Berlin (dapd). Aufmunternde Worte für eine bedrohte Zeitung: Die vor dem Aus stehende „Financial Times Deutschland“ (FTD) erhält viel Zuspruch aus der Medienbranche. Der ehemalige Chefredakteur der „FTD“, Christoph Keese, sprach von einem großen Verlust für die deutsche Presselandschaft. „Es waren zwölf anregende Jahre mit der deutschen ‚Financial Times‘. Sie wird dem Land fehlen“, schrieb Keese am Donnerstag in einem Gastbeitrag für die Online-Ausgabe des „Handelsblatts“. Die „FTD“ habe als erste „einen gewissen Humor und eine Menge Sprachwitz in den deutschen Wirtschaftsjournalismus“ eingeführt. Sie sei „vorlauter, angriffslustiger und meinungsfreudiger als andere“ gewesen. Keese war Mitgründer der „FTD“. Im Herbst 2001 übernahm er gemeinsam mit Wolfgang Münchau die Chefredaktion, von September 2003 bis August 2004 leitete er das Blatt alleine. Inzwischen arbeitet er als Konzerngeschäftsführer Public Affairs und Leiter der Finanzkommunikation für den Verlag Axel Springer. Auch Münchau kommentierte in seiner „Spiegel Online“-Kolumne das Schicksal seiner Ex-Kollegen. Die „FTD“ habe bis zuletzt ihre journalistisch hohen Ansprüche erfüllt. „Sie brachte einen neuen Stil in eine allzu angepasste Presselandschaft von Wirtschaftsjournalisten, denen es oft an kritischer Distanz fehlte“, schrieb Münchau. „Die deutsche Medienlandschaft ist ohne die ‚FTD‘ deutlich ärmer.“ „Handelsblatt“-Chefredakteur lobt Konkurrenz Der Chefredakteur von „Süddeutsche.de“, Stefan Plöchinger, postete auf Twitter den Kommentar „Hier fehlt was“ auf lachsfarbenem Hintergrund – in Anspielung auf die charakteristische Papierfarbe der „FTD“. Auch „Handelsblatt“-Chefredakteur Gabor Steingart zollte der Konkurrenz Respekt: „In einem Meer roter Zahlen geht auch die tapferste Redaktion der Welt baden – und in Hamburg ist man tapfer, ideenreich und fleißig bis zum heutigen Tage.“ Die Lage der Zeitungsbranche sei dramatisch. Dafür seien aber nicht nur rückläufige Anzeigenerlöse verantwortlich. „Weltweit haben die Verleger die Kraft des Internets unterschätzt“, schrieb Steingart. Den Entschluss, „die Waren Information und Analyse im Internet gratis feilzubieten“, bezeichnete er als einen „Jahrhundertirrtum“. Dennoch sei die Situation nicht aussichtslos: „Die Zeitung ist in Schwierigkeiten, aber sie ist nicht tot, sie ist auch nicht totzukriegen.“ Im August hatte Steingart für Aufsehen gesorgt, als er „FTD“-Lesern ein kostenloses 100-Tage-Abo des „Handelsblatts“ anbot. Jäkel räumt Versäumnisse ein Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, bezeichnete die „Financial Times Deutschland“ in einem Kommentar für die „Welt“ als „eines der spannendsten Zeitungsprojekte der letzten zehn Jahre“. Die mögliche Einstellung der „FTD“ und der Insolvenzantrag der „Frankfurter Rundschau“ seien aber kein Beleg für die These vom Zeitungssterben. Das Internet biete neue Möglichkeiten. Digitale Zeitungen bräuchten aber ebenso wie gedruckten Ausgaben ein Bezahlmodell. „Unabhängig recherchierter Journalismus hat seinen Preis und seinen Wert“, schrieb Döpfner. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ befragte in ihrer aktuellen Ausgabe zahlreiche Medienmanager zur Zeitungskrise. G + J-Vorstandsmitglied Julia Jäkel äußerte sich zwar nicht direkt zur „FTD“, räumte aber Versäumnisse ein: „Manchmal haben wir uns verhalten wie ängstliche Manager.“ Der Verlag sei „zu zaghaft an die durch das Internet ausgelösten Veränderungen herangegangen, wir haben aber gleichzeitig durch die ewige Diskussion über strukturelle Veränderungen unserer Hefte aus den Augen verloren“. „FTD“-Chefredakteur Steffen Klusmann sagte der Zeitung: „Wir haben nicht radikal genug gedacht und den Qualitätsjournalismus zu sehr in seiner heutigen Form verteidigt“. Er forderte mehr Beweglichkeit „in den Köpfen und bei der technischen Umsetzung“. Der Verlag Gruner + Jahr will die „FTD“ aufgrund der schlechten Ertragslage offenbar einstellen. Die Zeitschriften „Impulse“ und „Börse Online“ sollen verkauft werden. 320 der insgesamt 350 Arbeitsplätze in den „G+J Wirtschaftsmedien“ würden dann wegfallen. Ein entsprechender Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wurde am Donnerstag in Hamburger Verlagskreisen bestätigt. Die „FTD“ soll demnach am 7. Dezember letztmalig erscheinen. (Link zum „Handelsblatt“-Artikel: http://url.dapd.de/GPgsM2 Link zur Münchau-Kolumne http://url.dapd.de/LOhHNy Pllöchinger-Tweet http://url.dapd.de/PXRlc2 ) dapd (Vermischtes/Wirtschaft)
Viel Zuspruch für bedrohte FTD
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen