Berlin (dapd). Bundespräsident Joachim Gauck hat den vor 50 Jahren geschlossenen Élysée-Vertrag als „große Stunde für Deutschland und eine große Stunde für die deutsch-französischen Beziehungen“ gewürdigt. „Bei all dem beständigen Ärger über Politik und Politiker und bei allem Verdruss über bürokratischen Kleinkram dürfen wir heute auch einmal preisen: Politik kann Raum schaffen für Begegnung, für Heilung, für Versöhnung“, sagte das Staatsoberhaupt laut Redetext vor einem Festkonzert zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung in Berlin. Er mahnte beide Regierungen, trotz Meinungsunterschieden weiter im Interesse Europas kompromissbereit zu bleiben. Die Europäische Union, mit Frankreich und Deutschland an wichtiger Stelle, stehe deswegen beständig vor der Aufgabe, Differenzen freundschaftlich und offen zu debattieren, Lösungen für Ungeklärtes zu erarbeiten und dabei Kompromisse nicht zu scheuen. Gauck fügte an: „Unterschiede werden bleiben. Sie auszuhalten, kann mühsam sein. Sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist oft fruchtbar.“ Zugleich seien alle Beteiligten erfahren genug, „um gelassen annehmen zu können, dass wir in zehn Jahren weiter gekommen sein werden und Europa als Ganzes gestärkt haben – durch neue Übereinkünfte, neue gemeinsame Initiativen und vielleicht auch durch manch klugen Kompromiss“. dapd (Politik/Politik)
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Aigner attackiert die Deutsche Bank
Düsseldorf (dapd). Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kritisiert Pläne der Deutschen Bank, wieder in das Spekulationsgeschäft mit Agrarrohstoffen einzusteigen. „Die Deutsche Bank hat die Zeichen der Zeit offenbar nicht erkannt“, sagte Aigner dem „Handelsblatt“. Sie erwarte, „dass ein klarer Trennstrich gezogen wird zwischen verantwortungsvollen Investitionen, die hilfreich sind im Kampf gegen den Hunger, und Transaktionen, die Preisschwankungen weltweit verstärken können“. Aigner reagierte damit auf die Ankündigung des Co-Vorstandschefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, wieder Finanzprodukte auf Agrarrohstoffe anzubieten. Eine Arbeitsgruppe des Instituts war zu dem Ergebnis gekommen, dass es hier kaum Belege für Preissteigerungen aufgrund von Finanzprodukten gebe. Aigner kündigte zugleich an, die neue Richtlinie der EU zu Finanzinstrumenten (MIFID) zu unterstützen. Diese sieht Berichtspflichten der Marktteilnehmer sowie Positionslimits für Finanzinvestoren vor. Aigner rechnet im ersten Halbjahr 2013 mit einer Entscheidung in Brüssel. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Parlamente von Deutschland und Frankreich feiern Élysée-Vertrag
Berlin (dapd). Die Parlamente Deutschlands und Frankreichs haben mit einer gemeinsame Sitzung in Berlin den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages gefeiert. Dabei zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident François Hollande am Dienstag entschlossen, die Zusammenarbeit beider Länder auszubauen. Merkel versicherte zugleich, im Mali-Konflikt stehe Deutschland an der Seite Frankreichs. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte, die deutsch-französische Verständigung sei für die Zukunft ganz Europas unverzichtbar. Zwar befänden sich beide Länder derzeit eher in einer „Phase der leidenschaftlichen Vernunft“ als in einer Phase der „romantischen Verliebtheit“. Dies müsse aber kein Nachteil sein. Der Präsident der französischen Nationalversammlung, Claude Bartolone, bezeichnete Deutschland und Frankreich als „Motor“ in Europa. Ziel der Zusammenarbeit sei es aber nicht, andere Länder zu verdrängen. Nun gehe es angesichts der Schuldenkrise darum, gemeinsam „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“. Merkel wirbt für Mut zu Veränderungen Merkel warb für Reformbereitschaft in Europa. Die Schuldenkrise stelle die Europäische Union zwar vor die größte Bewährungsprobe seit ihrem Bestehen. Aus den 50 Jahren deutsch-französischer Freundschaft könne aber gelernt werden, dass auch die größten Probleme überwunden werden könnten, „wenn