Gütersloh. Miele, der renommierte Hersteller von Premium-Hausgeräten, benötigte ein automatisiertes Verfahren zur Risikoeinstufung seiner sehr großen Anzahl von Debitoren. Zu Beginn diskutierten Management, Vertrieb und Rechnungswesen über das Wie und Was eines neuen, komplett softwaregestützten Kreditmanagements. Viele Fragen galt es zu klären, beispielsweise das Vorgehen bei Bonitätsveränderungen und welche Risikoklassen gelten.
In diesem Zusammenhang spielten auch allgemeine Überlegungen eine Rolle. Was ist überhaupt ein guter, was ein schlechter Kunde? Wie geht man mit säumigen Zahlern um? Dazu Robert Grote, Leiter Kreditmanagement: „Jeder Kunde bekommt die Chance eines persönlichen Gesprächs, wir kürzen nicht so ohne weiteres das Limit. Das verstehen wir unter fairer Kooperation, denn wir sehen den Debitor als Partner und nicht als anonymen Käufer.“ Grote spricht in diesem Zusammenhang von einem „sehr guten Zusammenspiel“ zwischen seiner Abteilung und dem Vertrieb. „Wir versuchen immer, dem Primat des Umsatzes Folge zu leisten, eine dramatische Bonitätsverschlechterung führt nicht automatisch zu einem Lieferstopp.“ Lieber fordere man zusätzliche Sicherheiten wie Bürgschaften oder Akkreditive an, bevor man zum letzten Mittel greife, so der Kreditmanager.
Der rege Austausch zwischen allen Beteiligten ist bezeichnend für die Kreditpolitik bei Miele: Nicht als Interessenskonflikt, sondern als konstruktives Miteinander sieht man die Entscheidungsfindung. Einen Automatismus gibt es bei der Kreditlimitvergabe nicht: Jeder Vorgang ist eine Einzelfallentscheidung, die Maßnahmen werden immer mit dem Vertrieb gemeinsam getroffen.
Neue Software wurde schnell akzeptiert
Dabei diskutieren er und seine Kollegen nie ins Blaue hinein, sondern argumentieren mit konkreten Fakten. Das hat auch mit der höheren Datenqualität im Debitorenmanagement zu tun, die mit den Softwarelösungen CREFOsprint und KVsprint erzielt wurde (siehe Infokästen 1 und 2). Seit 2008 sind die beiden SAP Add-Ons (Zusatzmodule) bei Miele aktiv. Bewusst hat man sich für diesen Softwarestandard entschieden, denn der Hausgeräteproduzent setzt in den betriebswirtschaftlichen Kernbereichen seit Jahren eine SAP-Lösung ein. Ralf Lewe, ORG-Koordinator und Projektverantwortlicher: „Wir wollten ein Kreditmanagement, das in SAP integriert ist, um damit die bisherige dezentrale Datenhaltung endlich abzulösen.“ In der Vergangenheit arbeiteten die Kreditsachbearbeiter mit einer Access-Lösung, in der auch Bonitätsauskünfte hinterlegt waren. Der Nachteil: beispielsweise ein hoher administrativer Aufwand durch fehlende Schnittstellen zu SAP. Insgesamt waren die Reaktionszeiten bei Bonitätsveränderungen zu lang. Außerdem: Manche Auskünfte lagen nur in Papierform vor.
Ziel war es daher, eine zentrale Datenplattform zu installieren als Grundlage für schnelle und zuverlässige Kreditentscheidungen. Laut Lewe bieten die beiden cormeta-Module die dafür passende Technologie. „Wir haben uns in CREFOsprint und KVsprint hundertprozentig wiedergefunden. Die Lösungen decken nahezu alle unserer Anforderungen ab, so dass der Anpassungsaufwand sehr gering war.“ An der neuen Software gefällt den Mitarbeitern die intuitive Menüführung. Völlig umstellen mussten sie sich nicht, sie brachten ja SAP-Erfahrungen mit. „Man kennt die Felder, man weiß auf Anhieb, wo man was eingeben muss. Wer einmal mit SAP gearbeitet hat, findet sich auch mit den Add-Ons schnell zurecht“, bringt Grote die Reaktionen der Mitarbeiter auf den Punkt. Lewe ergänzt: „Die Einführung verlief sehr unkompliziert; nicht nur, weil uns die SAP-Sprache vertraut war, sondern auch, weil wir von den cormeta-Beratern sehr gut unterstützt wurden.“ Auch nach dem Produktivstart, als etliche neue Service-Packages eingespielt werden mussten, sei der Support professionell gewesen, erklärt der IT-Manager.
Feste Limits gibt es nicht
Mit CREFOsprint besitzt Miele ein Frühwarnsystem, das schleichende Veränderungen im Zahlungs- und Umsatzverhalten rechtzeitig erkennt. Das System registriert jede Veränderung (neue Faktura, Mahnung, Zahlungseingang, geänderte Wirtschaftsauskunft) auf einem Kundenkonto. Ändern sich dadurch die Risikoklasse und damit der Kreditrahmen, schlägt die Software entsprechende Maßnahmen vor – beispielsweise Limiterhöhung/-reduzierung oder Anfordern von zusätzlichen Sicherheiten. Der Kreditsachbearbeiter bekommt den Vorgang in seinem Arbeitsvorrat angezeigt.
