Weihnachtsgeschäft bei Wildhändlern läuft auf Hochtouren

Weihnachtsgeschäft bei Wildhändlern läuft auf Hochtouren Ribnitz-Damgarten (dapd-lmv). Hellmuth Jenß lacht – obwohl er im Moment nicht weiß, wo ihm der Kopf steht. „Wir haben mit diesem Wildschwein noch viel Arbeit, aber endlich machen die Jäger wieder ordentlich Strecke“, sagt der 65-Jährige. Das Jagdglück kehrt damit gerade noch rechtzeitig zu Weihnachten zurück. Mecklenburg-Vorpommerns wichtigster Wildhändler reibt sich die Hände, dann schiebt er das Tier am Haken in die Zerlegung. 29 Mitarbeiter sind derzeit von frühmorgens bis spätabends damit beschäftigt, das Wild aus den Revieren zwischen dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft und der Insel Usedom für den Verkauf vorzubereiten. Allerdings herrscht nicht immer so viel Betrieb in Jenß‘ Verarbeitungszentrum am Stadtrand von Ribnitz-Damgarten. „Von Januar bis in den Sommer hinein hatten wir kaum etwas abgesetzt. Es war extrem“, sagt der Firmenchef und passionierte Jäger. Monatelang stand der 1990 mit Millionenaufwand aufgebaute Betrieb, der zuletzt 2,5 Millionen Umsatz erwirtschaftete, still. Nur ein fünfjähriger Kooperationsvertrag mit einem Hamburger Wildverarbeiter sicherte die Existenz. Drückjagden sorgen für erhöhtes Wildaufkommen im Herbst Wild sei ein reines Saisongeschäft, sagt ein Discounter-Filialleiter. Erst die alljährliche Drückerjagd ab September sorge für ausreichend Wildbret. Doch in diesem Herbst ließ der Erfolg lange auf sich warten, vor allem die Wildschweine hatten sich rargemacht. „Die hatten sich statt im Wald lieber in den Maisbeständen aufgehalten. Und da ist eine erfolgreiche Jagd kaum möglich“, sagt Heinz Stegemann. Der Jägermeister des Landkreises Rostock glaubt, den Grund für das Verhalten zu kennen: Weil Spätfröste im Frühjahr die Blüten von Kastanien, Buchen und eichen stark geschädigt hatten, wuchsen diesmal deutlich weniger Früchte heran. Also suchten sich die Schweine ihr Futter im Mais. „Erst als die für Biogasanlagen angebauten Maisbestände abgeerntet worden waren, gab es bei der Jagd ab November auch wieder ordentlich Strecke“, sagt Rainer Pirzkall vom Landesjagdverband. Hellmuth Jenß hat das selbst erlebt. „Erst vor ein paar Tagen haben wir bei einer großen Gesellschaftsjagd in der Nossentiner/Schwinzer Heide über 160 Stück Wild erlegt. Das war wichtig für einen ausgewogenen Bestand in der Region“, sagt er. Über 100 unterschiedliche Wild-Angebote kann Wildmeister Jenß jetzt seinen Kunden machen. Neben Keulen, Brust und Rücken gehören auch etliche Wurstsorten dazu. „Wildschwein-Salami und Hirsch-Schinken sind in diesem Jahr die absoluten Renner“, sagt Andreas Köhn, Chef in der 1996 gegründeten unternehmenseigenen Ribnitzer Boddenlandfleisch. Weihnachtlich verpackt sind die Produkte in diesem Jahr auch auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt sehr gefragt. Zu den Kunden gehört auch Heinz Seyr, Geschäftsführer von Schuhbecks Geniesser Service in Laage. Im Unternehmen des Münchner Sternekochs Alfons Schuhbeck werden jährlich Tausende Fertiggerichte mit Wild produziert. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Einzelhandel erwartet Rekordumsätze

