Gütersloh. Mit 71,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 erneut auf historisch niedrigem Niveau. Nach 2009 (70,8 Prozent) ist das die zweitschlechteste Wahlbeteiligung seit Gründung der Bundesrepublik. Die erhoffte Trendumkehr bei der Wahlbeteiligung wurde verfehlt. „Wir dürfen nicht akzeptieren, dass sich in Deutschland eine große Gruppe dauerhafter Nichtwähler etabliert. Dieser Mangel an Teilhabe schadet unserer Demokratie“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Niedrige Wahlbeteiligung, die Fünf-Prozent-Hürde und der Anteil nichtwahlberechtigter Ausländer führen dazu, dass die im Deutschen Bundestag gewählten Abgeordneten lediglich 53,6 Prozent aller Einwohner Deutschlands im wahlfähigen Alter repräsentieren bzw. nur 59,5 Prozent aller Wahlberechtigten. Ähnliche Legitimitätsprobleme zeigen sich auch bundesweit in vielen Direktwahlergebnissen. So reichten im Wahlkreis Berlin-Mitte, dem Sitz des Bundestages, am vergangenen Wahlsonntag die Erststimmen von lediglich 13,4 Prozent aller Bürger im wahlfähigen Alter aus, um das Direktmandat für den Bundestag zu gewinnen.
„Aus der drastisch schrumpfenden Repräsentanz ergeben sich aus Sicht vieler Wähler ernsthafte Legitimitätsverluste des Parlaments“, erläuterte Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung. Gestützt wird diese Einschätzung durch Ergebnisse einer Blitzumfrage zur Bundestagswahl des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Knapp ein Drittel aller Wahlberechtigten schätzen Wahlergebnisse mit geringer Wahlbeteiligung als „undemokratischer“ ein. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der Wähler finden, dass die demokratische Legitimation einer gewählten Regierung unabhängig von der Höhe der Wahlbeteiligung ist.
Eine gesetzliche Wahlpflicht einzuführen, lehnen aber nahezu vier Fünftel (79 Prozent) aller Wähler ab. Stattdessen sehen viele Deutsche die Parteien in der Pflicht, wieder für eine stärkere Wahlbeteiligung zu sorgen. Gut die Hälfte der Befragten will die Wahlkampfkostenerstattung für die Parteien von der Höhe der Wahlbeteiligung abhängig machen.
„Wir brauchen eine breitere gesellschaftliche Beteiligung nicht nur bei Bürger- oder Volksentscheiden, sondern auch bei Parlamentswahlen. Dazu müssen Veränderungen beim Wahlrecht, Parteien und Parlament gleichermaßen beitragen“, betonte Jörg Dräger. Die Erfahrungen aus Ländern mit überdurchschnittlich großer Wahlbeteiligung – wie beispielsweise Schweden und Dänemark – zeigen, dass eine aktive Demokratie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, denn ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt, eine hohe soziale Homogenität und ein inklusives Bildungs- und Sozialsystem nützen auch der Demokratie.