Gian-Luca Anselmetti und Simon Virgil waren als Projektleiter und Projektmitglied an der Umsetzung der diesjährigen Geschäftsklimastudie 2013 beteiligt. Gian-Luca Anselmetti ist seit November 2012 im bei STUNT e.V. aktiv und studiert im dritten Semester Physik an der Universität Bielefeld. Simon Virgil studiert im 5. Semester Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bielefeld und engagiert sich seit Mai 2012 u.a. als Ressortleiter „Personalmarketing und Recruiting“ im Verein.
Guten Tag Herr Anselmetti, guten Tag Herr Virgil. Die diesjährige Studie ist ja von ihrem Aufbau ein wenig anders als im Jahr zuvor. Was genau hat sich denn geändert und weswegen?
Anselmetti: Der Großteil der Fragen ist wurde zwar aus der letzten Studie übernommen, um eine Vergleichbarkeit der einzelnen Umfragen zu gewährleisten. Im Bereich der Tagesaktuellen-Fragen hat sich jedoch einiges getan: Wir haben uns dieses Jahr auf ein bestimmtes Thema fokussiert, um die Bedeutung desselbigen für die Region OWL und die ansässigen Unternehmen zu klären. Auf diese Weise ist es uns möglich, fundierter Aussagen zu treffen statt nur an der Oberfläche des Themengebiets zu kratzen. Zusätzlich haben wir zum ersten Mal einen Geschäftsklimaindex für die Region OWL aufgestellt.
Virgil: Wir haben uns für das Thema „Strategische Netzwerke“ entschieden, da wir einerseits erfahren wollten auf welche Weise die regionalen Unternehmen bereits vernetzt haben und andererseits auch Verbesserungsmöglichkeiten in den bereits vorhandenen Netzwerken aufdecken wollten.
Unsere primäre Zielsetzung lag darin, vorrangig Informationen zu sammeln, die einen praktischen Nutzen erfüllen und einen konkreten Anstoß für mögliche Verbesserungen innerhalb von Unternehmen darstellen können.
Wie sah es mit der Beteiligung in diesem Jahr aus, konnten Sie erneut genügend Daten sammeln, um statistisch signifikante Aussagen zu treffen?
Virgil: In diesem Jahr haben wir uns dafür entschieden, die Studie breiter zu streuen und so eine höhere Anzahl an Rückmeldungen zu generieren. Demnach konnten wir die absolute Zahl der Rückmeldungen um fast 80 Prozent steigern. Dies kommt natürlich in erster Linie der Aussagekraft der Studie zu Gute, da wir nun auf eine größere Stichprobe zurückgreifen können. Einbußen mussten wir dabei lediglich bei der Rücklaufquote machen, diese ist im Vergleich zum Vorjahr leider gefallen.
Wie bei vielen Projekten von Studentischen Unternehmensberatungen stellt sich hier die Frage, ob Sie als Studenten für ein Projekt dieser Größenordnung überhaupt qualifiziert genug sind?
Anselmetti: Das Projektteam ist dieses Jahr besonders interdisziplinär aufgestellt, was ich persönlich als großen Vorteil bei derartigen Vorhaben ansehe: Auch in meinem Physikstudium wertet man große Mengen an Daten aus und mir persönlich hat es großen Spaß gemacht, im Team mit Wirtschaftswissenschaftlern dieses Wissen auf andere Sachzusammenhänge zu transferieren und anzuwenden. Zusätzlich stehen uns ja auch die Erfahrungen der ehemaligen Projektteams zur Verfügung, sodass mögliche Problemherde frühzeitig umgangen werden können.
Virgil: Vor allem Wissen der angewandten Statistik ist bei diesem Projekt entscheidend – das geht weit über die Grundkurse der Statistik hinaus. Ich war froh, mein Wissen aus den Vorlesungen in die Praxis umsetzen zu können und in diesem Bereich meinen Erfahrungsschatz erweitern zu können. Auch fehlende Qualifikationen sehe ich nicht wirklich als einen Kritikpunkt an, da durch die Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen Fachrichtungen eine Menge an Wissen und Erfahrung verfügbar ist.
Wie im vergangenen Jahr angekündigt haben sie auch einen Geschäftsklimaindex für die Region OWL berechnet, was steckt konkret dahinter?