Einzelhandel erwartet Rekordumsätze Dresden (dapd). Überfüllte Rolltreppen, wuchtige Einkaufstüten und Weihnachtslieder in der Dauerschleife: Dresdens Einkaufszentren platzen in der Adventszeit aus allen Nähten. Die Mission lautet, die Liebsten zum Fest mit tollen Geschenken zu überraschen. Der Geldbeutel sitzt dabei locker. Eine Dresdnerin mit goldener Nickelbrille kommt in der Altmarkt-Galerie aus einem Computerladen. Gleich vier Tüten baumeln an ihren Händen. „Kleidung, Spielzeug, eine Tastatur…“, sagt die Mittfünfzigerin. Dass die Deutschen für Weihnachten viel Geld ausgeben, ist nichts Neues. In diesem Jahr allerdings sitzt der Geldbeutel für Geschenke offenbar so locker wie noch nie. Jeder Deutsche wird laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diesem Jahr rund 285 Euro für Geschenke ausgeben und damit 24 Euro mehr als noch 2011. „Die Deutschen bewerten ihre persönliche wirtschaftliche Lage immer noch gut und geben deshalb auch viel Geld aus“, Wolfgang Adlwarth, Konsumforscher bei der GfK. Zudem sei die Angst vor einer möglichen Inflation gering. „Zusammen mit einer relativen Arbeitsplatzsicherheit schafft das ein gutes Konsumklima“, sagt Adlwarth. Geschenk Nummer eins sind Bücher, gefolgt von Spielzeug, Kleidung und Accessoires. Besonders groß dürfte die Nachfrage bei ferngesteuerten Autos, Brettspielen, digitalen Kameras und Tablet-Computern ausfallen. Traditionell beliebt als Geschenk sind auch Kosmetik und Kosmetik. So auch bei Frank Duwe. Der 49-jährige Hamburger ist in die Elbe-Stadt gekommen, auch um seine Weihnachtseinkäufe zu erledigen. „Wir haben uns einen Zettel gemacht, der nun abgearbeitet wird“, sagt der Einkaufstourist. Für seinen Bruder hat er bereits ein Präsent aus der Parfümerie, sich selbst will Duwe ein Paar Schlittschuhe gönnen. Den Einzelhandel wird es freuen, die Einnahmen dürften im November und Dezember doch erstmals die Marke von 80 Milliarden Euro übertreffen und damit das gute Vorjahresergebnis von 79,2 Milliarden Euro nochmals übersteigen. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es beim Konsumverhalten trotz unterschiedlich hoher Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit nicht, sagt GfK-Forscher Adlwarth. Lediglich bei hochwertigen Accessoires wie Schmuck und Uhren setzten die Ostdeutschen andere Prioritäten. „Eine ostdeutsche Besonderheit ist noch immer das Verschenken von Lebensmitteln“, sagt Adlwarth. Während im Westen Pralinen und Sekt seit Jahren an Beliebtheit verlieren würden und die Menschen mehr Schmuck verschenkten, hielten die Ostdeutschen an dieser Gewohnheit fest. „Eine gute Flasche Wein hat noch immer einen höheren Stellenwert als Schmuck oder Uhren“, sagt Adlwarth. dapd (Vermischtes/Wirtschaft)

Rundschau -Redakteuren geht die Hoffnung aus

Rundschau -Redakteuren geht die Hoffnung aus Frankfurt/Main (dapd). Im Newsroom der „Frankfurter Rundschau“ sitzen am Dienstagnachmittag nur zwei Redakteure vor den rund 50 Computern. Am Morgen hat die Geschäftsführung der renommierten Zeitung beim Amtsgericht einen Insolvenzantrag gestellt, für 15.00 Uhr wurde die Belegschaft zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Seit Jahren kriselt es bei der „FR“, aber so ernst war es noch nie. „Ich gebe uns noch drei Monate“, sagt ein Redakteur auf dem Weg zur Mitarbeiterversammlung. Zurückgehende Anzeigenaufträge und die ständig schrumpfenden Auflagezahlen bereiten der Rundschau seit längerem größte Schwierigkeiten. Selbst die bei dem linksliberalen Blatt ungeliebte Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) musste 2003 für einen Bankkredit der Zeitung bürgen. Heute entsteht der überregionale Mantel der „FR“ hauptsächlich in Berlin, in einer Redaktionsgemeinschaft mit der „Berliner Zeitung“. Beide Blätter gehören mehrheitlich zur Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg. „Die wollen nicht mehr“ Andreas Arnold hat seine Kameraausrüstung abgelegt und eilt ins Rundschau-Gebäude am Frankfurter Südbahnhof. „Glücklicherweise habe ich noch andere Auftraggeber“, sagt der 46-jährige freie Fotograf auf dem Weg zur Betriebsversammlung. „Aber ohne die ‚FR‘ müsste ich auf rund 3.000 Euro monatlich verzichten.