Lingen (Ems). Fabian Molitor hat es geschafft: Der 22-jährige absolviert in Kooperation mit der Baerlocher GmbH ein duales Studium der Verfahrenstechnik an der Berufsakademie Emsland. Er ist froh bei Baerlocher angekommen zu sein: „Von Anfang an gehöre ich zum Team dazu und arbeite an interessanten Projekten.“
Dabei war die Konkurrenz um Molitors Stelle groß. Die Baerlocher GmbH erhält jedes Jahr eine Vielzahl an Bewerbungen um Ausbildungsplätze, 2012 waren es insgesamt mehr als 180, erklärt Jan Lambers-Heerspink, der seit fünf Jahren Personalleiter am Lingener Standort ist. Das Unternehmen gibt sich bei der Auswahl viel Mühe. Das ist wichtig, denn es geht um eine lange Beziehung: „Unser Ziel ist, jeden Auszubildenden später zu übernehmen“, so Lambers-Heerspink. Jede freigewordene Stelle möchte das Unternehmen nach Möglichkeit mit eigenem Nachwuchs besetzen. Ein ehrgeiziges Ziel, das nur gelingen kann mit motivierten Auszubildenden, die sich mit dem Unternehmen identifizieren und gute Leistungen bringen.
Der Chemiekonzern Baerlocher produziert seit 1978 in Lingen. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Anbieter von Additiven für die kunststoffverarbeitende Industrie. Durch diese Hilfsstoffe bekommen Kunststoffprodukte ihre besonderen Eigenschaften: Manche Additive machen einen Kunststoff hitzebeständiger, andere haben Einfluss auf Langlebigkeit und Farbbeständigkeit. Baerlocher liefert insbesondere der PVC-Branche Additivsysteme, zum Beispiel für die Herstellung von Rohren, Fensterprofilen, Verpackungsfolien, Bodenbelägen oder Kabel-Ummantelungen. Das Lingener Werk ist eine der modernsten Betriebsstätten innerhalb der Firmengruppe. Immer wieder wurde das Werk erweitert, und 1990 wurde sogar eine weitere Fertigungsstraße mit unterschiedlichen Produktionsanlagen auf dem Betriebsgelände in Lingen errichtet. Heute arbeiten von weltweit 1.200 Mitarbeitern rund 250 am Lingener Standort.
Die Auszubildenden werden im Unternehmen intensiv betreut. Sie durchlaufen in ihrer Ausbildung verschiedene Abteilungen und haben immer einen persönlichen Ansprechpartner. Auch in den Berufsschulen sind die Azubis gern gesehen, denn sie schließen ihre Ausbildung mit überdurchschnittlichen Noten ab. „80 Prozent unserer ehemaligen Azubis arbeiten heute noch im Unternehmen. Aus guten Auszubildenden werden in der Regel auch gute Facharbeiter“, erklärt Jan Lambers-Heerspink.
Doch die Anforderungen steigen immer weiter, und so geht Baerlocher seit einigen Jahren neue Wege jenseits der traditionellen Nachwuchsförderung: Fabian Molitor durchläuft als erster Student am Standort die dreijährige Ausbildung. Wie jedes Semester im dualen Studium absolviert der 22-jährige gerade eine seiner dreimonatigen Praxisphasen bei Baerlocher. Das im Studium Gelernte kann der Bachelor-Student im Unternehmen gleich anwenden. Momentan testet er im Lingener Werk ein Verfahren, das später im Großmaßstab in einem amerikanischen Werk zum Einsatz kommen soll. Fabian Molitor freut sich: „Hier arbeite ich eigenständig und meine Kollegen stehen im Hintergrund bereit, falls ich Hilfe benötige.“ Oft werden im Lingener Werk Verfahren erprobt und verbessert. Die Lösungen werden dann in anderen Werken überall auf der Welt übernommen. Student Molitor hofft in seiner nächsten Praxisphase mit seinem Verfahren in die „reale Produktion“ gehen zu können.
Nach der Abschaffung der Diplomstudiengänge im Zuge der sogenannten „Bologna-Reformen“ standen auch die Verantwortlichen bei Baerlocher vor der Frage, wie die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse einzuschätzen seien. „Durch die Zusammenarbeit mit der Berufsakademie haben wir Einsicht in die Lehrpläne und können die vermittelten Qualifikationen so besser einordnen“, erklärt Stefan Koch, der seit zehn Jahren im Unternehmen tätig ist und noch auf Diplom studierte.
Auch Olga Olfert absolviert gerade ein Praktikum bei Baerlocher. Die Masterstudentin ist schon im letzten Semester. An der Fachhochschule Münster hat auch sie Verfahrenstechnik studiert. „Baerlocher ist international bekannt und ein großer Name in der Branche. Natürlich bewirbt man sich als Münsteraner Studentin hier. Dafür nehme ich auch gerne das Pendeln in Kauf“, erklärt die 26-jährige. Aus dem Praktikum bei Baerlocher entwickelt sie ihre Masterarbeit. Immer wieder fragen Studenten aus den Hochschulen der Region bei Lingener Unternehmen nach Praktikumsplätzen oder einer Betreuung von Abschlussarbeiten. So wurden in den letzten Jahren bei Baerlocher insgesamt neun Abschlussarbeiten betreut.
Der stellvertretende Werkleiter, Dr. Knut Chmil, blickt positiv in die Zukunft: „Ja, ein Fachkräftebedarf ist erkennbar, aber er bedroht uns nicht. Wir bekommen interessante Bewerbungen auf den Tisch, wir müssen nur schneller sein als früher und die jungen Leute an uns binden.“ Im Sommer beginnt mit Philipp Barenkamp ein ausgelernter „Azubi“ als zweiter Lingener ein duales Studium im Unternehmen. Nach Ende seiner Ausbildung bei Baerlocherüberlegte der junge Mann Lingen und Baerlocher für ein Studium an einer Universität oder FH zu verlassen. Durch das Angebot konnte der Nachwuchs im Unternehmen gehalten werden. Dr. Knut Chmil: „Aus dem ehemaligen Azubi wird so eine Fach- oder Führungskraft von morgen – und wertvolles Wissen bleibt bei uns im Unternehmen.“