Gütersloh (dapd). Die vergangenen zehn Jahre waren ein verlorenes Jahrzehnt für Europas größten Medienkonzern Bertelsmann – geprägt von Umsatz- und Gewinnrückgängen. Doch nun wollen die Gründerfamilie Mohn und der neue Bertelsmann-Chef Thomas Rabe das Steuer herumreißen und den Medienriesen aus der westfälischen Provinz im Eiltempo wieder auf Wachstumskurs bringen. Das geht nicht ohne Turbulenzen.
„Bertelsmann befindet sich aktuell am Beginn eines langfristigen Konzernumbaus“, betonte Christoph Mohn, der Sohn des verstorbenen Firmenpatriarchen Reinhard Mohn, am Donnerstag. Der 47-Jährige wird dabei selber eine Schlüsselrolle spielen. Denn er wird zum Jahreswechsel den Bertelsmann-Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Doch ist der Wechsel im Kontrollgremium nur eine von vielen Veränderungen bei Bertelsmann. Seit seinem Amtsantritt vor knapp neun Monaten fegt der neue Vorstandschef Rabe wie ein Wirbelwind durch den Konzern und bringt frischen Wind in das erstarrte Unternehmen. Er holte neue Gesichter in den Vorstand, sorgte für mehr Frauen in der Führungsspitze, startete endlich die lange angekündigte Expansion in den Bildungsbereich und eröffnete neue Dependancen in Brasilien sowie Indien. Ja, er fand sogar einen Weg, dem nicht gerade kapitalstarken Konzern durch einen Wandel der Rechtsform neue Finanzquellen zu eröffnen. Die jüngst erfolgte Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien erlaubt Bertelsmann die Aufnahme von Investoren oder sogar einen Börsengang, ohne die Macht der Gründerfamilie Mohn und der Bertelsmann-Stiftung zu beschneiden. Damit könnte sich der Konzern jetzt wohl auch wieder an größere Übernahmen wagen. Der frische Wind bei Bertelsmann war allerdings auch dringend nötig. Denn in den vergangenen Jahren fuhr der Konzern im Rückwärtsgang. Die Umsätze schrumpften, und mit ihnen die Gewinne. Im Internet-Geschäft hinkt der Konzern inzwischen abgeschlagen hinter Konkurrenten wie dem Axel-Springer-Verlag her. In den nächsten fünf bis zehn Jahren will Rabe den Gütersloher Konzern deshalb völlig umbauen. Bertelsmann soll internationaler werden und in mehr Geschäftsfeldern aktiv sein. Während der Konzern heute noch rund 80 Prozent seiner Umsätze im wachstumsschwachen Europa macht, soll künftig ein Großteil der Investitionen in Wachstumsmärkte wie China, Indien und Brasilien fließen. Die Zeit drängt. Denn traditionelle Gewinnbringer des Konzerns wie die Druckereien, die CD- und DVD-Werke oder die Buchclubs haben sich in den vergangenen Jahren zu Sorgenkindern entwickelt. Die Zeitschriftensparte Gruner + Jahr schwächelt. Und auch die florierende TV-Sparte mit der Senderkette RTL und das Buchgeschäft stehen vor großen Herausforderungen durch die Digitalisierung. Ein Opfer des neuen Stils ist wohl auch der Chef des Hamburger Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr, Bernd Buchholz. Der 50-jährige Manager warf in dieser Woche mit großem Knall sein Amt als Bertelsmann-Vorstand hin. Nach Medienberichten reagierte er damit auf steigenden Druck der Muttergesellschaft, die höhere Rendite fordere. Doch allzu viel Rücksicht will sich Rabe wohl nicht erlauben. „Gefühle sollten nicht den Blick verstellen auf wirtschaftliche Notwendigkeiten“, sagte Rabe bereits kurz nach seinem Amtsantritt.