“ Er mache die ständigen Krisen jetzt seit zehn Jahren mit. „Die haben in der Vergangenheit reihenweise festangestellte Redakteure und Fotografen entlassen, das waren Kahlschläge“, sagt Arnold. Aber die „FR“ schrieb weiter rote Zahlen. „Die Hiobsbotschaften kommen immer pünktlich zur Weihnachtszeit“, berichtet ein Redakteur im Newsroom. Der Reporter ist seit fast 20 Jahren bei der Zeitung. „Wir haben jetzt keine Hoffnung mehr. Null Optimismus“, sagt er. Eine Stunde später haben sich für den Redakteur die Aussichten nicht verbessert. Bei der Betriebsversammlung habe Geschäftsführer Karlheinz Kroke wenig mitzuteilen gehabt. „Die Besitzer wollen einfach keine Miesen mehr machen, hieß es“, sagt der 45-Jährige. Keine jungen Käufer am Kiosk Zu den Besitzern der „FR“ gehören neben dem DuMont-Verlag – mit deutlich kleineren Anteilen – eine Medienholding der SPD und die Karl-Gerold-Stiftung. „Die wollen uns loswerden“, urteilen einige Redakteure nach ihrem Treffen mit Kroke. Das Verlagshaus mit knapp 500 Mitarbeitern werde bestenfalls zerschlagen, immerhin arbeite die Druckerei in Neu-Isenburg im Süden Frankfurts profitabel, mutmaßen die Kollegen. „Vor einem Jahr habe ich eine angebotene sechsstellige Abfindung ausgeschlagen“, sagt der 45-jährige Redakteur. „Das war wohl ein Fehler.“ Am Kiosk gegenüber des Rundschau-Gebäudes wundert sich der Besitzer nicht über die aktuelle Entwicklung. „Unter 30-Jährige legen mir hier praktisch nie Geld für eine Zeitung auf die Theke“, sagt der 44-Jährige. Junge Käufer einer Tageszeitung oder eines politischen Wochenmagazins seien an seinem Kiosk „die große Ausnahme“. „Der Nachwuchs“, sagt der Mann, „informiert sich nur noch im Internet.“ dapd (Vermischtes/Wirtschaft)

Profiteure in Zeiten der Finanzkrise

Profiteure in Zeiten der Finanzkrise Weidhausen/Coburg (dapd-bay). Thomas Welsch hat keinen Grund zu klagen. Im Gegenteil, so gut wie derzeit ging es dem Geschäftsführer der Polstermöbelfabrik Ponsel mit 220 Angestellten im oberfränkischen Weidhausen lange nicht mehr. „Die Nachfrage nach unseren Sofas wächst stetig. Vor allem die Modelle im romantischen Naturdesign sind sehr gefragt“, sagt der 42-Jährige. Rund 100 Modelle hat Ponsel im Angebot, bevorzugt werden von den Kunden Naturstoffe. „Wir nennen das unsere Chalet-Linie – mit viel Leder, Holz und Blumenmotiven“, sagt Welsch. Bei ihren Produkten setzt die Firma auf Nachhaltigkeit. „Mit der Atomkatastrophe in Fukushima haben wir unsere Standards radikal geändert und auf Nachhaltigkeit gesetzt“, sagt Welsch. Bis vor wenigen Jahren noch verarbeitete giftige Stoffe wie Quecksilber oder Cadmium fänden sich in keinem Möbelstück mehr. Bayerische Wohnmöbelindustrie mit Umsatzplus Die Geschäftslage der Firma Ponsel ist kein Einzelfall. Das erste Halbjahr 2012 lief für die gesamte bayerische Wohnmöbelindustrie hervorragend. So kletterte der Umsatz von Januar bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fünf Prozent auf 1,54 Milliarden Euro, wie Verbandsgeschäftsführer Christian Dahm sagt. Davon erlösten allein die oberfränkischen Polstermöbelbauer 600 Millionen Euro. „Die Menschen investieren in unsicheren Zeiten in langlebige Dinge in ihrem