Stuttgart (dapd-bwb). Es gilt als das zweitwichtigste Amt in Baden-Württemberg. Denn einem Stuttgarter Oberbürgermeister wird im Allgemeinen zugetraut, unabhängig vom Parteibuch notfalls auch einmal zum Widersacher der Landesregierung zu werden. Nun sucht die Landeshauptstadt mit ihren rund 575.000 Einwohnern einen neuen Rathauschef. Am 6. Oktober wird in einem ersten Wahlgang über den Nachfolger von Amtsinhaber Wolfgang Schuster (CDU) abgestimmt. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten von CDU und Grünen. Die Wahl ist für die baden-württembergische Parteienlandschaft insgesamt von Bedeutung: Die CDU will mit ihrem parteilosen Kandidaten Sebastian Turner eine ihrer letzten Bastionen verteidigen. Nach der verlorenen Landtagswahl regiert derzeit nur noch in Stuttgart und Karlsruhe ein CDU-Oberbürgermeister eine Stadt von bedeutender Größe. Für die CDU ist die Wahl somit auch ein Test ihres politischen Gewichts. Für die Grünen wird die Abstimmung über ihren Bundestagsabgeordneten Fritz Kuhn eine Art Rückversicherung nach der gewonnenen Landtagswahl. Dank des Protests von „Stuttgart 21“ sind sie bereits stärkste Kraft im Stadtrat. Im Fall eines Sieges gelänge den Grünen eine weitere bundesweite Premiere: Nach dem ersten Grünen-Ministerpräsidenten stellen sie den ersten Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt. Kandidaten unterscheiden sich inhaltlich nur gering Insgesamt stehen 14 Bewerber zur Wahl. Drei davon werden gute Chancen eingeräumt, neben Kuhn und Turner der SPD-Kandidatin Bettina Wilhelm. Der jüngsten Umfrage des Berliner Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap zufolge kommt Kuhn auf 31 Prozent, Turner auf 28 Prozent. Wilhelm hinkt mit 21 Prozent hinterher. Lange Zeit schien die 48-jährige Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall als lachende Dritte aus der Schlammschlacht der beiden Männer hervorgehen zu können. Laut der Umfrage ist sie jedoch weiterhin viel weniger bekannt als ihre beiden Widersacher. In den Inhalten unterscheiden sich die drei Hauptkandidaten nur wenig. Bildung hat für alle einen hohen Stellenwert sowie neue Mobilitätskonzepte im verstopften Stuttgart. Auch wollen alle die Wohnraumknappheit bekämpfen. Turner will sich vornehmlich mit seiner Wirtschaftskompetenz absetzen. Kuhn profitiert laut einer weiteren Umfrage vor allem durch seine Bekanntheit als Abgeordneter in Land und Bund, Wilhelm empfiehlt sich als einzige Bewerberin mit Rathauserfahrung, zudem punktet sie mit ihrer offenen, pragmatischen Art. Wahlkampf-Brezel fiel negativ auf Der 46-jährige Turner kommt zwar bei vielen Bürgern gut an, Teile der eigene Partei fremdelt jedoch mit ihm. Sein omnipräsentes Wahlkampf-Emblem, eine Brezel, sowie manch unpassende Bemerkung des „Wir-können-alles“-Werbespruchs fielen negativ auf. Der Berufspolitiker Kuhn präsentiert sich vor allem als grüner Vordenker und erhält dafür Zuspruch von vielen Bürgern. Wenn er aber darüber spricht, dass er den Volksentscheid zu „Stuttgart 21“ akzeptieren muss, erntet er öfter Pfiffe und Buhrufe. Argumente von politischen Gegnern, der Südwesten könnte mit einem grünen Ministerpräsidenten und einem grünen Oberbürgermeister zu grün werden, zerstreut der 57-Jährige: Mehr als 60 Jahre habe es auch keinen gestört, dass CDU in Stuttgart und im Land regiert haben. Das Interesse der Wähler an dem Thema „Stuttgart 21“ ist der Infratest-Umfrage zufolge gering. Dass CDU-Kandidat Turner der einzige erklärte Befürworter ist, wird sich folglich nicht stark auswirken. Ergebnis hängt von Drittplatziertem ab Dass es einen zweiten Wahlgang am 21. Oktober geben wird, da keiner der Kandidaten über die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereint, gilt als wahrscheinlich. Sollte sich Wilhelm im zweiten Wahlgang zurückziehen und mit Kuhn einen Deal eingehen, wird es für Turner, der neben CDU auch von FDP und Freien Wählern unterstützt wird, knapp werden. Dass sich SPD und Grüne im zweiten Wahlgang wie in den beiden vorangegangenen OB-Wahlen gegenseitig die Chancen nehmen, können sie sich dieses Mal auch angesichts der Koalition im Land nicht leisten. 