Hamburg (dapd-nrd). Die Strafverteidigerin Angela Wierig erhebt im Zusammenhang mit dem NSU-Mord an Süleyman Tasköprü schwere Anschuldigungen gegen die zuständigen Ermittler. Sie werfe den Beamten fehlendes Taktgefühl und eine gewisse Form von Rassismus vor, sagte die 50-Jährige im dapd-Interview in Hamburg. Hintergrund ist ein Verhör der Polizei mit dem Vater von Süleyman Tasköprü unmittelbar nach dem Mord vor zehn Jahren. Wierig vertritt seit fast einem Jahr eine der Schwestern des Ermordeten. Tasköprü wurde am 27. Juni 2001 in dem Lebensmittelmarkt seiner Familie im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld von den Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erschossen. Zehn Jahre später flog die rechte Terrorgruppe am 4. November 2011 auf. Ihr werden zehn Morde zur Last gelegt. Damals habe der Vater nur kurz das Geschäft verlassen, sagte die Juristin stellvertretend für die Angehörigen des Opfers. „Als er nach einer Viertelstunde zurückkam, lag sein Sohn mit drei Kopfschüssen auf dem Boden.“ Anschließend sei er in den Armen des Vaters gestorben. Was anschließend mit dem Vater geschah, macht die Juristin besonders wütend. „Noch am selben Tag saß der Mann bei der Polizei.“ Die Beamten hätten ihn gefragt, ob, wie weit und in welche Richtung er seinen Sohn bewegt habe, sagte Wierig. „Es endete mit: ‚Sie haben doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich Ihre Hände auf Schmauchspuren untersuche?'“ Solche Verdächtigungen passierten täglich, das sei das Bittere daran, sagte sie weiter. „Große Last auf schmalen Schultern“ Heute führt ihre Mandantin einen ganz normalen Alltag als Hausfrau und Mutter. Sie sei in Hamburg geboren und spreche fließend Deutsch. Mehr möchte Wierig aber nicht sagen. Nur soviel verrät die Anwältin: „Sie trägt eine ungeheure Last auf sehr schmalen Schultern.“ Vermeintliche Entschuldigungen, wie die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Februar werden laut Wierig vielmehr als ein „Sich-Rein-Waschen“ wahrgenommen. „Entschuldigungen sind blödsinnig“, sagte die Juristin. Das, was vor Jahren geschehen sei, sei nicht wieder gutzumachen. „Das ist eine Verletzung, mit der man leben muss.“ Eine gewisse Aussöhnung hält die 50-Jährige allerdings für denkbar. „Das liegt aber an jedem einzelnen, der meiner Mandantin begegnet“, sagte sie. Ob ihre Mandantin an dem Prozess gegen die Angeklagte Beate Zschäpe im kommenden Frühjahr teilnehmen werde, sei offen. Wierig will ihr davon abraten: Die Erwartungen, die ihre Mandantin daran hätte, könnten nicht erfüllt werden, sagte sie. Wichtiger als der Prozess seien vor allem Antworten auf die vielen offenen Fragen: Warum Süleyman? Warum der Hass gegen ausländische Mitbürger? Haben die ihn ausgesucht? Ist irgendetwas vorgefallen, dass er in das Visier dieser Leute geraten ist oder war es purer Zufall? Eines ist laut Wierig sicher: „Fast jede mögliche Antwort auf diese Fragen wird schwer zu ertragen sein.“ dapd (Politik/Politik)