Anselmetti: Bei der Berechnung des Indexes haben wir uns am renommierten ifo-Geschäftsklimaindex orientiert. Wir haben dabei die Saldi der vier Bereiche Geschäftslage, Geschäftserwartung, Investitionen und Beschäftigungszahlen kalkuliert und stellen diese dann in Relation zu einem Basisjahr – in unserem Fall 2012 – gesetzt. Aus diesen vier Teilindizes haben wir dann im geometrischen Mittel den Index für die gesamte Geschäftslage berechnet. Der Index beschreibt somit die Veränderung gegenüber diesem Basisjahr, wobei 100 eine unveränderte Situation beschreibt.
Virgil: An dieser Art der Berechnung gibt es auch wie bei jedem anderen Index Kritikpunkte: Die Aussagekraft des Indexes hängt dabei stark von der Wahl des Basisjahrs ab, da sämtliche Veränderungen in Relation dazu gestellt werden. Auch die Gewichtung der einzelnen Teilbereiche – im unseren Fall sind alle Bereiche gleich gewichtet – ist im Grunde willkürlich. Meiner Meinung nach ist unsere Kalkulation trotzdem eine sinnvolle Berechnung mit einem aussagekräftigen Wert als Output, den wir in den nächsten Jahren auch erneut aufstellen werden. Der Wert liefert jedoch nur eine Einschätzung der Veränderung des Geschäftsklimas. Wer mehr Details bevorzugt, findet im Kontext der entsprechenden Frage in der Studie nachlesen.
Wie steht es denn um OWL? Hat sich etwas getan im Geschäftsklima?
Virgil: Ja, durchaus! Leider haben wir bei der Investitionsbereitschaft einen Rückgang verzeichnen müssen. Das ist das erste negative Saldo das wir in seit dem dreijährigen Bestehen der Geschäftsklimastudie erhalten haben. Auch den hervorragenden Wert bei den letztjährigen Beschäftigtenzahlen konnten wir dieses Jahr nicht erneut bestätigen. Dies kann aber auch daran liegen, dass bereits viele offene Positionen aus dem letzten Jahr besetzt wurden und nun der Bedarf erstmal gedeckt ist.
Anselmetti: Da kann ich mich meinem Vorredner anschließen. 2013 war anscheinend ein Zeitraum, in dem viele Projekte umgesetzt wurden. Dafür spricht zumindest die gestiegene Geschäftslage und Geschäftserwartung. Wahrscheinlich müssen nun erst wieder weitere Verbesserungs- und Investitionsmöglichkeiten gefunden werden, damit man weiter expandieren kann. Meiner Meinung nach stellen diese Prognosen jedoch noch keinen Grund zur Besorgnis dar, müssen aber im Auge behalten werden.
Das hört sich nicht mehr so euphorisch an wie letztes Jahr. Sind die Unternehmen nicht mehr zufrieden mit dem Standort OWL?
Anselmetti: Ganz im Gegenteil, die befragten Unternehmen sind weiterhin sehr zufrieden mit dem Standort. Nur knapp 3 % sind unzufrieden mit der Hochschulausbildung in OWL, über 50 % sprechen sogar von einer guten bis sehr guten Ausbildung. Bei der Infrastruktur und den Zulieferern ist man ähnlich zufrieden – hier beträgt der Anteil an unzufriedenen Unternehmen gerade einmal 5 % und 3 %.
Auch die Kooperationsbereitschaft der regionalen Unternehmen untereinander wird von 60% der Befragten als positiv eingeschätzt, was sich auch bei der Bereitschaft zur Zusammenarbeit in strategischen Netzwerken im letzten Teil der Studie zeigt.
Virgil: Man darf aber auch nicht vergessen, dass es nicht nur Sonnenschein in OWL gibt. Knapp 24% der Befragten beschweren sich über das fehlende Entgegenkommen der öffentlichen Verwaltungen. Es scheint also, als gäbe es in diesem Kontext noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Auch bezüglich der Nachfrage sind 25% unzufrieden mit der Situation in OWL. Lediglich 2% empfinden die Situation als sehr gut. Dies könnte auch einen der möglichen Gründe für den Rückgang bei der Investitionsbereitschaft und den geplanten Einstellungen im kommenden Jahr darstellen. Hierbei vertrete ich die Meinung, dass es sich um ein vielschichtiges Problem handelt, das von mehreren Faktoren abhängt.
Nach noch gravierenden Unterschieden zum Vorjahr hat sich das Geschäftsklima in OWL bis auf einen Teilbereich an das in Deutschland angepasst. Sehen sie da irgendwelche Ursachen?