Lebensumfeld. Und dazu gehört das Wohnzimmer als ganz wichtiger Bereich“, sagt Dahm. Und weil Beständigkeit auch etwas kosten darf, müssten sich die Polsterer nicht wie so manch andere Branche in Rabattschlachten mit der Konkurrenz zermürben. „Wir müssen nichts verramschen und punkten dafür mit Sonderkollektionen und neuen Trends“, berichtet Dahm. Das allein ist allerdings nicht der Grund, weshalb die Branche in Oberfranken unlängst auf 6.000 Beschäftigte gewachsen und damit zum größten Arbeitgeber der Region avanciert ist. Ein großer Vorteil gegenüber den Billiganbietern aus Osteuropa und China ist vor allem die lokale Konzentration der Branche auf wenige Quadratkilometer bei Coburg. Einst die Heimat der Korbflechter verteilen sich in der Region am Main rund 300 Polstereien und deren Zulieferer auf wenige Dörfer. „Für uns ist das wirtschaftlich ideal. Alle Zulieferer liegen quasi um die Ecke, und wenn ich morgens etwas bestelle, habe ich es am Mittag“, sagt Welsch. Jugend meidet den Beruf Gänzlich sorgenfrei ist die oberfränkische Polstermöbelindustrie dennoch nicht. Vor allem fehlt es an Nachwuchs. Jugendliche verschmähten das Handwerk wegen seines Rufs als Knochenjob, sagt Welsch. „Viele verbinden mit dem Handwerk immer noch schwere, körperliche Arbeit, die man nicht lange durchhält.“ Um das zu ändern, haben die meisten Hersteller in den vergangenen Jahren viel Geld in Hilfsmittel investiert, um das industrielle Polstern im Akkord zu erleichtern. „Es gibt längst Hebevorrichtungen, und es wird in Teams gearbeitet. Niemand muss heute noch ein Sofa alleine heben“, sagt Welsch. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Eine Bank für jeden Skatverein

Eine Bank für jeden Skatverein Altenburg (dapd-lth). Zunächst glaubte Jan Ehlers an einen Scherz, als er zum ersten Mal von der Altenburger Skatbank hörte. „Ich dachte, das ist eine Monopoly-Bank, in der man vielleicht Spielgeld einzahlen kann“, sagt Ehlers über seinen ersten Eindruck von der Bank mit dem Skat im Namen. Nichtsdestotrotz lud der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Skatverbandes die Bank mit dem skurrilen Namen zum alljährlichen Skatturnier in den Deutschen Bundestag ein – als Sponsor. „Das passte ganz gut zum Thema“, sagt Ehlers. Umso größer war die Überraschung, als sich die Skatbank als richtige Bank entpuppte. „Die Leute, alles Skat-Verrückte, haben denen den Stand eingerannt“, sagt Ehlers. Diese Begebenheit trug sich vor vier Jahren zu. Auf einen Schlag gewann die Direktbank, die ein Jahr zuvor gegründet worden war und von deren Existenz bis dahin kaum jemand außerhalb der historischen Stadtmauern von Altenburg wusste, bundesweite Bekanntheit. Und mit rund 4.000 Vereinen – die Mehrzahl davon Skatclubs – gilt die Bank seitdem als die Bank schlechthin für Vereine. „Die Konditionen sind einfach unschlagbar gut: Das Konto ist kostenlos und die Dispo-Zinsen liegen bei etwas über fünf Prozent. Das ist ideal für Vereine“, schwärmt Ehlers. Dabei beruht eigentlich alles nur auf einem Missverständnis. Denn als die Altenburger Volksbank ihren Direktbank-Ableger Skatbank gründete, hatte man mitnichten den Skat als solchen Namen stiftend im Sinn, wie Vorstandsvorsitzende der Volksbank Altenburg, Holger Schmidt, sagt. „Eigentlich wollten wir mit dem Namen nur den lokalen Bezug zu Altenburg und dessen Tradition als deutsche Skatstadt herstellen“, sagt Schmidt. Assoziationen mit Glück, Spiel und gewonnenen Geld hätten keine Rolle gespielt, sagt Schmidt. EC-Karten mit Skat-Motiven So wie Schmidt täte sich wohl jeder Banker schwer, hätte sein Institut den Ruf einer Bank für Kartenspieler. Gleichwohl erkannte man in Altenburg alsbald auch die Vorteile des Missverständnisses und machte aus der Not eine Tugend, wie Skatbank-Teamleiterin Steffi Hessel sagt. „Den Ruf hatten wir weg und wir sagten uns, dass jeder Verein auch Mitglieder hat, die als Privatpersonen ein Konto gebrauchen könnten.