Der BGH konkretisiert mit Beschluss vom 06.02.2014 (IX ZR 53/13) die Hinweispflicht des Steuerberaters bei Insolvenzindizien. So lautet der Tenor, dass eine allgemeine steuerliche Beratung (Mandat allgemeinen Zuschnitts) keine Hinweispflicht begründet; erst bei konkreter Konfrontation mit der Frage der Insolvenzreife ist der Steuerberater verpflichtet, eine Prüfung vorzunehmen bzw. auf eine externe Prüfung hinzuwirken.
Vorherige Urteile bezogen sich nur auf „allgemeine steuerliche Mandate“
Im vorherigen Urteil des BGH (IX ZR 64/12 vom 07.03.2013) handelte es sich um ein „allgemein steuerrechtliches Mandat“. Wahrend das Unternehmen bereits überschuldet war, zahlte die Geschäftsführung noch Kredite in nicht unbeträchtlicher Höhe zurück. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Abtretung der Rechte durch die Geschäftsführung (nach erfolgloser Inanspruchnahme), klagte der Insolvenzverwalter gegen den Steuerberater auf Schadensersatz (hälftiges Mitverschulden). Die Rückzahlung der Kredite hätte wegen der Überschuldung des Unternehmens nicht mehr geleistet werden dürfen.
Bisherige Urteile waren nicht eindeutig
Das Gericht urteilt aber, dass der Steuerberater bei „üblichem Zuschnitt seines Mandates“ nicht verpflichtet ist, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, die Insolvenzreife durch eine Überschuldungsbilanz prüfen zu lassen. Das Gericht entschied also zugunsten des Steuerberaters, da eine Hinweispflicht mit der Beratung in einem „allgemein steuerlichen Mandat“ nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre. Es sei die originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens im Blick zu behalten. Auch wurde der Steuerbeartungsvertrag nicht als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier der Geschäftsführer) erkannt.
Mit aktuellem Urteil wird die Haftungsfrage zumindest konkretisiert
Diesem Tenor bleibt der BGH auch im aktuellen Urteil treu, wird dabei aber konkreter und begründet weitreichender:
Sobald der Steuerberater im Beratungsgespräch vom Mandanten auf die Insolvenzreife seines Unternehmens angesprochen wird oder der Steuerberater selbst auf Insolvenzindizien hinweist, eröffnet sich für den Steuerberater ein erweitertes Pflichtenprofil. Dieses Profil fordert eine eigene Prüfung der Insolvenzreife oder eine Einwirkung auf eine externe Prüfung. Dies ergebe sich entweder aus einer erweiterten werkvertraglichen Verpflichtung oder den Nebenpflichten der steuerberatenden Geschäftsbesorgung.
BGH unterstellt unterschwellig Steuerberatern begrenzte Fachkompetenz in Insolvenzfragen
Damit beendet das BGH zunächst einige Streitfälle und versucht zumindest, eine klare und nachvollziehbare Abgrenzung zu schaffen. Sobald die Steuerberatung eine insolvenzrechtliche Fragestellung tangiert, wird auch eine Hinweispflicht unterstellt. Dies dann natürlich auch schon im Falle eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages.
Hingegen ist eine Unterdeckung bei der Erstellung einer Handelsbilanz noch kein Grund, die Prüfung einer Insolvenzantragspflicht zu prüfen oder zu veranlassen, da es sich hier um eine Überschuldung rein bilanzieller Natur handele und diese bei einem allgemeinen steuerberatenden Dauermandat keine Hinweispflicht auslöse, das der mögliche Drittschutz nicht weiter als der Anspruch aus dem Mandat greifen könne.
Die Balance zwischen Beratung und Haftung wird enger
Was bedeutet diese Entwicklung für die Praxis? Hält sich der Steuerberater nun schadlos, solange er schweigt oder das leidige Thema „Insolvenz“ umschifft? Selbstredend nicht.
Denn stellt der Mandant insolvenzspezifische Fragen, ist das Pflichtenprofil bereits eröffnet. Und welcher Steuerberater könnte es mit seinem Gewissen vereinbaren, eine (bilanzielle) Überschuldung zu verschweigen. Selbst bei kommunikationsschwachen Mandaten, sind diese Fälle kaum denkbar.
Der BGH hat freilich noch nicht alle Fragen und Details geklärt bzw. vorgegeben, doch einen sehr einfachen Grundstein gelegt, den wir unseren kooperierenden Steuerberatern schon seit Jahren ans Herz legen:
Insolvenzprüfung sollte schon bei Fragestellung an fachkompetente Kooperationspartner weitergereicht werden
Sobald eine Insolvenzreife auch nur ansatzweise in Frage kommt, sollte der Steuerberater – und dies nicht nur aus haftungsrechtlicher Sicht – externe und insolvenzerfahrene Berater mit einer diesbezüglichen Prüfung beauftragen bzw. dem Mandanten diese Beauftragung (schriftlich) nahelegen.
Sollte sich nach dieser Prüfung eine Insolvenzreife bestätigen, sollte der Steuerberater dies seinem Mandanten unbedingt schriftlich erklären und den Zugang der Belehrung per Unterschrift bestätigen lassen. Nur so lässt sich im Streitfall eine Pflichterfüllung des Steuerberaters eindeutig nachweisen.
Autor: Thomas Uppenbrink, Hagen