wir uns auf die Kraft von Frieden in Freiheit besinnen und wenn wir den Mut zu Veränderungen haben“. Hollande sagte, es gehe nun darum, neue Perspektiven aufzuzeigen. Insbesondere sei es notwendig, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen. Der französische Präsident betonte zugleich, es sei für ihn ein Privileg, im Bundestag sprechen zu dürfen. Merkel verwies darauf, dass beide Länder auch bei der Finanzmarktregulierung, der Bankenaufsicht und der Einführung einer Finanztransaktionssteuer „ganz eng zusammenarbeiten“ wollen. Denn von den Bürgern werde nicht akzeptiert, „dass das Wesen der sozialen Marktwirtschaft dadurch zerstört wird, dass unregulierte Kräfte auf der Welt all das, was Menschen mit ihrer Arbeit schaffen, zerstören können durch Spekulation und völlige Nichtregulierung“. Die Kanzlerin fügte hinzu: „Das darf es nicht geben. Der Staat ist Hüter der Ordnung!“ dapd (Politik/Politik)
Streit um Flugzeiten von Piloten
Frankfurt/Main (dapd). Piloten und Flugbegleiter haben auf dem Frankfurter Flughafen gegen zu lange Dienstzeiten protestiert. Rund 200 Demonstranten kritisierten am Dienstag die von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) geplanten Neuregelungen, wie die Pilotenvereinigung Cockpit mitteilte. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) nannte die Proteste eine „Verunsicherung der Passagiere“, weil gewerkschaftliche Wünsche als neutrale Sicherheitsstandards dargestellt würden. Den Angaben zufolge moniert Cockpit besonders die Dienstzeiten bei Nachtflügen. Nach dem Willen der EASA sollten elf Stunden die Regel werden, schon bei zehn Stunden könne es aber zu gefährlicher Übermüdung kommen. Zudem werde den Piloten gestattet, nach 22 Stunden noch ein Flugzeug zu landen. „Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu verstehen, dass ein Mensch nach 22 Stunden nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist“, sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung, Jörg Handwerg. Der Präsident von Cockpit, Ilja Schulz, kritisierte, dass die EASA die Flugdienstzeiten nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet, sondern den Wünschen der Fluggesellschaft zu weit nachgegeben habe. Arbeitgeber: Dienstzeiten werden noch mehr begrenzt Die Arbeitgeber bewerten die Neuregelungen gänzlich anders: „Für Europas Piloten gelten in Zukunft noch begrenztere Flugdienstzeiten und noch ausgedehntere Ruhezeiten“, sagte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch in Berlin. Sicherheit sei immer das oberste Gebot. Seinen Angaben zufolge fliegen die Piloten im Durchschnitt 660 Stunden im Jahr. Das seien rein kalkulatorisch etwa 82 mal 8 Stunden. Damit werde deutlich, dass die Dienstzeiten der Piloten auf Ruhephasen zwischen den Flügen ausgerichtet seien. „Weil es um Sicherheit geht, ist es wichtig, dass eine unabhängige Stelle die Standards setzt und nicht gewerkschaftliche oder wirtschaftliche Interessenvertreter“, sagte Siegloch mit Blick auf die EASA. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Piloten protestieren gegen zu lange Flugzeiten
Frankfurt/Main (dapd). Piloten und Flugbegleiter haben auf dem Frankfurter Flughafen gegen zu lange Dienstzeiten protestiert. Rund 200 Demonstranten kritisierten am Dienstag die von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) geplanten Neuregelungen, wie die Pilotenvereinigung Cockpit mitteilte. Den Angaben zufolge moniert Cockpit besonders die Dienstzeiten bei Nachtflügen. Nach dem Willen der EASA sollten elf Stunden die Regeln werden, schon bei zehn Stunden könne es aber zu gefährlicher Übermüdung kommen. Zudem werde den Piloten gestattet, nach 22 Stunden noch ein Flugzeug zu landen. „Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu verstehen, dass ein Mensch nach 22 Stunden nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist“, sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung, Jörg Handwerg. Der Präsident von Cockpit, Ilja Schulz, monierte, dass die EASA die Flugdienstzeiten nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet, sondern den Wünschen der Fluggesellschaft zu weit nachgegeben habe. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Früherer EZB-Chef Trichet will weniger Macht für Nationalstaaten