1996 scheiterte Grünen-Kandidat Rezzo Schlauch nur knapp, weil die SPD ihren Kandidaten im zweiten Wahlgang nicht zurücknahm. 2004 revanchierte sich der Grüne Boris Palmer, indem er seinen Wählern den CDU-Amtsinhalber Schuster und nicht SPD-Kandidatin Ute Kumpf empfahl. Für Kuhn wird auch interessant sein, ob der Kandidat der „Stuttgart 21“-Gegner, Hannes Rockenbauch, im zweiten Wahlgang verzichtet. Dies hat dieser bereits einmal angedeutet. Sollte aber auch Wilhelm wieder antreten, wird es für Kuhn knapp. dapd (Politik/Politik)
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Vorwerk erwägt offenbar trotz Rekordergebnis Personalabbau
Düsseldorf (dapd). Das Wuppertaler Familienunternehmen Vorwerk erwartet in diesem Jahr erneut ein Rekordergebnis. Trotzdem soll die Effizienz vor allem der Staubsaugersparte steigen. „2012 wird voraussichtlich das dritte Geschäftsjahr in Folge mit einem Rekordumsatz und Rekordgewinn“, sagten die persönlich haftenden Vorwerk-Gesellschafter Walter Muyres und Reiner Strecker der „Wirtschaftswoche“ laut einer Vorabmeldung vom Samstag. Angepeilt seien rund 2,4 Milliarden Euro Umsatz. Der Gewinn vor Steuern, den das Unternehmen nicht beziffert, wird laut Magazin schätzungsweise deutlich über 200 Millionen Euro liegen. Trotzdem werde Vorwerk voraussichtlich im Oktober ein Paket von Struktur- und Sparmaßnahmen inklusive Personalabbau verkünden. „Wir müssen effizienter werden“, sagte Strecker der „Wirtschaftswoche“. Zudem gehe es darum, „die Organisation auf neue, strategische Herausforderungen vorzubereiten“. Dem Bericht zufolge wird die deutsche Staubsaugersparte nach internen Prognosen in diesem Jahr erstmals seit 2008 wieder schwarze Zahlen schreiben. Doch es gebe Probleme beim Umbau des Direktvertriebs. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Verfolgung von Auslandsbestechung kommt nicht vom Fleck
Berlin (dapd). Die Antikorruptionsorganisation Transparency International prangert mangelnde Fortschritte bei der Verfolgung von Bestechungsdelikten im Ausland an. Nur 7 der 34 OECD-Länder verfolgten solche Vergehen aktiv: Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Italien, Norwegen, die Schweiz und die USA. Laut einem am Donnerstag veröffentlichten Transparency-Bericht gab es in den OECD-Staaten im vergangenen Jahr 144 neue Ermittlungsverfahren zur Auslandsbestechung. Dies sei aber nur ein Bruchteil des tatsächlichen Ausmaßes, hieß es. Zur Situation in Deutschland wird im Bericht bemängelt, dass die Bundesrepublik nach wie vor nicht die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert hat. Weiterhin wird kritisiert, dass es in Deutschland keine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen gibt. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sagte: „Wir brauchen in Deutschland endlich ein Unternehmensstrafrecht.“ (Der Bericht „Exportig Corruption“ auf Englisch http://url.dapd.de/QveO21 ) dapd (Politik/Politik)
ESM-Prozess: Befangenheitsantrag gegen Karlsruher Verfassungsrichter
Berlin (dapd). Wenige Tage vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Gesetz zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wird das Verfahren durch einen Befangenheitsantrag belastet. Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, richtet sich der Eilantrag einer Privatklägerin aus Wuppertal ausgerechnet gegen den Berichterstatter im ESM-Verfahren, Peter M. Huber. Begründet wird er mit Hubers früherer Tätigkeit im Kuratorium des Vereins Mehr direkte Demokratie. Über die Klage des Vereins gegen den ESM soll am 12. September vom Zweiten Senat entschieden werden. Zudem soll die Klage inhaltlich durch Äußerungen des Verfassungsrichters inspiriert worden sein. Erst am 12. Mai hat Huber dem Verein laut Zeitung schriftlich sein Ausscheiden aus dem Kuratorium mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits die Vereinskampagne zur Klage beim Verfassungsgericht. dapd (Politik/Politik)