Anselmetti: Das stimmt, sämtliche Saldi sind in die Nähe von drei Prozentpunkten gerutscht. Nur bei den Investitionen ist ein großer Unterschied zu erkennen. Ursachen dafür mag es viele geben, wahrscheinlich liegt es momentan an der allgemein guten Stimmung in Deutschland. Die Eurokrise scheint überwunden und der DAX befindet sich im Höhenflug. Deshalb ist die Investitionsbereitschaft natürlich auch höher. Unsere Umfrage zeigt aber, dass der Großteil der Unternehmen in OWL sich mehr auf den Binnenmarkt als auf den Export von Gütern konzentriert. Für sie ist vor allem die Nachfrage in OWL, der Umgebung und Deutschland entscheidend, die ihrer Meinung nach nicht ganz auf dem gewünschten Stand ist.
Virgil: Es ist klar, dass die fast euphorische Stimmung aus dem nicht ewig Vorjahr in OWL anhalten kann. Vermutlich muss sich der deutschlandweite wirtschaftliche Aufschwung erst bei der Stimmung der Konsumenten bemerkbar machen. Sobald das Signal „Es geht uns gut“ beim Bürger ankommt, erwarte ich eine steigende Nachfrage und mit dem neuen Anreiz auch eine steigende Investitionsbereitschaft in OWL.
Was hat ihre Studie denn zu ihrem diesjährigen Themenfokus „Strategische Netzwerke“ ergeben? Ist die Umfrage so ausgefallen wie erwartet?
Virgil: Unsere Umfrage hat ergeben, dass knapp über die Hälfte der Unternehmen bereits in strategischen Netzwerken organisiert ist, was aufgrund der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen in OWL nicht verwunderlich ist. Größere Bewegungen sind bei dieser Zahl nicht zu erwarten, da über 80% der Unternehmen, die noch nicht ein Teil dieser Netzwerke sind, diesen auch nicht beitreten wollen. Als Gründe wurden hierfür wurde zumeist der hohe Zeit- und Arbeitsaufwand sowie fehlende Anknüpfungspunkte genannt. Wer also nicht in einem strategischen Netzwerk organisiert ist, scheint gute Gründe dafür zu haben.
Anselmetti: Bei den in Netzwerken organisierten Unternehmen hat man offenbar den Mehrwert selbiger erkannt. Über 70% schätzen den Nutzen für ihr Unternehmen positiv ein, 20% stufen diesen sogar als sehr hoch ein. Bei der Bedeutung der Netzwerke für die Region OWL ist die Meinung auch sehr gut. Knapp 80% sehen auch hier einen positiven Nutzen für den Standort, hiervon jedoch 40% nur „eher hoch“. Als Fazit kann man also festhalten, dass strategische Netzwerke zwar einen gewissen Mehrwert bieten, jedoch nicht als wirklich fundamentale Bestandteile für den Wirtschaftsstandort OWL fungieren. Als Verbesserungsmöglichkeiten werden vor allem mehr Offenheit und eine erhöhte Verbindlichkeit der angegangenen Projekte angesehen, wobei auch viele Unternehmen momentan keine Verbesserungspotentiale sehen und zufrieden sind.
Die Erstellung der Studie war doch sicher sehr zeitintensiv, haben Sie neben Ihrem Studium noch so viel Freizeit oder woher nehmen sie die Zeit ein solches Projekt zu stemmen?
Anselmetti: Das A und O bei solchen Projekten ist Zeitmanagement. Wir organisieren auch so schon genügend andere Projekte neben unserem Studium. Ich muss jedoch gestehen, dass mich die Geschäftsklimastudie die eine oder andere schlaflose Nacht gekostet hat. Das Wichtigste dabei ist wohl, einfach nicht den Spaß an der Sache zu verlieren, sodass dann die Motivation von ganz alleine kommt. Wenn man sich nicht für solche Dinge begeistern kann, fällt es glaube ich ziemlich schwierig, sich wirklich Zeit für so ein Projekt zu nehmen
Virgil: Vor allem die Momente in denen man feststellt, wie hilfreich die theoretischen Inhalte aus dem Studium auch in der Praxis sein können, war ein unglaublicher Motivationsschub. Aber es stimmt schon: Nur mit gutem Zeitmanagement ist so ein Projekt möglich. Ist die Organisation des Projektes gut aufgestellt läuft so etwas meistens nebenher. Dann fällt das eigene Engagement ziemlich schnell unter die Rubrik Alltag und wird einfach nebenbei abgearbeitet. Insgesamt war die Geschäftsklimastudie für das gesamte Projektteam eine tolle Erfahrung, die uns auch persönlich weitergebracht hat.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Das Interview führte Hans-Peter Fuchs,
Ressortleiter Kommunikation bei STUNT e.V.)