München (dapd). Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, will als Lehre aus der Eurokrise die Macht der europäischen Nationalstaaten beschneiden. „Wir müssen den Weg einer Wirtschafts- und Haushaltsgemeinschaft weiter verfolgen“, sagte der Franzose der „Süddeutschen Zeitung“. Derzeit seien Sanktionen für Staaten, die das Gleichgewicht der Eurozone störten, vor allem Geldstrafen. Wirksamer aber wäre, „in sehr seltenen, aber für alle Bürger der Eurozone gefährlichen Situationen die endgültige wirtschafts- oder finanzpolitische Entscheidung auf eine europäische Ebene zu heben und dem Europäischen Parlament das letzte Wort darüber zu erteilen“, erklärte Trichet. So könnte Europa konkrete Maßnahmen ergreifen, um einer Krise wie der derzeitigen vorzubeugen. Der frühere EZB-Chef sprach sich auch dafür aus, den Posten eines europäischen Finanzministers zu schaffen. „Der natürliche Kandidat dafür ist der zuständige EU-Kommissar“, sagte Trichet. Die Lage in der Eurozone habe sich substanziell verbessert. „Aber es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“, erklärte Trichet. „Viel Arbeit bleibt noch zu tun.“ Deutschland und Frankreich komme dabei eine große Verantwortung zu. „Ich glaube, dass das Paar unersetzlich ist, vorausgesetzt, es stellt sich in den Dienst der anderen Länder Europas“, sagte Trichet der Zeitung, die aus Anlass des 50. Jahrestags des Elysée-Vertrags zusammen mit der „Le Monde“ erschien. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Berliner Piraten-Fraktionschef: Schnell aus Fehlern lernen
Berlin (dapd-bln). Nach dem Scheitern der Piraten bei der Landtagswahl in Niedersachsen mahnt der Berliner Fraktionschef Andreas Baum seine Partei, schnell aus ihren Fehlern zu lernen. „Bis zur Bundestagswahl im September müssen wir an unserer Kommunikation arbeiten“, sagte Baum in einem Interview der Nachrichtenagentur dapd. Zugleich sollte sich die Partei weniger mit sich selbst beschäftigen. Baum reagierte damit auf viele Personalquerelen in den vergangenen Monaten. Die Piraten hatten bei der niedersächsischen Wahl mit 2,1 Prozent den Einzug in den Landtag deutlich verpasst. Damit ging ein monatelanger Höhenflug zu Ende. Die Partei müsse sich darauf besinnen, stärker inhaltlich wahrgenommen zu werden, sagte Baum. Jeder sollte überlegen, was er dazu beitragen könne. Die Erfahrung lehre, immer dann, wenn die Piraten mit den Bürgern das Gespräch suchten, erhielten sie große Unterstützung. In ihrem Grundsatzprogramm habe die Partei bereits viele Themen aufgegriffen, sagte der Fraktionschef. Allerdings müsse sie daraus mehr machen. Notwendig seien zum Beispiel klare Aussagen zu Fragen der Wirtschaftspolitik oder der Finanzkrise in der Europäischen Union. Die Berliner Piraten waren im Herbst 2011 als erste bundesweit in ein Landesparlament eingezogen. Baum sieht seine Fraktion deshalb in einer besonderen Verantwortung, die Gesamtpartei wieder nach vorn zu bringen. „Wir haben viele Ideen zu bieten, auch für den Wahlkampf“, sagte er. Allerdings werde die Fraktion nicht versuchen, die Richtung zu bestimmen. dapd (Politik/Politik)
Lederer verlangt einen neuen Aufbruch der Linken
Berlin (dapd-lbg). Berlins Linke-Chef Klaus Lederer hat das Ausscheiden seiner Partei aus dem niedersächsischen Landtag als „bitter“ bewertet. Das Ergebnis mache deutlich, „dass das Vertrauen, das uns viele Menschen vor fünf Jahren auf Vorschuss gewährt haben, aufgebraucht ist“, sagte Lederer am Montag. Es erneut zu gewinnen, „braucht nicht nur Zeit, sondern auch einen neuen Aufbruch“. Die Partei hatte den Wiedereinzug in den Landtag bei der Wahl am Sonntag klar verpasst. Die Linke habe auf ihrem Göttinger Parteitag einen Neustart gewagt und sich als Partei wieder konsolidiert, sagte Lederer. „Es gilt nun, den nächsten Schritt zu wagen und zur Bundestagswahl mit einer realisierbaren politischen Agenda anzutreten, die für die Wählerinnen und Wähler einen Gebrauchswert hat – jenseits von lagerpolitischen Optionen und Funktionen.“ Wie am Montag bekanntwurde, will die Linkspartei mit einer achtköpfigen Mannschaft in den Bundestagswahlkampf gehen. Zu ihr gehören auch Linksfraktionschef Gregor Gysi, seine Stellvertreter Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht sowie die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Diana Golze. dapd (Politik/Politik)
