Damme/Neuenkirchen-Vörden (dapd). Not macht erfinderisch. Als die Ferkelzüchter nach dem Dioxinskandal im vergangenen Jahr angesichts geschwundenen Verbrauchervertrauens und einbrechender Erzeugerpreise um ihre Existenz fürchten mussten, hatte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) die zündende Idee: Eine Kontaktbörse für Ferkel im Internet. Seit fast drei Monaten nun können Züchter ihre Ferkel auf der Plattform feilbieten und Mäster sich dort auf einen Blick über das bundesweite Angebot informieren. Ferkel sind ein knappes Gut: Während der Preis für ein 25 Kilo schweres Ferkel 2011 auf bis zu 35 Euro sank, wird es aktuell mit 55 Euro gehandelt. Der Viehkaufmann Paul Klatte koordiniert die Ferkelkontaktbörse am ISN-Sitz in Damme (Landkreis Vechta). Er glaubt, dass sich der Preis auch durch die Mitte März ins Leben gerufene Plattform stabilisiert hat. „Die Schweinemäster bekommen durch unsere Börse gesündere Tiere. Dafür bezahlen sie auch einen höheren Preis“, sagt Klatte. Früher hätten die Mäster die Ferkel von mehreren Züchtern bezogen. Dadurch seien die betriebsspezifischen Infektionskrankheiten gestreut worden. „Das ist eben wie bei Kindern, wenn sie in den Kindergarten kommen“, erklärt Klatte. Wenn die Ferkel aber nur noch aus einem Stall zum Schweinemäster kämen, dann könnten die Schweine dort praktisch ohne Medikamente auskommen. Das rechtfertige auch den höheren Ferkelpreis für den Züchter. Genau diese Direktvermarktung zwischen Ferkelerzeugern und Mästern will die ISN fördern. 20 neue Angebote und Gesuche in einem Monat Es geht den Angaben zufolge um die Vermittlung längerfristiger Lieferbeziehungen. Dazu schaffe die Börse die notwendige Transparenz, sagt Klatte. Die Mäster nämlich benötigten eine auf ihre individuelle Stallgröße ausgelegte Ferkelmenge, wobei die Tiere eine bestimmte Größe haben sollen. Diesen einmaligen Überblick über den gesamten Markt könne die Ferkelkontaktbörse bieten. Natürlich sei die Plattform derzeit mit etwa 40 Kontakten noch überschaubar und Angebote aus dem züchterstarken Ostdeutschland fehlten bislang völlig, sagt Klatte. Doch die Online-Börse wachse stetig. Allein im Mai seien gut 20 neue Angebote von Züchtern und Gesuche von Mästern hinzugekommen. Einer der Suchenden ist auch Klatte. 17 Kilometer vom ISN-Hauptsitz in Damme hat der Viehkaufmann in Neuenkirchen-Vörden eine eigene Ferkelaufzucht und Schweinemast. Allerdings hält Klatte keine Sauen, weshalb er alle acht Wochen 600 neue Babyferkel für seine Aufzucht benötigt. „Die müssen möglichst alle 28 Tage alt sein. Dann wiegen sie acht Kilo und können bei mir aufgenommen werden“, sagt er. Danach bleiben sie sieben Wochen im Ferkelstall und kommen für vier Monate in seine Mastställe. In der Regel wiegen die Schweine dann 120 Kilo und werden an einen Schlachthof verkauft. 100 Kontakte zum Jahresende angestrebt Noch hat Klatte in der Börse kein passendes Babyferkel-Angebot entdeckt. Über die Ferkelkontaktbörse fand er aber zumindest schon eine Zwischenlösung, indem er 135 Ferkel von einem Händler aus Süddeutschland kaufte. Klatte ist aber „guter Hoffnung“, dank der Börse in den kommenden drei Wochen einen passenden Babyferkel-Züchter zu finden. Wenn er mit diesem Lieferanten auch noch eine langfristige Bindung eingehen kann, dann dürfte das Konzept der Kontaktbörse auch für ihn persönlich aufgehen. Bisher hat Klatte über die Börse zwar erst acht erfolgreiche Kontakte zwischen Züchtern und Mästern hergestellt, doch da ab Mai saisonal bedingt mehr Ferkel vermarktet werden, gibt sich der 43-Jährige optimistisch. Klatte setzt auf die wachsende Beliebtheit der kostenlosen Kontaktbörse, die lediglich eine ISN-Mitgliedschaft voraussetzt. Bereits bis zum Jahresende möchte er bei den rund 6.000 Sauenhaltern und mehr als 15.000 Mästern in Deutschland kontinuierlich auf mindestens 100 Kontakte kommen. Klatte ist sich sicher: „So werden die Züchter die nächste Dioxinkrise besser überstehen.“ http://url.dapd.de/ZPNqH4 dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Authors: dapd News