Münsterland/Greven. Wer einen Minijob hat, erhält bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, so schreibt es das Gesetz vor. Doch rund 60 Prozent der befragten Arbeitnehmer im Münsterland bekommt nichts davon, manchmal nicht einmal einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Das ist das Ergebnis einer Studie zur Struktur, den Rahmenbedingungen und den Hintergründen von Minijobs im Münsterland, die die Regionalagentur Münsterland beim Münsterland e.V. gemeinsam mit der Initiative der Jobcenter in der Region in Auftrag gegeben hat.
„Mit knapp 13 Prozent aller Beschäftigten stellen die Minijobber im Münsterland im Vergleich mit anderen Regionen in Deutschland eine überdurchschnittlich große Anzahl dar“, sagte Klaus Ehling, Vorstand des Münsterland e.V., bei der Vorstellung der Studie am Freitagnachmittag bei der Regionalagentur Münsterland.
Aufgrund der auffallend hohen Quote haben sich die Regionalagentur und die Jobcenter gemeinsam dem Thema gestellt und diese wichtige Gruppe an Arbeitnehmern in den Blick genommen. „Wir wollten sehen, wer diese Menschen sind, die als Minijobber arbeiten, welche Motivation sowohl hinter dem Angebot als auch der Annahme geringfügiger Beschäftigung steht und welche Unternehmen in welchen Wirtschaftsbereichen bevorzugt Minijobs anbieten“, so Ehling. „Dank der Studie wissen wir dies nun.“
Anhand der Ergebnisse haben die Regionalagentur und die Jobcenter mit der Consultingfirma con_sens, die die Studie erstellt hat, verschiedene Lösungsvorschläge und Handlungsempfehlungen für die nun klar formulierten Problemlagen erstellt. Gemeinsam mit den zuständigen Kammern, Verbänden und Trägern werden diese nun besprochen und die praktische Umsetzung erarbeitet.
Im Detail gaben 36 Prozent der 225 Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, an, dass sie den bei ihnen beschäftigten Minijobbern weder Urlaub noch Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall zahlen. Bei den knapp 700 befragten Angestellten mit geringfügiger Beschäftigung erklärten rund 60 Prozent, dass sie keinen bezahlten Urlaub haben. Rund 65 Prozent erhalten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. „Das ist ein unerfreuliches Ergebnis. Für Minijobber gelten die gleichen Regeln wie für jeden anderen Angestellten“, sagte NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer. „Leider bestätigen die Ergebnisse der Studie aber auch unsere bisherigen Erfahrungen. Daher ist es umso wichtiger hier nachzusteuern. Im Rahmen unserer Landesinitiative ‚Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb‘ setzen wir uns auch für eine faire Gestaltung von Minijobs ein. Wir informieren Minijobberinnen und -jobber über ihre gesetzlichen Rechte, zum Beispiel mit dem Flyer ‚Minijobs – Was Sie wissen müssen!‘. Und wo immer dies möglich ist, tragen wir dazu bei, dass Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden.“
Besonders kleine Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern gewähren den Mitarbeitern die gesetzlich vorgeschrieben Leistungen oftmals nicht. „Bei allen Schwächen sind und bleiben die Minijobs ein wichtiges Instrument für Unternehmen und Beschäftigte. Die einen können Auftragsspitzen abfedern, die anderen sich flexibel und unbürokratisch etwas hinzu verdienen. Es ist vor allem eine Chance für An- und Ungelernte, einen Fuß in den Arbeitsmarkt zu bekommen, wie die Untersuchung belegt. Viele Beschäftigte (42 Prozent) wünschen sich diese Beschäftigungsform selbst, aus Sicht der Unternehmen kommen noch flexible Einsatzmöglichkeiten (42 Prozent) und Abdeckung von Auftragsspitzen (36 Prozent) hinzu. Ich halte es daher für verfehlt, Minijobs pauschal als ‚prekäre Arbeitsverhältnisse‘ abzuqualifizieren – erfreulich ist, dass die Studie hierzu auch gute Gegenargumente liefert“, erklärte Karl-Friedrich Schulte-Uebbing, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen.
Die Stadt Münster, die Münsterlandkreise und die Regionalagentur Münsterland haben sich laut Julia Roesler, Leiterin der Regionalagentur, eine verbesserte Information und verstärkte Beratung der Minijobber zum Ziel gesetzt. „Dass wir uns diesem Thema münsterlandweit gemeinsam stellen, ist ein großer Schritt, der viele Vorteile bietet. Einer davon ist der konsequente Ausbau unserer bestehenden Beratungsangebote um die spezifischen Aspekte der geringfügigen Beschäftigung“, sagte Roesler.
Teil der Informationen für Arbeitgeber und -nehmer sollen auch die Möglichkeiten einer Umwandlung geringfügiger Beschäftigung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sein. Denn die Studie hat gezeigt, dass rund zwei Drittel der Minijobber, die gleichzeitig Leistungen nach dem SGB II beziehen, ihre Beschäftigung gerne ausweiten würden beziehungsweise den Minijob nur angenommen haben, weil sie keine andere Stelle gefunden haben. „Hier liegt offenbar ein großes Potential für den Arbeitsmarkt brach, das wir vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels dringend benötigen“, erklärte Ralf Bierstedt, Leiter des Jobcenters in Münster, stellvertretend für die Jobcenter-Initiative des Münsterlandes.
„Das haben offenbar auch die Unternehmen erkannt. Denn gut die Hälfte der Befragten wäre zu einer Ausweitung des Arbeitsvolumens zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bereit.“ Der typische Minijobber arbeitet laut der Studie in einem Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. Dort ist die Anzahl der geringfügig Beschäftigten mit 42 Prozent sogar fast so hoch wie der Anteil der Vollzeitkräfte mit 44 Prozent. Er ist weiblich, zwischen 25 und 49 Jahre alt, arbeitet als an- oder ungelernte Kraft und putzt, fertigt oder verkauft. Der typische Bruttostundenlohn liegt zwischen 8,50 und 10 Euro und ist somit auf dem Niveau des Mindestlohns oder höher.