Merkel in Kanada
Berlin (dapd). Die Themen Handel und Rohstoffe werden im Mittelpunkt der zweitägigen Kanada-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen. Wie es am Dienstag aus Regierungskreisen hieß, wird Merkel bei ihrem ersten bilateralen Besuch in Kanada mit Premierminister Stephen Harper insbesondere über das geplante Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU sprechen. Kanada erwartet hier entscheidende Impulse aus Berlin. Anvisiert ist ein Abschluss der Verhandlungen noch in diesem Jahr. Deutschland wiederum ist an den Rohstoffen Kanadas interessiert. Auch die erneuerbaren Energien und der Klimawandel sollen Teil der Gespräche zwischen Merkel und Harper sein. Zwischen den beiden Regierungschefs herrsche ein „enges Vertrauensverhältnis“, hieß es. Allerdings gab es zuletzt Unstimmigkeiten über den Umgang mit der Euro-Krise. Auf kanadischer Seite hält man – ähnlich wie in den USA – einen „großen Wurf“ der Europäer und insbesondere der Deutschen für nötig, um die Euro-Krise nachhaltig zu lösen. Auch die kanadische Wirtschaft ist von einem schwächeren Europa-Geschäft betroffen. Die deutsche Seite registrierte wiederum sehr genau, dass sich Kanada an der jüngsten Mittel-Aufstockung des IWF zugunsten Europas nicht beteiligte. Stationen in Ottawa und Halifax Die Kanzlerin bricht am Mittwochnachmittag in die Hauptstadt Ottawa auf. Am Abend trifft Merkel mit Harper zu einem Abendessen unter vier Augen in der Sommerresidenz des Premiers zusammen. Am Donnerstag wird die Kanzlerin dann offiziell mit militärischen Ehren empfangen, nach einem erneuten Gespräch wird es eine Pressekonferenz der beiden Regierungschefs geben. Merkel wird danach von Ottawa weiter nach Halifax zu einem Besuch der Dalhousie Universität fliegen und sich über die dortige Meeres- und Polarforschung informieren. Die Kanzlerin wird von einer fünfköpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet. dapd (Politik/Politik)
Cromme schließt Fusion von ThyssenKrupp und Siemens aus
München (dapd). Der angeschlagene Stahl- und Anlagenbaukonzern ThyssenKrupp wird laut Chefaufseher Gerhard Cromme nicht bei Siemens unterschlüpfen. „Solange ich Aufsichtsratsvorsitzender von beiden oder einem der beiden Unternehmen bin, wird es einen Zusammenschluss von ThyssenKrupp und Siemens nicht geben“, sagte Cromme der „Süddeutschen Zeitung“. ThyssenKrupp kämpft mit milliardenschweren Problemen bei zwei neuen Stahlhütten nahe Rio de Janeiro in Brasilien und im US-Bundesstaat Alabama. Allein in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres schrieb der Ruhr-Konzern einen Verlust von mehr als einer Milliarde Euro. Deshalb wird seit Anfang des Jahres über Pläne Crommes spekuliert, ThyssenKrupp und Siemens zusammenzuführen. Als Krupp-Chef hatte er 1999 bereits die Übernahme des Konkurrenten Krupp eingefädelt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Poß gegen deutschen Eurogruppen-Chef
Berlin (dapd). SPD-Fraktionsvize Joachim Poß begrüßt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zumindest vorerst nicht Chef der Eurogruppe wird. „Es ist weder im Interesse Deutschlands noch der Eurozone, dass das wirtschaftlich stärkste Land eine solche Position anstrebt“, sagte der Sozialdemokrat am Dienstag in Berlin. Beim vorhergehenden „Gezerre“ um den Posten hätten sich Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel blamiert, urteilte er. Die Eurogruppe hatte in der Nacht beschlossen, dass der bisherige Vorsitzende Jean-Claude Juncker noch mehrere Monate im Amt bleibt. Den künftigen Rettungsschirm ESM wird dagegen ein Deutscher führen: Klaus Regling, derzeit Chef des befristeten Schirms EFSF. Poß lobte diese Entscheidung. Regling sei „ein ausgewiesener und erfahrener Finanzfachmann“. dapd (Politik/Politik)
Verfassungsrichter verhandeln kommende Woche über Fiskalpakt und ESM
Karlsruhe (dapd). Das Bundesverfassungsgericht wird am 10. Juli darüber verhandeln, ob die deutschen Gesetze zum dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt vorläufig gestoppt werden. Diesen Termin teilte der Zweite Senat am Montag in Karlsruhe mit. Verhandelt wird über fünf Klagen und Verfassungsbeschwerden. Die Linksfraktion und deren Abgeordnete haben die neuen europäischen Verträge als verfassungswidrig angegriffen. Zudem klagt der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler in Karlsruhe. Außerdem steht die Verfassungsbeschwerde des Vereins „Mehr Demokratie“ unter Führung der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) auf der Tagesordnung, sowie die Beschwerde einer Professorengruppe. Alle beantragen, dass die Gesetze nicht vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden dürfen, bis das Bundesverfassungsgericht endgültig über deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz entschieden hat. Nach der Verhandlung wird der Zweite Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle über den vorläufigen Stopp von Rettungsschirm und Fiskalpakt entscheiden. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist stets die Mehrheit der acht Richterstimmen notwendig. Ein Stimmenpatt von Vier zu Vier genügt nicht. dapd (Politik/Politik)
Bosbach nennt ESM Schritt in Richtung Transferunion
Düsseldorf (dapd). Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, kritisiert den Euro-Rettungsschirm ESM als Schritt hin zu einer europäischen Transferunion. „Wir müssen verhindern, dass aus der Währungs- eine Transferunion wird, aber der ESM ist leider ein weiterer Schritt in diese Richtung“, sagte der CDU-Politiker der Zeitung „Rheinische Post“. „Ich kann dem ESM nicht zustimmen, weil wir erneut gewaltige Haftungsrisiken, diesmal in Höhe von weiteren 190 Milliarden Euro übernehmen – und zwar auf Dauer“, fügte er hinzu. Er sei auch deshalb gegen den ESM, „weil wir damit faktisch die No-Bail-Out-Klausel des EU-Vertrags, also die Vorschrift, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haftet, außer Kraft setzen“, erläuterte Bosbach seine Haltung. Im Bundestag wird am (heutigen) Freitagabend über den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM abgestimmt. Benötigt wird eine Zweidrittelmehrheit. dapd (Politik/Politik)
Experten rechnen bei ESM mit mehreren Monaten Verzögerung
Berlin (dapd). Dem permanenten Euro-Rettungsschirm ESM droht durch die Klagen in Karlsruhe eine längere Verspätung als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommen Experten des Centrums für Europäische Politik (CEP) in einer Bewertung, die der Tageszeitung „Die Welt“ vorliegt. Hintergrund ist der Eilantrag gegen den Hilfsfonds, der derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird. Bisher wird erwartet, dass sich die Verzögerung auf wenige Wochen beläuft. „Das dürfte Wunschdenken sein“, schreiben die CEP-Experten. „Wahrscheinlich ist eine Verzögerung um Monate.“ Ihre Begründung: „In jedem Fall ist im Anschluss an das Eilverfahren ein umfängliches Hauptsacheverfahren zu erwarten.“ Sollte das Verfassungsgericht dem Eilantrag stattgeben, wovon das CEP ausgeht, „darf der Bundespräsident bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht ratifizieren“. Ansonsten würde sich Deutschland völkerrechtlich binden, bevor das Urteil aus Karlsruhe vorliegt. dapd (Politik/Politik)