Piraten-Chef Schlömer nennt Wahlergebnis eine Ohrfeige
Berlin (dapd). Die innerparteilichen Streitereien der vergangenen Monate sind nach Ansicht des Bundesvorsitzenden der Piratenpartei, Bernd Schlömer, mit für das schlechte Wahlergebnis in Niedersachsen verantwortlich. In den vergangenen Monaten habe die Partei „schwierige Phasen“ gehabt, sagte Schlömer am Montag in Berlin. „Wir haben uns viel zu sehr mit internen Querelen auseinandergesetzt“, sagte er. „Wir nehmen das einmal mit als Ohrfeige, als Watschen.“ In Zukunft solle die Partei geschlossener auftreten. Bei ihrem erstmaligen Antreten in Niedersachsen verpassten die Piraten mit 2,1 Prozent der Stimmen den Einzug in den Landtag. Zudem war es die erste Schlappe der Piratenpartei bei einer Landtagswahl. Auch die niedersächsische Piraten-Kandidatin Katharina Nocun machte neben „erschwerten Bedingungen“ im Wahlkampf, wie etwa Niedersachsens Größe als Flächenland und finanzielle Engpässe der Piraten, die innerparteilichen Diskussionen für das schwache Abschneiden verantwortlich. „Diese Landtagswahl war leider überschattet von den Ereignissen der letzten Monate“, sagte sie. Partei will sich stärker realpolitischen Themen zuwenden Piraten-Chef Schlömer sagte, es sei nötig, dass sich die Partei auch in der Außendarstellung weiterentwickele. Das betreffe insbesondere auch die Bundesebene. „Nachdem wir vier Landtagswahlen in Folge gewonnen haben, müssen wir uns jetzt stärker als bislang auch den realpolitischen Dingen zuwenden.“ Die Partei müsse es jetzt besser schaffen, ihre wesentlichen Ziele und Anliegen, wie die Forderung nach Transparenz, das Prinzip der Bürgerbeteiligung und der direkten Demokratie an die Wähler in Niedersachsen zu transportieren. Der Piraten-Chef plädierte dafür, das Wahlergebnis zu nutzen, „um befreit und mit großer Zuversicht den kommenden Wahlen zu begegnen“. „Jetzt haben wir wieder viel, viel Luft nach oben“, sagte der Politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader. Er hoffe, dass die Partei jetzt wieder inspiriere und mutiger werde, nach vorne zu gehen. „Dinge, die wir in den letzten Monaten vielleicht verloren haben“, fügte er hinzu. Piraten sollen zu tagesaktuellen Themen Stellung nehmen In den nächsten Wochen wollen die Piraten Mitglieder zu einzelnen Themen als „politische Megaphone installieren“. Diese sollen der Öffentlichkeit dann „schneller fachliche Auskünfte“ etwa zu Diskussionsständen zu Positionen, die erarbeitet werden, geben können, sagte Ponader. „Damit wir da auch greifbarer werden“. Die Partei solle wieder mutiger werden, „Diskussionsstände bekannt zu geben und Meinungsbilder widerzuspiegeln, auch wenn sie noch nicht im Grundsatz oder Wahlprogramm der Partei stehen“, sagte der Geschäftsführer weiter. Parteichef Schlömer will daneben künftig mehr zu tagesaktuellen Themen Stellung nehmen. Seine Bundes- und Landesvorstandskollegen sowie die Bundestagskandidaten rief er dazu auf, die „Politik jetzt proaktiv zu gestalten“ und die anderen Parteien „vor sich herzutreiben“. Die Partei müsse auch den Mut haben, jetzt Lösungen zu zeigen, wie sie mithilfe des Internets Bürger beteiligen könne. Schlömer forderte insbesondere die Fraktionen aus Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland auf, „in Kürze“ Vorschläge dazu zu unterbreiten. „Ich glaube, dann werden wir auch wieder Vertrauen gewinnen.“ Persönliche Konsequenzen schloss der Piraten-Chef aber aus. „Ich werde durchhalten – bis zur Bundestagswahl“, sagte er. Dann würden die Karten sowieso neu gemischt. dapd (Politik/Politik)
Wieder Baulärm in der Stralsunder Werfthalle
