Rio de Janeiro (dapd). Kurz vor dem offiziellen Beginn der UN-Nachhaltigkeitskonferenz im brasilianischen Rio de Janeiro wächst die Sorge vor einem Formelkompromiss. Bundesumweltminister Peter Altmaier bewertete die Verhandlungen am Dienstagmorgen zurückhaltend. „Nach einer langen Nacht sind wir heute Morgen vorsichtig die ersten Schritte auf einem vernünftigen Weg gegangen“, sagte der CDU-Politiker in Rio. Am Montagabend hatte ein Vorschlag der brasilianischen Ratspräsidentschaft für ein Abschlussdokument für Irritationen gesorgt. Altmaier sprach von einem „inakzeptablen Vorschlag“. 20 Jahre nach dem Erdgipfel in Rio de Janeiro findet in der brasilianischen Metropole der Nachhaltigkeits-Gipfel der Vereinten Nationen statt. Mehr als 100 Staats- und Regierungschefs werden ab Mittwoch in Rio erwartet. Es geht darum, wie die Weltwirtschaft ökologischer gestaltet werden kann sowie um Veränderungen der Institutionen unter dem Dach der Vereinten Nationen. Auch der Meeresschutz nimmt eine zentrale Rolle in den Verhandlungen ein. Außerdem wird über Nachhaltigkeitsziele beraten, die die bestehenden Entwicklungsziele ergänzen sollen. Nach der heftigen Kritik legten die Brasilianer am Morgen (Ortszeit) einen neuen Kompromissvorschlag vor. Altmaier, der die deutsche Delegation leitet, räumte ein, dass dieser immer noch „in vielen Punkten hinter den Erwartungen“ zurückbleibe, schloss aber nicht aus, dass die Europäer den Kompromiss mittragen würden. „Wir sind bereit, uns dem anzunähern“, sagte er. Insbesondere beim Meeresschutz hätten die Europäer aber mehr erwartet. Hinsichtlich der künftigen Architektur der UN im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit äußerte sich der Minister zurückhaltend. Zuvor hatte er im Youtube-Kanal der Bundesregierung noch einmal auf die Bedeutung dieser Frage hingewiesen. So sei etwa das UN-Umweltprogramm (UNEP) in vielen Bereichen „nicht wirklich effizient“. „Die Wege sind zu lang, die Entscheidungen zu umständlich“, sagte der Minister. Das Programm sollte aufgewertet werden, „am liebsten zu einer eigenen Organisation wie der Weltgesundheitsorganisation“. In Rio äußerte sich Altmaier allerdings zuversichtlich, dass durchaus die Chance bestehe, UNEP „in den nächsten Jahren zu einer Sonderorganisation zu entwickeln“. Das UN-Umweltprogramm hat seinen Sitz in Nairobi, Direktor ist der Deutsche Achim Steiner. Zuvor war der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) von 1998 bis 2006 Chef des Programms. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der am Abend in Rio erwartet wurde, betonte ebenfalls die Bedeutung neuer Institutionen, mahnte aber zugleich, dass diese „keine symbolischen Ersatzhandlungen für ambitionierte und verbindliche Ziele“ sein dürften. Zugleich gab auch er zu bedenken, dass die bisherigen Beratungen stockender verlaufen seien, „als wir uns das gewünscht haben“. „Die nun anlaufenden Schlussberatungen müssen eine neue Dynamik entfachen“, sagte er vor seinem Abflug in Deutschland. Umweltverbände zeigten sich besorgt über die Entwicklungen in Rio. Der WWF warf der brasilianischen Präsidentschaft vor, den Text für das Abschlussdokument vor der eigentlichen Konferenz mit den Staatschefs festzuzurren, sodass kein Raum für Verhandlungen bleibe. „Der Nachhaltigkeitsgipfel in Rio droht zu einer reinen Schauveranstaltung zu werden“, kritisierte Alois Vedder vom WWF Deutschland. Er kritisierte insbesondere ein mangelndes Bekenntnis zum Abbau schädlicher Subventionen und zum Meeresschutz. Er appellierte an die EU, „hier klare Kante zu zeigen und für ein verbindliches Abkommen zu werben“. Greenpeace nahm vor allem Altmaier in die Pflicht. „Nur wenn der Umweltminister jetzt die Notbremse zieht und einen an unverbindlichen Aussagen nicht zu übertreffenden ‚Weltrettungsplan‘ stoppt, kann am Ende der Konferenz zumindest die Einrichtung von Meeresschutzgebieten starten“, sagte der Klimaexperte der Organisation, Martin Kaiser. Für die Regierungen stehe „ein Minimum an Glaubwürdigkeit“ in der globalen Umweltpolitik auf dem Spiel. „Brot für die Welt“ und der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) forderten von den Unterhändlern ebenfalls mehr Zugeständnisse. „Diese Konferenz muss ein deutliches Zeichen setzen, dass die Staaten bereit sind, die Überlebensfragen der Menschheit anzupacken“, sagte EED-Vorstand Claudia Warning. Die Direktorin von „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel, fügte hinzu: „Ohne eine Stärkung der UN-Institutionen für Nachhaltigkeit und ohne die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung droht in Rio ein Misserfolg, unter dem die Armen am meisten leiden werden“. (Youtube-Kanal: http://www.youtube.com/bundesregierung ) © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)