Grundsätzlich werden alle Kunden in sechs Risikoklassen eingestuft, feste Limits gibt es nicht. Vielmehr richtet sich die Höhe nach dem zu erwartenden Umsatz, der Summe der Außenstände, der Kontobewegung und der Höhe der dazugehörigen WKV. Auch Negativmerkmale wie Rücklastschriften und WKV-Kündigungen beeinflussen den Kreditrahmen. Ebenso der Fakt, ob jemand mit Skonto bezahlt oder nicht. Neukunden bekommen zunächst ein Standardlimit, ihre Risikoeinstufung richtet sich nach den Auskünften der Creditreform.
Beobachtungen vor Ort
Das wichtigste Kriterium für die Bonitätsbeurteilung sind die eigenen Zahlungserfahrungen. Hinzu kommen externe Informationen. Das sind in erster Linie Auskünfte von Wirtschaftsauskunfteien, aber auch veröffentlichungspflichtige Bilanzen mit wichtigen Kennzahlen wie Umsatzrentabilität und Eigenkapitalquote. Anhand aller Daten ermittelt das System einen Scorewert, der die Risikoklasse bestimmt. Miele hat in diesem Zusammenhang mehrere Scorekarten angelegt, die sich bezüglich der Gewichtung der Informationen voneinander unterscheiden: für den Elektrofachhandel, den Küchenfachhandel, für Großflächenanbieter und andere.
Postenbezogene WKV-Darstellung möglich
„Die Qualität unseres Kreditmanagements hat sich wesentlich erhöht“, nennt Robert Grote den Hauptnutzen der IT-Umstellung. Besonders der Umstand, alle für die Kreditentscheidung notwendigen Daten in einer Bildschirmmaske zur Verfügung zu haben, sei ein großes Plus des neuen Systems. Jede Änderung im Zahlungsverhalten oder neue externe Wirtschaftsauskünfte werden sofort im Arbeitsvorrat des zuständigen Sachbearbeiters angezeigt. Dank dieser Cockpit-Eigenschaft lässt sich die Entwicklung im Zahlungsverhalten und in der Limitbewilligung über jeden beliebigen Zeitraum lückenlos nachvollziehen.
Mehr noch: Auch die Verwaltung der Warenkreditversicherung, für die Miele speziell das Tool KVsprint einsetzt, ist einfacher geworden. Früher mussten Grote und seine Mitarbeiter die Monatssalden aus verschiedenen Anwendungen zusammentragen und noch einmal in Access erfassen. Heute sind Überwachung, Datenerhebung und Meldung an den Versicherer automatisiert. Droht beispielsweise eine Zahlungszielüberschreitung, erscheint vor Ablauf der Frist eine Meldung im Kreditmanagement. Auch bei der Kontrolle der Limits spielt das neue System seine Stärken aus. Wird der Rahmen überschritten, erfolgt ein Hinweis. Umgekehrt fließen deren Entscheidungen in das WKV-Modul und damit in das ERP-System. Somit stehen die Informationen auch dem Vertrieb und der Buchhaltung zur Verfügung. Der Debitorensachbearbeiter und der Außendienstmitarbeiter sehen also schon in der Geschäftspartnerübersicht und dem Kontoauszug, ob und in welcher Höhe der Kunde versichert ist, ob und wann eine Fristenüberschreitung oder eine Kreditzielüberschreitung gemeldet wurde. Früher musste immer erst die entsprechende Akte herausgesucht oder in ein anderes Programm gewechselt werden.
Ziel erreicht: Geringeres Risiko von Forderungsausfällen
Das Kreditmanagement bei Miele schätzt vor allem die detaillierte Darstellung der WKV-Daten. Welche Posten/Rechnungen sind versichert und in welcher Höhe? Wo gibt es eine Unter- und wo eine Überversicherung? Diese postenbezogene Auflistung der WKV war früher nicht möglich. Im System wurde lediglich hinterlegt, ob der Debitor versichert war oder nicht. Aber man konnte es nicht in den Einzelposten nachweisen. Die zentrale Datendrehscheibe, von der Robert Grote und seine Mitarbeiter sprechen, sorgt auch hier für mehr Transparenz und Effizienz.
So hat sich letzten Endes ausgezahlt, dass man sich für die Neustrukturierung des Kreditmanagements Zeit gelassen hat – auch wenn das eigentliche Projekt nicht mehr als zwölf Monate gedauert hat. Das Ziel hat Miele erreicht: durch die Optimierung von bestehenden Methoden, Verfahren und Instrumenten für Kreditvergabe und -überwachung die gegenwärtigen und künftigen Risiken im Kundenportfolio besser zu identifizieren und aktiv zu steuern. Grote möchte zwar keine konkreten Zahlen nennen – aber die Gefahr von Forderungsausfällen ist seitdem gesunken.
Von seinen Erfahrungen berichtet er regelmäßig auf dem Roundtable Credit Management, einer von cormeta initiierten branchenübergreifenden Veranstaltungsreihe. Hier diskutieren Kreditmanager namhafter Unternehmen – neben Miele unter anderem Bitburger, Bischof & Klein, Böhler-Uddeholm Bridgestone, Klöckner, Koehler Paper Group, Schüco, Rational – verschiedene Möglichkeiten zum besseren Schutz vor Forderungsausfällen. Grote schätzt an den regelmäßigen Workshops vor allem den Wissenstransfer. „Man lernt andere Vorgehensweisen im Kreditmanagement kennen, jeder profitiert von den Erfahrungen der anderen.“ Inzwischen erfreut sich der Roundtable so großer Beliebtheit, dass daraus eine zweimal jährlich (Frühjahr und Herbst) stattfindende Reihe entstanden ist.