Unternehmensinsolvenzen in Europa, Jahr 2016/17

Im Jahr 2016 sind in Westeuropa (EU-15-Länder sowie Norwegen und Schweiz) 169.455 Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Im Vergleich zum Vorjahr (2015: 175.154) waren das rund 5.700 Unternehmen bzw. 3,3 Prozent weniger. Das dritte Jahr in Folge sank die Zahl der Firmeninsolvenzen, die somit den niedrigsten Stand seit 2008 erreichten.

Grund hierfür: In vielen europäischen Ländern hatte die konjunkturelle Erholung zuletzt Fahrt aufgenommen. Bislang jedenfalls waren größere Bremswirkungen aufgrund der politischen Ungewissheiten wie dem Brexit oder dem Außenhandelskurs der neuen US-Regierung noch nicht erkennbar.

Lediglich in sechs der betrachteten 17 Länder Westeuropas stiegen die Insolvenzen. Ein starkes Plus von 65,6 Prozent verzeichnete Dänemark (insgesamt 6.674 Fälle). Dabei wurde allerdings ein Rückstau aufgelöst, der sich in den Vorjahren aufgrund technischer Probleme bei den Behörden angesammelt hatte. Auch in Großbritannien (plus 12,2 Prozent; 17.927 Fälle) und in Luxemburg (plus 12,6 Prozent; 983 Fälle) nahm die Zahl der Insolvenzen spürbar zu. Von geringerem Ausmaß war der Zuwachs in der Schweiz (plus 6,7 Prozent; 6.504 Fälle), in Österreich (plus 2,1 Prozent; 5.534 Fälle) sowie in Norwegen (plus 1,8 Prozent; 4.544 Fälle).

Deutliche Rückgänge bei den Insolvenzen gab es dagegen in Spanien (minus 20,0 Prozent; 4.080 Fälle), gefolgt von den Niederlanden (minus 16,5 Prozent; 4.399 Fälle) und Frankreich (minus 8,4 Prozent; 56.288 Fälle). In Griechenland, wo Insolvenzverfahren in der Praxis nur selten zur Anwendung kommen (2016: 108 Fälle), verringerten sich die Fallzahlen um 42,9 Prozent.

Bausektor gut erholt, Dienstleister bleiben anfällig

Im Dienstleistungssektor blieb die Zahl der Insolvenzen 2016 nahezu auf Vorjahresniveau (64.610 Fälle; 2015: 64.625 Fälle). Der Anteil des Sektors am gesamten Insolvenzgeschehen in Westeuropa stieg auf 38,4 Prozent. Deutlich gesunken (minus 7,2 Prozent) sind die Insolvenzen dagegen im Baugewerbe (2016: 33.052 Fälle; 2015: 35.604 Fälle), gefolgt vom Verarbeitenden Gewerbe (minus 6,4 Prozent) und dem Handel inkl. Gastgewerbe (minus 5,1 Prozent). Die Entspannung des Insolvenzgeschehens im Bau wird auch dadurch deutlich, dass dieser Sektor noch 19,6 Prozent aller Insolvenzen ausmacht, nachdem dieser Anteil 2010 noch bei 21,0 Prozent lag. Von 30,6 auf 32,0 Prozent gestiegen ist in diesem Zeitraum dagegen der Anteil des Handels.

Osteuropa: Kroatien zieht Insolvenzen nach oben

Auch in den meisten mittel- und osteuropäischen Staaten verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen. Insgesamt war allerdings ein Anstieg der Insolvenzfälle um 5,8 Prozent von 93.298 auf 98.668 Unternehmen zu verzeichnen. Noch im Vorjahr gab es einen merklichen Rückgang um 8,3 Prozent. Vor allem zwei Länder ziehen die Insolvenzstatistik nach oben: Voran steht Kroatien, das nach Einführung eines neuen Insolvenzrechts im Jahr 2015 abermals ein deutliches Plus verzeichnete (plus 58,1 Prozent). Auch in Litauen (plus 27,2 Prozent) stiegen die Insolvenzen spürbar. Ein leichtes Plus gab es in Slowenien und Serbien. Deutlich zweistellige prozentuale Rückgänge meldeten hingegen Polen (minus 22,5 Prozent), Rumänien (minus 21,6 Prozent), Bulgarien (minus 19,6 Prozent) und Tschechien (minus 18,8 Prozent).

Anteilmäßig die meisten Insolvenzen gab es im Dienstleistungsgewerbe (40,7 Prozent aller Fälle), gefolgt vom Handel inkl. Gastgewerbe (36,2 Prozent). Ein Achtel der registrierten Insolvenzen in entfallen auf das Baugewerbe (12,2 Prozent). Im Vergleich zu Westeuropa ist der Anteil des Baugewerbes in Osteuropa geringer, der des Handels höher.

Anstieg in den USA, Russland sorgt für Rückgang

In Russland haben offenbar Erleichterungen im Insolvenzrecht dazu beigetragen, dass die Insolvenzzahlen sanken (minus 14,5 Prozent; insgesamt 12.500 Fälle). Wirtschaftlich stagnierte das Land. Mehr Unternehmensinsolvenzen wurden aus den USA gemeldet. Mit fast 38.000 Fällen wurde der Vorjahreswert um 27,1 Prozent deutlich überschritten. Die Nachwirkungen der schweren Rezession in der Ukraine ließen die Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2016 um 45,0 Prozent ansteigen (19.853 Fälle). In der Türkei konnte ein Wirtschaftseinbruch und damit die negativen Folgen für das Insolvenzgeschehen vermieden werden. Es gab einen Rückgang um 19,4 Prozent auf insgesamt 11.038 Fälle.

Höhere Gewinne und günstige Kredite

Die verbesserte Unternehmensstabilität in Westeuropa bestätigt sich beim Blick auf die aktuellen Jahresabschlüsse. Darin wird deutlich, dass die Gewinnmargen (EBIT) weiter gestiegen sind. So weisen mittlerweile 15,5 Prozent der Unternehmen Westeuropas, deren Bilanzen veröffentlicht sind (Vorjahr: 14,7 Prozent), eine hohe Gewinnspanne von mehr als 25 Prozent auf. Spürbar ge- sunken ist der Anteil der Unternehmen, die eine negative Gewinnmarge aufwiesen; von 25,3 auf 23,5 Prozent. Gegenüber 2012 hat sich dieser Anteil um 4,4 Prozentpunkte verringert.

Aufgrund der günstigen Kreditkonditionen hat die Erholung beim Eigenkapital eine Pause eingelegt. Wie im Jahr zuvor weist knapp jedes vierte Unternehmen (2015: 24,2 Prozent; 2014: 24,3 Prozent) eine sehr niedrige Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent auf. Günstiger entwickelte sich die Eigenkapitalsituation aber im Baugewerbe. Jedes dritte Unternehmen (33,6 Prozent) verfügt mittlerweile über eine Eigenkapitalquote von über 50 Prozent.

www.creditreform.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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