Dortmund. Als weitgehend unzureichend kritisiert der Club of Logistisc e.V. (Dortmund) die in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD skizzierten Pläne für den Ausbau der logistischen Infrastruktur in Deutschland. Die verkehrspolitische Rahmenbedingungen, so Clubgeschäftsführer Peter H. Voß, zeugten insgesamt von nicht ausreichender Sachkenntnis und stünden zudem mehrheitlich unter Finanzierungsvorbehalt.
Auch die Entscheidung, den 43-jährigen CSU-Politiker Alexander Dobrindt zum Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur zu ernennen, stößt beim Club of Logistics auf Unverständnis. „Der Ex-Generalsekretär der CSU ist uns nicht als Kenner der Materie bekannt“, so Voß. Der gelernte Soziologe Dobrindt verfüge zwar über einen kaufmännischen Hintergrund. Ob diese Qualifikationen ausreichend seien, um sich schnell in die komplexe Materie der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik einzuarbeiten, bleibe vorerst offen.
Begrüßt wird vom Club of Logistics die Absicht der großen Koalition, die Bundesmittel für die Verkehrsinfrastruktur substanziell zu erhöhen, beginnend mit einer einmaligen Investition in Höhe von fünf Milliarden Euro. „Wir sind jetzt gespannt, was das konkret bedeutet“, so Peter H. Voß.
Wer die Finanzierung tragen wird, steht jetzt schon fest: der Straßenverkehr. „Die Ausweitung der LKW-Maut auf Landstraßen ist wirtschaftlich eher kontraproduktiv, weil er die Transportkosten und damit die Produktpreise erneut in die Höhe treiben wird. Nichts Gutes ahnen lassen auch vage Formulierungen wie: ‚Die LKW-Maut wird … weiter entwickelt.’ Die Einführung einer PKW-Maut für ausländische Fahrzeughalter steht auf unsicherem juristischen Boden. Erneut zeigt sich, mit wie wenig Kreativität die Politik auf die Herausforderungen der Logistikwirtschaft und der Verkehrsinfrastruktur reagiert.“
Als rhetorischen Dauerbrenner ohne Folgewirkung bezeichnet der Club of Logistics das Konzept „Straße des 21. Jahrhunderts“. Hier werde Modernität und Zukunftsorientierung signalisiert – leider jedoch mit seit Jahrzehnten bekannten und längst tot geredeten Argumenten aus der Technologiemottenkiste. „Telematik, moderne Informations- und Kommunikationssysteme: Mehr als altbekannte Schlagworte gibt die Koalitionsvereinbarung leider nicht her“, kritisiert Voß.
Auch die üblichen Lippenbekenntnisse zum Ausbau des Verkehrsträgers Schiene fehlen nicht in der Koalitionsvereinbarung. „Das Problem daran: Private Bahnen finden gerade einmal in einem einzigen Satz Erwähung. Ansonsten ist Schiene immer noch gleichgesetzt mit den Interessen der staatseigenen Deutschen Bahn, was nichts Gutes hoffen lässt“, so Voß.
Der Abschnitt „Güterverkehr und Logistik“ nimmt in der Koalitionsvereinbarung noch nicht einmal die Hälfte des Raumes ein, der dem Lärmschutz gewidmet ist. „Das verwundert uns sehr. Bei allem Respekt vor den Interessen der Bevölkerung: Sichere Arbeitsplätze und wertschöpfendes Wachstum schaffen nicht die Lärmschutzwände, sondern der sich zwischen ihnen abspielende Verkehr“, so Peter H. Voß. Ein Widerspruch sei zudem enthalten in der geplanten weiteren Lockerung der Kabotageregelungen auf der einen und das Vorgehen gegen Lohndumping auf der anderen Seite.
Das Fazit des Club of Logistics: „Diese Koalitionsvereinbarung wird in weiten Teilen der Realität der Logistikindustrie nicht gerecht. Die deutsche Politik hat eneut wenig Sachverstand in der Ausformulierung zukunftsweisender Verkehrs- und Infrastrukturlösungen gezeigt. Bürokratische Regelungswut und Mutlosigkeit sind wahrscheinlich die wesentlichen Koordinaten der Verkehrspolitik in den nächsten Jahren. Aber das ist in Deutschland ja nichts Neues.“
Die magere Koalitionsvereinbarung macht laut Peter Voß ein jahrelanges tieferes Problem deutlich: „Wir haben nicht nur in der Politik, sondern gesellschaftsweit immer noch kein umfassendes Verständnis für Rolle und Stellenwert der Logistik. Auch in diesem Koalitionspapier wird sie stiefmütterlich behandelt und auf das Thema Verkehr reduziert, wo es dann wiederum um möglichst einschränkende Regulierungen geht. Dabei ist die Logistik ein viel umfassenderes Phänomen, das das Fundament für etwas liefert, auf das wir alle stolz sein wollen: den Rang Deutschlands als gewichtige Industrie- und Handelsnation. Ohne innovative Lösungen von Seiten der Logistikindustrie verlieren wir schnell unsere Wettbewerbsfähigkeit. Und dabei geht es eben nicht nur um Verkehrsaspekte, sondern genauso um Nutzung neuer Technologien, moderne Lieferkettenorganisation und Innovation bei neuen Geschäftsmodellen.
Die Logistik ist nicht nur Straßennutzer, sondern auch Technologietreiber, Enabler für neue Business-Optionen und wichtiger Arbeitgeber. Die Logistikindustrie organisiert unseren Wohlstand und verdient daher Aufmerksamkeit und Förderung im gleichen Maß wie es anderen Wertschöpfungsbereichen seit Jahren zuteil wird. Stattdessen wird dieser wichtige Industriezweig so behandelt, als ob er Transporte als Selbstzweck durchführen würde, mit Profitgier als niederem Beweggrund. Wenn wir hier nicht endlich lernen umzudenken, wird es uns teuer zu stehen kommen.“