Oldenburg (dapd). Der Rechtsstreit um Steuererstattungen in Höhe von 165 Millionen Euro plus Zinsen beim insolventen Osnabrücker Cabriohersteller Karmann könnte noch Jahre andauern. Zum Auftakt der Berufungsverhandlung am Freitag kündigte das Oberlandesgericht Oldenburg an, lediglich ein vorbehaltliches Urteil zu sprechen oder eine Aussetzung des Verfahrens zu verkünden. Zugleich gab es an, eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zuzulassen. Der Verkündungstermin wurde für den 7. August angesetzt.
„Vorbehaltsurteil oder Aussetzungsbeschluss: Diese beiden Alternativen haben wir“, sagte der Vorsitzende Richter Uwe Gerken. Grund sei ein parallel laufendes Finanzrechtsverfahren, dessen Ausgang ebenfalls offen sei.
Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Landgericht Osnabrück dem Insolvenzverwalter der Karmann-Betriebsgesellschaft, Ottmar Hermann, 165 Millionen Euro an Steuererstattung zugesprochen. Hermann hatte die nicht insolvente Besitzgesellschaft des Traditionsunternehmens verklagt, an die die Steuermillionen geflossen waren. Gegen dieses Urteil legten die Gesellschafterfamilien des Unternehmens Berufung ein.
Der Cabriohersteller war im Jahr 1949 in die beiden Gesellschaften aufgeteilt worden. Die Besitzgesellschaft stellte Anlagen und Grundstücke zur Verfügung, die Betriebsgesellschaft übernahm das operative Geschäft. Umsatzsteuerrechtlich wurden die beiden Gesellschaften vom Finanzamt als Einheit gesehen und die Besitzgesellschaft als Steuerschuldnerin ausgemacht.
Aufgrund einer internen Vereinbarung übernahm aber die Betriebsgesellschaft die Steuerzahlungen. Nach einer Änderung in der Rechtsprechung, nach der jede Gesellschaft selbst steuerpflichtig wurde, forderte die Besitzgesellschaft die auf die Betriebsgesellschaft entfallenen Beträge erfolgreich zurück.
Daraufhin verlangte Hermann, die Steuermillionen an die 2009 in Insolvenz gegangene Betriebsgesellschaft weiterzureichen, weil sie die Beträge zuvor auch gezahlt habe. Das Landgericht Osnabrück folgte dieser Argumentation in erster Instanz.
Die Vertreter der Gesellschafterfamilien beharrten auch am Freitag in der Berufungsverhandlung darauf, dass im Jahr 2010 ein Vergleich geschlossen worden sei, wonach die Steuererstattungen der Besitzgesellschaft zustehen würden.
Zudem verlange das Finanzamt die Millionen im Rahmen einer sogenannten Ausfallhaftung von den Gesellschaftern zurück. Somit müsse bei Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils möglicherweise doppelt gezahlt werden. Das Geld werde daher zur Abwehr einer realen Haftungsgefahr und einer möglichen Zwangsvollstreckung benötigt, argumentierten die Rechtsanwälte.