Dortmund. Die Logistikindustrie dürfe nicht zum Buhmann gemacht werden, wenn es um die Begründung von Entscheidungen in der Verkehrs- und Umweltpolitik geht. Dies ist Kernpunkt einer Stellungnahme des Club of Logistics zur gegenwärtigen Diskussion um eine Ausweitung der PKW-Maut.
Anlass für den Kommentar von Peter Voß, Geschäftsführer der Vereinigung Club of Logistics, die die Interessen der Logistikbranche in Politik und Gesellschaft vertritt, ist ein Bericht der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/koalitionsprogramm-speditionen-fuerchten-landstrassen-maut-a-936229.html) über die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD verankerte Ausweitung der LKW-Maut. Nach den Plänen der künftigen Koalition müssen Spediteure für Lastwagen ab zwölf Tonnen die Maut in Zukunft auch für Fahrten auf allen Bundesstraßen entrichten.
Laut SPIEGEL Online „freut sich“ Daniel Moser, Verkehrsexperte von Greenpeace, darüber, „dass die LKW-Branche endlich für die Umweltkosten herangezogen wird, die sie verursacht“. Dass viele kleine Speditionen durch die Ausweitung der Maut an den Rand ihrer Existenz getrieben werden, ist dabei offenbar unerheblich: „Wenn Wohl und Wehe eines Unternehmers von ein paar Hundertern für die Mautkosten abhängen, dann sollte er sein Geschäfts-modell überdenken“, so Moser weiter. Es könne jedenfalls nicht angehen, dass die Allgemeinheit die Kosten für die Umwelt übernehme, während Einzelne ihr Geschäft machten, zitiert das Nachrichtenmagazin Moser.
Die Ausweitung der Maut und die Ausführungen von Daniel Moser kommentiert Peter Voß so:
„Wir kommen offenbar in Deutschland alle paar Jahre in die Situation, dass die jeweiligen Regierungen verzweifelt nach weiteren Geldquellen suchen. Beim Thema Verkehrswegefinanzierung wird dabei ebenso regelmäßig die Logistikindustrie ins Visier genommen. Dies ist zunächst in gewisser Weise verständlich. Die Art und Weise wie dies in weiten Teilen der Gesellschaft und auch häufig in der Politik begründet und verargumentiert wird, macht aber deutlich, dass wir in Deutschland in einen schizophrenen Zustand hineingeraten sind: Wir feiern uns mit viel Selbstlob als Exportweltmeister und konsumieren gerne Waren aus aller Welt. Die Speditionen und KEP-Dienste, die durch ihre mit anderen Verkehrsmitteln nicht zu erreichenden Qualitätsmerkmale Schnelligkeit, Flexibilität und Zuverlässigkeit den hohen Export- und Importstandard unseres Landes erst möglich machen, werden jedoch gerne in eine Art Schmuddelecke gestellt. Es wird der Eindruck erweckt, Logistiker würden ihr Geschäft als Selbstzweck betreiben: geldgierige Unternehmer würden den Bürgern Leistungen aufzwingen, die niemand will und braucht.
In Wahrheit ist es jedoch unzweifelhaft so, dass die Logistikindustrie einen gesellschaftlich breit verankerten Bedarf befriedigt, den in dieser Qualität kein anderes Verkehrsmittel decken kann. Und nicht nur das: Die Logistik ist ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor und Jobmotor zugleich. Mit etwa 225 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2012 gehört sie nach Automobilindustrie und Handel zu den drei wichtigsten Industriezweigen in Deutschland und beschäftigt 2,8 Millionen Menschen.
Ein Land, das seinen Wohlstand in hohem Maß dem Export verdankt, Rohstoffe importieren muss und Waren in großem Volumen auf dem Weltmarkt einkauft, kurz: das wie nur wenige andere Staaten von einer globalisierten Wirtschaft profitiert, muss Ja zu einer gut funktionierenden Logistikindustrie sagen, wenn es seine Zukunft und seinen Lebensstandard nicht aufs Spiel setzen will.
Niemand bezweifelt, dass das Transportwesen Belastungen mit sich bringt. Doch verhält sich die Branche seit Jahren verantwortungsbewusst und arbeitet erfolgreich an neuen Technologien und Konzepten zur Verbesserung der Umwelt- und Klimaverträglichkeit ihrer Geschäftsmodelle. Von der Schulung der Fahrer bis hin zur Optimierung von Touren und dem Einsatz effizienter Fahrzeuge – die Logistik hat auf die Anforderungen der Zeit reagiert. Umso unverständlicher ist die Stigmatisierung, die in Äußerungen wie denen des Greenpeace-Vertreters Moser zum Ausdruck kommt.
Dass Unternehmer mit knappen Margen ‚ihr Geschäftsmodell überdenken’ sollten, könnte man auch an politisch eher favorisierte Branchen weiter geben: Wenn Wohl und Wehe von Wind- und Solartechnikfirmen von Milliardensubventionen der Verbraucher abhängen, sollten sie dann nicht auch ihr Geschäftsmodell überdenken?
Wenn wir jede gesellschaftliche Gruppe einseitig auf ihre problematischen Aspekte reduzieren, ohne ihren Nutzen zu berücksichtigen, sind wir am Ende nur noch ein Volk von Sündenböcken.“