Berlin/Schönefeld (dapd). Nach der Aufsehen erregenden Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft geht der Streit über die Folgen der verschobenen Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens weiter. Vor allem aus den Reihen der Opposition in Berlin und Brandenburg hagelte es am Wochenende heftige Kritik. Für Empörung sorgen dabei unter anderem die bekannt gewordene Kostensteigerung von 1,2 Milliarden Euro und die Aufweichung des Lärmschutzes. Der Berliner Pirat Martin Delius forderte am Sonntag weitere Aufklärung und stellte dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) indirekt ein Ultimatum. Die Landesregierung indes wies die Kritik an der Kostenexplosion zurück. Bei seiner Sitzung am Freitag hatte der Aufsichtsrat die zu erwartenden Mehrkosten beziffert und eine erneute Prüfung des geplanten Eröffnungstermins am 17. März 2013 beschlossen. Demnach wird der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg um rund 1,2 Milliarden Euro teurer als ursprünglich geplant. Wowereit sagte am Samstag mit Blick auf die Mehrkosten, dass der Steuerzahler nicht „in Gänze“ dafür aufkommen solle. Zuvorderst sei die Flughafengesellschaft aufgefordert, selber einen Beitrag zu leisten. Bis August soll außerdem geprüft werden, ob der Flughafen tatsächlich im März 2013 eröffnet werden kann. Wegen der Probleme beim Brandschutz und Mängeln in der Bauplanung war die ursprünglich für den 3. Juni 2012 geplante Eröffnung bereits im Mai um neun Monate verschoben worden. Angesichts der erneut drohenden Verzögerungen verlieren die Berliner Piraten allmählich die Geduld. Mit Blick auf die angekündigte Überprüfung des Termins forderte Martin Delius von Wowereit eine deutliche Ansage. „Er muss nun endlich klare Aussagen treffen, denn er ist schon jetzt über seine Zeit hinaus“, sagte der Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Die Entscheidung im August über den neuen Eröffnungstermin werde gleichzeitig zum „Schicksalstag“ für den Regierungschef. Man werde Wowereit an seiner nächsten Entscheidung messen, versicherte der Pirat. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Linken, Harald Wolf, forderte indes Klarheit in Bezug auf den Zeitpunkt der Eröffnung. Durch die erneute Infragestellung des Termins werde deutlich, „dass die Verantwortlichen komplett den Überblick verloren haben“, sagte er. Er erwarte, dass der neue Technik-Geschäftsführer Horst Amann im August verbindliche Aussagen treffe. Amann, bisher Chefplaner des Frankfurter Flughafens, war bei der Sitzung zum neuen Technik-Geschäftsführer ernannt worden. Laut verschiedenen Medienberichten sollen wegen des Brandschutzes nun am nicht fertigen Terminal noch umfangreiche Umbaumaßnahmen notwendig sein. So seien die bisherigen Kabeltrassen nicht ausreichend konstruiert und müssten durch neue Schächte erweitert werden. Dafür müssten bereits eingesetzte Zwischendecken herausgerissen und tiefer gehängt werden. Flughafensprecher Ralf Kunkel wollte die Berichte nicht bestätigen und bezeichnete sie als „reichlich übertrieben“. Zwar müsse es ein „paar Umbauarbeiten“ geben. Er warne aber zugleich vor allzu großer „Panikmache“, sagte er auf dapd-Anfrage. Ungeachtet dessen sehen die Grünen aber die Glaubwürdigkeit des Aufsichtsrates weiterhin massiv beschädigt. „Es wirkt jetzt noch deutlich unglaubwürdiger, dass vor zwei Monaten behauptet wurde, der Flughafen könne in einem Monat eröffnet werden“, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher, Stefan Gelbhaar, auf dapd-Anfrage. Der geplante Untersuchungsausschuss müsse nun klären, wer für das Missmanagement verantwortlich sei. Brandenburgs Politiker fürchten vor allem eine Aufweichung der Lärmschutzmaßnahmen für den neuen Hauptstadtflughafen. Die Aufsichtsratsmitglieder hatten am Freitag ebenfalls beschlossen, das aktuelle Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin Brandenburg (OVG) zum Schallschutz zu überprüfen. Das Gericht hatte Mitte Juni entschieden, dass der Lärmschutz entsprechend den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses ausgeweitet werden muss. Aus Sicht der brandenburgischen Grünen ist ein Vorgehen gegen diese Entscheidung „inakzeptabel“. Das Urteil des OVG müsse „Eins zu Eins“ umgesetzt werden, auch wenn dies zu Mehrausgaben von bis zu 500 Millionen Euro führen könne, sagte Fraktionschef Axel Vogel. Die Unionsfraktion im Brandenburgischen Landtag stört sich zudem an der unklaren Rolle von Matthias Platzeck (SPD) in der Aufsichtsratssitzung. CDU-Finanzexperte Rainer Genilke warf dem Ministerpräsidenten am Sonntag vor, die Interessen der Brandenburger juristisch zu „bekämpfen“. Die Landesregierung sei bereits seit Mai 2011 über falsche Lärmschutzmaßnahmen beim Bau des Flughafens informiert gewesen, betonte er. „Platzeck und Co haben seitdem vorsätzlich weggeschaut und geben nun den Einsamen Kämpfer gegen Bund und dem Land Berlin.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Piraten sehen nach Flughafendesaster Wowereits Schicksalstag nahen
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Peer-Michael Preß
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