den ersten Auftrag aus Kanada erhielt CLAAS 1952. Der Mähdrescher SUPER hatte die dortigen Farmer überzeugt, da diese Maschine nicht nur mähen sondern auch Stroh pressen konnte. In Südafrika kam der SUPER erstmals 1954 zum Einsatz. Mit Kenia, Zimbabwe und dem Sudan entwickelten sich ebenfalls Geschäftsbeziehungen. In Nordafrika exportierte CLAAS nach Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen, die wichtigsten Absatzländer im Nahen Osten waren Irak, Iran, Syrien und Saudi-Arabien. Auch die Australier konnte man 1952 im Rahmen einer Landmaschinenausstellung in Perth vom Mähdrescher SUPER überzeugen.
Helmut Claas, Sohn des Firmengründers August Claas, war 1958 ins Unternehmen im Bereich Technik (Entwicklung und Produktion) eingetreten. Zusammen mit seinem Vater, mit dem ihn die Leidenschaft für Technik verband, reiste er nach Südamerika, um in Uruguay, Argentinien und Brasilien die Einsatzmöglichkeiten für die CLAAS Maschinen kennenzulernen und den Export dort anzustoßen.
Als wichtiger ausländischer Standort kam mit Produktionsaufnahme 1962 das Pressenwerk im französischen Metz hinzu, der heute – zusammen mit CLAAS im schwäbischen Bad Saulgau – für den Bereich Futterernte steht. Die Geschichte von CLAAS in Saulgau ist ganz wesentlich von den Firmen Bautz und Speiser geprägt, die CLAAS 1969 übernommen hatte.
Die Produktion in Harsewinkel war Anfang der 1960er Jahre voll ausgelastet, doch gab es weitere Märkte, die es aufzubauen galt, zum Beispiel die Vereinigten Staaten. CLAAS versuchte zunächst, durch eine Vereinbarung mit Ford Fuß zu fassen: Die Ford Motor Company, Tractor Division, erhielt 1965 die Vertriebsrechte für Mähdrescher für den gesamten nordamerikanischen Markt inklusive Mexiko. Doch der Verkauf verlief schleppend, so dass CLAAS 1979 eine eigene Vertriebsgesellschaft in Columbus, Indiana gründete, die CLAAS of America (COA). 1997 schloss CLAAS mit dem US-Unternehmen Caterpillar (CAT) ein Joint Venture ab, um den Mähdrescherabsatz zu erhöhen und langfristig zu sichern. 1999 wurde der Grundstein für das erste Mähdrescherwerk in Nordamerika gelegt, das zwei Jahre später in Betrieb genommen wurde. Speziell für tropische und subtropische Länder entwickelte CLAAS im Rahmen eines Entwicklungsvertrags mit Kuba einen Zuckerrohr-Vollernter. 1972 ging er in Serienproduktion, bereits wenige Jahre später kamen die Maschinen weltweit in Nordamerika, Süd- und Mittelamerika, Afrika, Asien und Australien zum Einsatz.
Der Eiserne Vorhang fällt
Da der gesamte Ostblock bis 1990 isoliert war, gab es für CLAAS kaum Gelegenheit, Geschäftsbeziehungen aufzunehmen. Zwar partizipierte man an Ausstellungen in Moskau und Kiew, die zu Bestellungen von Maschinen für Testzwecke führten, aber nicht zu Folgeaufträgen.
In Ungarn war CLAAS als einziger westlicher Hersteller bereits seit 1969 aktiv. Bis zur Wende 1989 wurden rund 5.000 Mähdrescher abgesetzt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnten die Märkte im Osten erschlossen werden. Neben mitteleuropäischen Staaten wie Polen, Ungarn oder Bulgarien bekundeten auch Länder der ehemaligen Sowjetunion Interesse an den Produkten von CLAAS. Dies führte zur Ernennung von Generalimporteuren oder Händlern in den entsprechenden Ländern. In Moskau wurde ein zentrales Ersatzteillager errichtet, 1997 eröffnete CLAAS ein Werk im ungarischen Törökszentmiklós, südöstlich von Budapest.
Die Märkte der Russischen Föderation wurden in den 1990er Jahren immer wichtiger – alleine schon wegen der Wettbewerbsfähigkeit in der Welt-Getreideproduktion. Mitten in der Kornkammer Russlands, in Krasnodar, eröffnete CLAAS 2005 ein eigenes Mähdrescherwerk und wurde so zum ersten westlichen Landtechnikhersteller, der eine eigene Produktion in Russland unterhält.
Der Sprung nach Südost-Asien
Speziell für den asiatischen Markt hat CLAAS Ende der 1980er Jahre mit dem CROP TIGER eine kleine Reis-Erntemaschine mit Allfrucht-Eignung entwickelt. Dieser Mähdrescher wurde seit 1992 in Faridabad, unweit der indischen Hauptstadt Neu-Delhi, gefertigt und nach Süd-Indien, Sri Lanka, Süd-Korea und in andere südost-asiatische Länder geliefert. Heute werden diese Maschinen in der 2008 neu eröffneten CLAAS Fabrik im nordindischen Chandigarh gebaut.
CLAAS international
CLAAS Maschinen sind heute auf allen Feldern dieser Welt zu Hause. Aus dem Handwerksbetrieb in Harsewinkel ist in den vergangenen 100 Jahren ein international aufgestelltes Unternehmen geworden. CLAAS ist weltweit auf allen wichtigen Märkten präsent und unterhält in vielen Ländern eigene Produktionen und Vertriebsgesellschaften. Der vertrauensvolle Umgang zwischen Unternehmerfamilie und Partnern ist immer noch ein Grundpfeiler der Unternehmenskultur. Bodenhaftung und die stete Bereitschaft, neue Wege zu gehen, Kontinuität und Internationalität machen CLAAS aus. Die Familie Claas ist dem Unternehmen nach wie vor eng verbunden.
Die nächsten Generationen
Ein besonderes Anliegen von CLAAS ist die Nachwuchsförderung. Mit der 1999 gegründeten CLAAS Stiftung fördert das Unternehmen den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das Helmut-Claas-Stipendium unterstützt Studierende aus ingenieurwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Aus der Überzeugung heraus, dass man Talente nicht früh genug erkennen kann, stattet die Stiftung Grundschulen und Kindergärten mit sogenannten Forscherkoffern aus, mit denen einfache technische und naturwissenschaftliche Versuche durchgeführt werden können. Des Weiteren wurden Schülerforschungszentren in Bad Saulgau und Osnabrück aufgebaut.
Mit zahlreichen nationalen und internationalen Hochschulen bestehen Partnerschaften, da die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung wichtige Erkenntnisse für die technische Entwicklung der CLAAS Produkte bringt – zum Beispiel im Bereich Alternative Antriebe oder hinsichtlich des Einsatzes von Informationstechnologie bei der Bewirtschaftung von Agrarflächen. Die Erforschung von Technologien der Zukunft spielt eine immer wichtigere Rolle. Und Fortschritt bei Landwirtschaft und Landtechnik ist angesichts der rasch wachsenden Weltbevölkerung geradezu lebenswichtig.
Über CLAAS
Das 1913 gegründete Familienunternehmen CLAAS (www.claas.com) ist einer der weltweit führenden Hersteller von Landtechnik. Das Unternehmen mit Hauptsitz im westfälischen Harsewinkel ist europäischer Marktführer bei Mähdreschern. Die Weltmarktführerschaft besitzt CLAAS mit einer weiteren großen Produktgruppe, den selbstfahrenden Feldhäckslern. Auf Spitzenplätzen in weltweiter Agrartechnik liegt CLAAS auch mit Traktoren sowie mit landwirtschaftlichen Pressen und Grünland-Erntemaschinen. Zur Produktpalette gehört ebenfalls modernste landwirtschaftliche Informationstechnologie. CLAAS beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter weltweit und hat im Geschäftsjahr 2012 mit 3,4 Milliarden Euro einen Rekordumsatz erzielt.