Stralsund (dapd). In die große Schiffbauhalle der Stralsunder Volkswerft ist Leben zurückgekehrt. Hammerschläge dröhnen durch das weiträumige Areal, ein Schiffskran hebt mit laut warnendem Sirenenton eine 440 Tonnen schwere Mittelschiffssektion in die Höhe. Nebenan am Achterschiff eines riesigen Frachters sprühen Funkenregen von Schweißgeräten durch die Luft. „Das ist Musik,“ sagt Bauleiter Jan-Peter Bös. Nach elfmonatiger Insolvenzpause geht es seit Montag weiter mit der Schiffsproduktion am Sund. Der 51-jährige Bös arbeitet seit 35 Jahren auf der Volkswerft, hat alle Höhen und Tiefen seit der Privatisierung miterlebt, die Pleite mit dem Bremer Vulkan, die Übernahme durch den dänischen Konzern A.P. Moeller, dann Hegemann und schließlich den Niedergang im P+S Werften-Verbund. Die Kunde, dass es erst mal weitergeht, habe der Mannschaft wieder Hoffnung gegeben. „Die Männer waren heute Morgen alle pünktlich 6.00 Uhr zur Stelle“, sagt Bös. Schwierige Suche nach neuem Investor Einer von ihnen ist Christian Hagenow, Schiffbauer, 30 Jahre alt und froh, dass er morgens wieder in die Arbeitskluft steigen kann. Die Unsicherheit zur Weihnachtszeit sei das Schlimmste gewesen, sagt er, während er mit seinem Kollegen Sven Freitag eine Auflage für die nächste Schiffssektion zusammenschweißt. „Ich hatte mich schon darauf eingestellt, auf Montage zu gehen, nach Emden oder Papenburg. Aber jetzt ist ein kleiner Anfang für eine Werftzukunft gemacht.“ Etwa 500 von einst 1.200 Werftmitarbeiter wechselten inzwischen von der Transfergesellschaft in die neugegründete Stralsunder Schiffbaugesellschaft (SSG), um zwei Ro-Ro-Frachter für die dänische Reederei DFDS fertigzustellen. Das erste der beiden 195 Meter langen Spezialschiffe für deutsch-dänische Militärtransporte ist im Rohbau fertig. Die Ausrüstung sei zu 60 Prozent installiert, derzeit werde die Wellenanlage eingebaut, sagt Bauleiter Bös. Im April soll der Frachter zu Wasser gelassen werden. Vom Schwesterschiff sind drei Blöcke in Arbeit, die später zusammengetaktet werden. Die Truppe sei hochmotiviert und wisse, dass mit der termin- und qualitätsgerechten Ablieferung eine hohe Verantwortung auf ihr laste, sagt P+S Betriebsratschef Jürgen Kräplin. Er warnt aber vor übertriebenem Optimismus. Die Insolvenz sei noch längst nicht überstanden. „Erst einmal müssen wir jetzt für die wieder angefahrene Werft einen neuen Investor finden, und dann dafür sorgen, dass möglichst alle ehemaligen Kollegen wieder zurück auf die Werft geholt werden. Am besten sogar noch mehr als vor der Pleite“, sagt Kräplin. Ein neuer Investor ist allerdings bislang nicht in Sicht. Auch die SSG könne nur eine vorübergehende Lösung sein, sagt SSG-Chef Stefan Säuberlich. „Uns fehlen die Mittel, um langfristige Konzepte umzusetzen, neue Aufträge zu akquirieren und Schiffsneubauten zu finanzieren.“ Werft erwartet Reedereivertreter zu Gesprächen über Fähren Hoffnung macht den Beschäftigten am Montagmorgen die Meldung von möglichen Interessenten für die von Scandlines gekündigten Ostseefähren. „Wir erwarten noch in dieser Woche Vertreter von drei europäischen Reedereien“, bestätigt Werftchef Axel Schulz. Die Experten wollten sich erst einmal über den Zustand der zu schwer gebauten Schiffe und mögliche Weiterbau-Optionen informieren. Auch Investoren aus den USA und aus dem arabischen Raum hätten Interesse signalisiert. Zulieferer und Steuerzahler kommt die P+S-Pleite dagegen teuer zu stehen. Etwa 2.300 Gläubiger haben bislang Forderungen in Höhe von 988 Millionen Euro angemeldet. Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann rechnet letztendlich mit etwa 700 Millionen Euro anerkannten Forderungen. Doch kaum etwas von dieser Summe wird bei den Gläubigern ankommen. Die frühestens in fünf Jahren zu erwartende Auszahlungsrate dürfte bei lediglich 1,5 Prozent liegen, sagt Brinkmann. Nur die Banken, deren Kredite über Landesbürgschaften und somit Steuergelder abgesichert waren, werden vermutlich mit einem blauen Auge davonkommen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)