Berlin (dapd). Unmissverständlich ist die Aufforderung der Klimaschützer, die sich anlässlich der Staffelstabübergabe vom alten zum neuen Bundesumweltminister vor dem Schloss Bellevue in Berlin eingefunden haben: „Frau Merkel, packen Sie jetzt mal richtig an!“, heißt es auf dem Plakat. Drinnen, im Amtssitz des Bundespräsidenten, geht die Zuständigkeit für den Klimaschutz gerade vom glücklosen Norbert Röttgen auf des bisherigen Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier über. Die Umweltschützer sehen vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Pflicht.
Punkt 10.00 Uhr betreten Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Merkel den Pressesaal im Schloss Bellevue, dicht gefolgt von Altmaier und Röttgen. Die Kameras klicken. Die Kanzlerin verzieht keine Miene, Röttgen wirkt gefasst. Die Demütigung der letzten Tage, die harsche Kritik an seinem Umgang mit der Energiewende – jetzt nimmt er sich zusammen. Während der kurzen Zeremonie ringt er sich sogar ein kurzes Lächeln ab.
Röttgen, der einstige Hoffnungsträger der CDU, ist tief gefallen in den letzten zehn Tagen. Erst der Absturz seiner CDU bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, den er als Spitzenkandidat maßgeblich zu verantworten hatte, der freiwillige Rückzug vom Landesvorsitz und dann der Rauswurf aus dem Kabinett. Es hätte kaum schlechter laufen können. Nach zwei Jahren und acht Monaten als Bundesumweltminister wartet er nun auf seine Entlassungsurkunde.
Gauck lässt es sich an diesem Morgen allerdings nicht nehmen, die Verdienste Röttgens noch einmal ausgiebig zu würdigen. „Früher als andere haben Sie erkannt, es ist Zeit für die Energiewende. Dafür sind wir Ihnen dankbar“, sagt der Bundespräsident. Auch hebt er hervor, dass es Röttgen war, der nach jahrelangem Stillstand wieder Bewegung in die Debatte über ein Endlager für hoch radioaktiven Müll gebracht hatte. Röttgen nickt kurz und knapp.
Seinem Amtsnachfolger Altmaier übergibt Röttgen mit der Energiewende ein Mammutprojekt, das bei weitem nicht so glatt läuft, wie sich das viele noch vor Jahresfrist gewünscht hätten. Doch Gauck merkte an, es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Energiewende „in einem oder auch in einer Handvoll von Jahren zu bewältigen sein könnte“. Es darf getrost als Mahnung an diejenigen verstanden werden, die Röttgen in den letzten Tagen für den stockenden Fortgang der Energiewende gescholten haben. Gauck macht aber auch deutlich, dass die bevorstehende Aufgabe vor allem Teamwork erfordert. „Ich wünsche mir, dass Sie verantwortlich und gemeinsam handeln, um das gesetzte Ziel zu erreichen“, sagt er an Altmaier gerichtet.
Als Gauck dem neuen Minister dann „eine glückliche Hand“ wünscht, lächelt dieser. Als Umweltpolitiker ist Altmaier bislang kaum in Erscheinung getreten. Vielmehr gilt er als ausgewiesener Europapolitiker und überzeugter Europäer. Vor allem aber ist der CDU-Politiker ein Strippenzieher, der auch jenseits der eigenen Partei gut vernetzt ist. Wie Röttgen gehörte er einst zur „Pizza Connection“, der Runde junger Politiker von Union und Grünen, die sich früh über eine Annäherung ihrer Parteien Gedanken machten. Seine Kontakte werden ihm nun zu gute kommen.
Nach viereinhalb Minuten ist alles vorbei. Auch Merkel erwacht aus ihrer stockstarren Haltung. Ein letzter Händedruck für Röttgen, einen kurzen Glückwunsch für Altmaier und dann verlassen die vier den Saal durch die selbe Tür, durch die sie ihn betreten haben. Nicht einmal eine halbe Stunde, nachdem die Limousinen auf dem Hof des Schlosses vorgefahren sind, rollen sie wieder davon.
Draußen stehen immer noch die Klimaschützer. Groß prangt auf roten Ballons die Mahnung für mehr Engagement im Klimaschutz. Gauck hat noch einmal deutlich gemacht, wie hoch die Erwartungen sind. „In Zeiten des weltweiten Aufstiegs neuer großer Volkswirtschaften brauchen wir umso dringlicher ein verbindliches, globales Klimaabkommen.“ Altmaier twittert: „Auf geht’s an die Arbeit!“