Dinslaken (dapd-nrw). Von geplünderten Regalen und Ausverkauf im Centbereich ist in dieser Schlecker-XL-Filiale kaum etwas zu merken, doch wenn Cornelia Samek durch den Laden geht, dann sieht sie schon, wo sich immer mehr Lücken auftun. „Vieles, was die Kunden verstärkt nachfragen, wird nicht mehr geliefert“, sagt sie und blickt auf eine Lücke bei den Damenbinden. Auch bei der Babynahrung sei der Nachschub schwach. Samek, die am Dienstag (17. Juli) 50 Jahre alt wird, ist derzeit noch Leiterin in der Schlecker-Filiale in Dinslaken. Während die handelsüblichen Schlecker-Märkte schon dicht sind, ist die Schlecker-XL-Filiale noch geöffnet. Wobei die Betonung auf „noch“ liegt, die Filiale wird steht vor Schließung, der Termin ist noch unklar. Da hat Samek schon mehr Klarheit: Ab dem 1. August ist sie von ihrem Job freigestellt, Ende Oktober folgt die Kündigung. Nach knapp 18 Jahren bei der Drogeriemarktkette muss sich die zweifache Mutter und vierfache Oma einen neuen Job suchen. Anders als in anderen Märkten gibt es in der Schlecker-Filiale in Dinslaken noch kein reduziertes Angebot, wie auch eine große Tafel im Eingangsbereich verkündet. Eventuell soll der Warenbestand an das Schwesterunternehmen „Ihr Platz“ übergehen – sofern für diesen Bereich noch in letzter Minute ein Investor gefunden wird. Die Situation für Samek und ihre Mitarbeiter ist bedrückend, Trübsinn und Trauermiene legt sie trotzdem nicht an den Tag. Rund 30 Bewerbungen hat sie schon geschrieben – sich als Straßenbahnfahrerin, Verkäuferin oder Kassiererin beworben. „Bislang habe ich nur Absagen erhalten – oder gar keine Antwort bekommen“, sagt sie. Offensichtlich habe sie wegen ihres Alters nur noch wenige Chancen auf eine neue Anstellung. Auch wegen eines Jobs als Tagesmutter hatte sie sich beim Jugendamt Wesel vorgestellt. Da diese Tätigkeit aber selbstständig wäre und zahlreiche Kinder von ihr betreut werden müssten, um den Job wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben, hat sie davon zunächst einmal Abstand genommen. Eher eine Alternative scheint dagegen eine Tätigkeit als Fußpflegerin: 2009 hatte sich Samek als halbes Jahr dazu ausbilden lassen, zwischenzeitlich hatte sie sogar schon etwa zehn Kunden betreut. Damit sie von dieser Tätigkeit leben kann, muss sie aber etwa 120 Kunden im Monat betreuen. „Und das wäre dann ein täglicher Zehn-Stunden-Job“, sagt sie. NRW-weit haben sich bis Anfang Juli 3.966 Schlecker-Beschäftigte bei den Arbeitsagenturen gemeldet – die überwiegende Mehrheit ist weiblich. 1.176 Arbeitssuchende haben sich schon wieder abgemeldet, weil sie einen neuen Job gefunden oder eine Ausbildung angefangen haben, wie eine Sprecherin der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit sagt. Den Gang zur Arbeitsagentur hat Samek auch schon absolviert, schließlich gilt es, Fristen zu berücksichtigen, um das Arbeitslosengeld rechtzeitig zu bekommen. Angesicht der unsicheren Zukunft verwundert es nicht, dass Samek verbittert und zornig wird bei der Diskussion über ihren Noch-Arbeitgeber. Vor allem das Verhalten von Firmengründer Anton Schlecker ärgert sie: „Der hat sich nicht einmal vor die Belegschaft gelegt und gesagt, dass ihm die Sache leidtut.“ Von der Insolvenz der Drogeriemarktkette habe sie von ihrer Cousine erfahren. „Die rief mich an und sagte mir, dass sie gerade im Fernsehen davon gehört hat.“ Nach Ansicht von Samek hat das Unternehmen die Misere selbst verschuldet: „Die haben falsch gewirtschaftet. Statt sich auf weniger Filialen an ausgewählten Standorten zu konzentrieren, wurden immer neue Märkte aufgemacht – und die waren an unmöglichen Stellen“, moniert die Filialleiterin. Auch beim Personal seien aus Angst vor Abfindungen keine Einschnitte eingeleitet worden, sagt Samek – die bald 50-Jährige ist selbst Betriebsrätin, doch zum Überleben des Unternehmens wären diese Schritte wohl nötig gewesen. Neben der Schlecker-Pleite muss Samek noch einen weiteren großen Umbruch in ihrem Leben bewältigen. Nach 30 Jahren Ehe trennte sie sich von ihrem Ehemann, jetzt will sie mir ihrem Lebenspartner in Hünxe zusammenziehen. Dem Freund möchte sie aber nicht auf der Tasche liegen, deshalb hofft sie weiterhin auf eine neue Chance. „Ich möchte mich selbst ernähren können“, sagt sie. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Hoffen auf eine neue Chance
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen