Dank der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 wurde ein europaweites Statement für den Schutz personenbezogener Daten gesetzt – in erster Linie um Marktgiganten wie Facebook, Google oder Amazon in ihre Schranken zu weisen. Aber auch der deutsche Mittelstand ist von dieser Neuregelung stark betroffen.
Silke Lang, Vorstand des Bundesverband Industrie Kommunikation e.V. (bvik) und Director Marketing Mobile Hydraulics bei der Bosch Rexroth AG, bewertet die aktuelle Situation im Industriemarketing folgendermaßen: „Datenschutz hatte in Deutschland schon immer einen hohen Stellenwert. Aber die massive Verschärfung des angedrohten Strafmaßes, die Komplexität der Prozesse in den Unternehmen und die Unsicherheit bei der Auslegung der neuen Verordnung in der praktischen Rechtsprechung stellen die Betriebe vor große Herausforderungen.“
DSGVO – rechtliche Unsicherheit hemmt Fortschritt
Noch gab es keine großen Abmahnwellen, aber die DSGVO ist jung und mittlerweile wurden die ersten Bußgelder in Europa und auch in Deutschland verhängt. Auch wenn das Ziel der DSGVO nicht die Regulierung von Marktverhalten ist, bleibt die Unsicherheit. „Aufgrund der rechtlichen Graubereiche werden die Regularien im Zweifelsfall zu eng ausgelegt, um nichts falsch zu machen“, bestätigt Silke Lang. Aufgrund des verschärften Bußgeldrahmens beschäftigen sich gerade die großen Betriebe schon seit einigen Jahren intensiv mit der DSGVO-konformen Umstellung ihrer Strukturen und Prozesse. Sämtliche Dienstleistungsverhältnisse mussten auf den Prüfstand, es wurden unzählige Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung geschlossen und die Umsetzung der Verfahrensverzeichnisse haben viele zeitliche und finanzielle Ressourcen verschlungen.
„Unsere Mitgliedsunternehmen berichten zudem, dass Kontaktdaten in schmerzlichen Größenordnungen von bis zu 80 Prozent aus den Datenbanken gelöscht wurden, sofern ihre Herkunft nicht zweifelsfrei dokumentiert war. Demgegenüber erfordert die Gewinnung neuer Leads unter den geänderten Voraussetzungen ganz neue Marketing- und Vertriebs-Strategien. Besonders kleinere und mittelständische Betriebe geraten durch den hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand an ihre Grenzen“, warnt Tanja Auernhamer, Leiterin der bvik-Geschäftsstelle.
B2B braucht andere Regelungen als B2C
Die grundsätzlich verschiedenen Rollen von Menschen im beruflichen und privaten Umfeld bedingen komplett andere Customer Journeys. Diesem Unterschied zwischen B2B und B2C wird in der DSGVO aber nicht ausreichend Rechnung getragen. „Verschiedene Detailfragen der DSGVO sind weiterhin offen, etwa beim Umfang der Transparenzpflichten oder der Frage, ab wann Datenverarbeitung einer Einwilligung bedarf und nicht mehr allein auf die Interessenabwägung gestützt werden kann. Zu fast jeder Frage der DSGVO gibt es heute unterschiedliche Antworten. Das wird sich leider auch nicht so schnell ändern“, bemängelt auch Patrick Tapp, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes.
ePrivacy – Was ist zu erwarten?
Nach der DSGVO steht den Unternehmen nun die Umsetzung der ePrivacy-Verordnung (ePVO) ins Haus, mit der die Europäische Kommission die Analyse des Nutzerverhaltens auf Webseiten neu regeln möchte. Einen Eindruck vom deutschen Ansatz gibt die sog. Orientierungshilfe der Datenschutzkonferenz (DSK) vom 5. April 2019. Es ist davon auszugehen, dass werbefinanzierte Webinhalte eingeschränkt werden und die Erlaubnisabfrage zum Tracking von User-Daten deutlich komplizierter wird. Auch wenn die ePVO voraussichtlich nicht vor 2022 zur Anwendung kommt, sollten sich Unternehmen rechtzeitig damit auseinandersetzen.
Vertrauen als Faustpfand im B2B
Bei allen Nachteilen für Unternehmen hat die Einführung der DSGVO jedoch zum zukunftsweisenden Umdenken geführt: Das Kernstück der Kommunikation – die Daten der Kunden – müssen als Vertrauensvorschuss in die Qualität der Marke und ihrer Produkte gewertet werden. Wo früher oft die Produktwerbung im Fokus stand, wird heute viel in hochwertigen Content mit unmittelbarem Nutzwert für Kunden investiert, um eine stabile Markenbindung aufzubauen. „Aus den Daten ihrer Interessenten und Kunden können Industrieunternehmen viel herausholen – sofern sie die Einwilligung der Betroffenen haben. B2B-Unternehmen, die in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen das Potenzial unserer digitalen, datengenerierenden Welt nutzen“, bekräftigt der Marketing-Automation-Experte Martin Philipp, Geschäftsführer der SC-Networks GmbH.
Trotz der rechtlichen Hemmschuhe müssen die Weichen für eine umfassende Datenstrategie jetzt gestellt werden. Wenn deutsche Weltmarktführer es schaffen, Kunden transparent und authentisch zu vermitteln, dass sie verantwortungsbewusst mit ihren Daten umgehen, um ihnen den bestmöglichen Service zu bieten, kann dies zu einer nachhaltigen Stärkung deutscher Marken im globalen Wettbewerb führen.
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