“ Diese musste man nur noch davon überzeugen, ihr privates Geld nach Altenburg zu tragen. Dafür setzen die Banker alles auf eine Karte, beziehungsweise auf einen Eurocheque. „Wir druckten EC-Karten mit dem klassischen Altenburger Skatblatt als Motiv. Und die waren dann der Renner“, sagt Hessel, die fünf Jahre nach der Gründung der Bank rund 12.000 Einzelkunden betreut. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Tag der dürren Worte

Tag der dürren Worte Stralsund (dapd). Die Wut der Schiffbauer in Vorpommern ist der Resignation gewichen. Ein Tag nach der Ankündigung, dass die P+S Werften in Stralsund und Greifswald pleite sind und Insolvenz anmelden müssen, hören sich die Werftleute am Dienstag auf zwei Belegschaftsversammlungen Details der Katastrophe an, die für die meisten keine Überraschung sind. „Es waren dürre Worte, nichts Neues“, sagt ein Schiffbauer nach der Versammlung in Stralsund, während er das Werftgelände verlässt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hatten versucht, die Entscheidung zur Einstellung weiterer Beihilfen zu verteidigen. „Bund und Land haben getan, was möglich war“, sagt Merkel und verspricht, alles zu tun, um auch in einer Insolvenz zu helfen. Sie kenne die Stralsunder Werft mit all ihren Höhen und Tiefen und wisse auch, „es ist eine tolle Truppe“, versucht die Kanzlerin, die in Vorpommern ihren Wahlkreis hat, etwas Hoffnung zu verbreiten. Sellering gesteht nach seiner Rede vor 1.200 Werftarbeitern, es sei das „erwartet schwierige Gespräch“ gewesen. Werftchef Rüdiger Fuchs werde noch weitere Gespräche mit Kunden der beiden Schiffbaubetriebe in Stralsund und Wolgast führen, „um auszuloten, ob da noch irgendwas geht“. „Allerschlimmstes“ verhindern Die Werftleute hätten die Reden der Politiker „verhalten“ aufgenommen, sagt Betriebsrat Jürgen Kräplin. Sie begrüßten schon, dass sich in der Werftenkrise die beiden politischen Lager nicht „auseinanderdividieren“. Und auch, dass Merkel Hilfen während der Insolvenz zusagt, sei bei den Werftleuten angekommen. Jetzt müsse alles getan werden, um das „Allerschlimmste“ zu verhindern. „Die Arbeit geht erstmal weiter, das war schon immer so, dass die Belegschaft sagt, die Schiffe müssen fertig werden“, sagt Kräplin. Auch die Werftleute, die am Dienstag nach ihrer Schicht durch das Betriebstor kommen, werden am nächsten Tag wieder ihren Dienst antreten. „Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht“, sagt ein Schiffbauer, der wie alle anderen seinen Namen nicht nennen will. „Ich habe noch acht Jahre bis zur Rente.“ Für ihn wie für die meisten seiner Kollegen sei der Ruin der Stralsunder Volkswerft keine Überraschung. „Die Krise hat sich schon jahrelang angedeutet, weil wir von den Gesellschaftern an der kurzen Leine gehalten werden und die Gewinne abgezogen wurden“, sagt er. Pessimismus in Stralsund, Hoffnung in Wolgast Während Werftchef Fuchs in einer ersten Analyse vor allem der Wolgaster Werft gute Überlebenschancen ausgerechnet hatte, sieht er die Stralsunder Volkswerft „aus dem Tritt“. Zu viele Neukonstruktionen, zu wenig Arbeitsvorbereitung, das müsse sich ändern, bevor Stralsund eine Zukunft hat. Der Pessimismus ist auch im Rathaus zu spüren. Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) spricht von der „schwersten Krise seit Jahren“ und einem der „schwärzesten Tage in meiner Amtszeit“. Der Untergang der Werft wäre eine Katastrophe. Auch der Stralsunder Bevollmächtigte der IG Metall Küste, Guido Fröschke, kann die Enttäuschung in Stralsund nachvollziehen. Arbeitsmarktpolitisch verstünden die Werftleute die Insolvenz nicht. „Sie können nicht verstehen, dass etwas so Schönes den Bach runtergehen soll“, sagt Fröschke. „Der Standort ist doch gut, sagen sie.“ Vielleicht schlägt die Resignation der Werftleute aber auch in Hoffnung um. „Nachdem die Schiffbauer eine Nacht darüber geschlafen haben, gucken sie jetzt nach vorn“, sagt Fröschke. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Als bei Neckermann die Hoffnung platzte

Als bei Neckermann die Hoffnung platzte Frankfurt/Main (dapd). Die Nachricht von der Insolvenz ihrer Firma traf die Beschäftigten von Neckermann unvorbereitet. „Gestern sah es noch so aus, dass es eine Einigung geben könnte“, sagt Heidi Röder enttäuscht. „Der Betriebsrat hatte am Dienstagabend noch große Hoffnungen, dass die zähen Verhandlungen doch noch erfolgreich sein könnten.“ Nach den gescheiterten Verhandlungen am Mittwoch sagt sie: „Was soll man machen, wenn der Eigentümer Sun Capital nicht mitmacht?“ Wie viele Andere weiß Heidi Röder die Antwort auch nicht. Dabei treffe es sie als langjährige Betriebskrankenschwester nicht so sehr wie andere, sagt sie. Acht Jahre sei sie bei Neckermann gewesen, aber freie Stellen für Krankenschwestern gebe es auch woanders. Doch viele ihrer Kollegen hätten ein schwereres Los. „Viele sind über 50 Jahre alt“, sagt sie. Und wie schnell verliere man nicht nur seinen Job. „In Frankfurt sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch. Wohnung und Auto, das will alles bezahlt werden“, betont Röder. Nach und nach verlassen weitere Mitarbeiter das riesige Firmengelände, nachdem die Insolvenz gegen 15.30 Uhr auf einer Mitarbeiterversammlung bekannt gegeben wurde. Eine junge Frau weint, eine Kollegin streicht ihr tröstend über die Wange. Viele wollen die Insolvenz nicht kommentieren. „Wir haben schon genug gelitten die letzten Monate“, wehrt eine Mitarbeiterin in einem roten Pullover ab. Eine Kollegin, die jahrelang in der Qualitätssicherung arbeitete, trägt die Nachricht von der Insolvenz mit Fassung und gibt sich betont sachlich. „Es war richtig, dass der Arbeitskampf so hart geführt wurde“, sagt sie mit Blick auf die letzten vier Monate. Aber schließlich gewinne der, „der am längeren Hebel sitzt“, meint sie und atmet dabei schwer. Natürlich werde sie sich jetzt nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen, sagt sie und verlässt das Firmengelände Richtung Straßenbahn. Dort startet gerade Steffen Sauer aus der Logistik sein Motorrad. 16 Jahre lang war er Staplerfahrer bei Neckermann. Von der Insolvenz wolle er sich jedoch nicht beeindrucken lassen. „Ich hatte immer Arbeit“, sagt der gelernte Schreiner und IT-Techniker. Auf der Suche nach einem Job würde er erstmal alles nehmen, sich „zur Not auch wieder selbstständig machen“. Seinen Optimismus lasse er sich nicht verderben. Und auch die Kollegin im roten Pulli dreht sich noch mal um und sagt: „Es gibt auch noch schöne Seiten im Leben. Ich gehe jetzt erstmal zu meiner Verabredung. Wir wollen ein Bier trinken.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)