Ehingen (dapd). Für Lars und Meike Schlecker, Kinder des Drogeriemarktgründers Anton Schlecker, gibt es nach eigenen Worten kein Zurück in die Normalität. „Die Firma war für uns alle Lebensinhalt – und da ist jetzt erst einmal ein großes Nichts“, ließen sie am Freitag in einer persönlichen Erklärung verbreiten. Für ihre Mutter und ihren Vater sei ihr Lebenswerk komplett zusammengebrochen. „Aber auch wir Kinder liegen oft wach und grübeln“, schreiben sie weiter. Mit der Erklärung wehren sie sich auch gegen Berichte, wonach sie noch über ein hohes Millionenvermögen verfügen. Sie wollten richtigstellen, „dass wir in den vergangenen Jahren und durch die Insolvenz ebenfalls das Allermeiste verloren haben und die kursierenden Angaben merklich über der Wirklichkeit liegen“, heißt es in dem Schreiben. Dennoch bleibe der Familie genug Geld, um sich gegenseitig zu stützen. „Unsere Mutter hat mit unserem Vater Gütertrennung vereinbart und auch wir … verfügen über ein eigenes Vermögen“, heißt es weiter. Ihr Vater habe vom Sportwagen bis zur Uhr alles abgeben müssen. „Wir unterstützen ihn mit unseren eigenen Mitteln, die wir rechtmäßig besitzen, denn Sippenhaft gibt es im deutschen Recht nicht.“ Sowohl Lars als auch Meike Schlecker hätten jeweils rund 49 Millionen Euro als private Einlagen in die Firma des Vaters einfließen lassen. Über ihre Dienstleistungsgesellschaft LDG, die als zentralen Kunden Schlecker hatte, hätten sie die Drogeriemarktkette mit rund 64 Millionen Euro unterstützt. Auch dieses Geld werden sie wohl nicht wiedersehen. Inzwischen hat auch die Dienstleistungsgesellschaft selbst Insolvenz angemeldet. Noch tiefer wollten sie ihr Vermögen aber nicht offenlegen, da dies ihre Privatsache sei. Einem Bericht des „Handelsblatt“ zufolge besitzt die Schlecker-Familie nach der Insolvenz noch 35 bis 40 Millionen Euro Privatvermögen. Das Geld sei zum größten Teil im Besitz der Kinder, sagten ehemalige Manager des Unternehmens dem Blatt. Noch vor drei Jahren soll das Vermögen der Familie fast drei Milliarden Euro betragen haben. „Wir wollen nicht jammern“, versicherten die Geschwister. Sie dankten den Schlecker-Mitarbeiterinnen für ihr Engagement. Schlecker habe über viele Jahre einer großen Zahl von Menschen sichere Arbeitsplätze, im Vergleich mit dem Wettbewerb überdurchschnittlich viele Vollzeitstellen, seit 2010 die weitreichendsten Tarifverträge der Branche und damit ein gutes Auskommen geboten. „Das ist uns zuletzt nicht mehr gelungen und das tut uns am meisten leid“, schreiben sie. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz habe einen guten Job gemacht. „Aus unserer Sicht hat der Insolvenzverwalter sehr engagiert gekämpft.“ Die Verhandlungen mit „den hoch und ernsthaft interessierten Investoren“ seien schließlich gescheitert „wegen der nicht vorhandenen Möglichkeit, die Personalkosten signifikant zu senken und dann am nicht Zustandekommen der Transfergesellschaft“. Geiwitz hatte einen zeitweisen Lohnverzicht von 15 Prozent von den Beschäftigten gefordert, die Gewerkschaft ver.di bot dagegen 10,5 Prozent an. Mit der Transfergesellschaft sollten entlassene Schlecker-Mitarbeiter weitervermittelt und Kündigungsschutzklagen vermieden werden. Nachdem sie am Veto der FDP scheiterte, klagen mittlerweile über 4.500 ehemalige Beschäftigte gegen ihre Kündigung. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
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Commerzbank droht Ärger wegen Verkauf von Griechen-Bonds an Anleger
Frankfurt/Main (dapd). Anlegeranwälte erheben schwere Vorwürfe gegen die Commerzbank im Zusammenhang mit Geschäften mit griechischen Staatsanleihen. Die Bank habe mehreren Kanzleien zufolge auch 2011 noch griechische Staatsanleihen an Privatanleger verkauft, obwohl sie zugleich den eigenen Bestand an Hellas-Bonds abbaute, berichtete die „Frankfurter Rundschau“ (Freitagausgabe). „Die Papiere waren für Privatanleger nicht mehr geeignet“, sagte der Hamburger Anwalt Peter Hahn dem Blatt. Nun solle geprüft werden, ob das eine Falschberatung gewesen sei. Einem seiner Mandanten seien im April 2011 griechische Papiere verkauft worden, die 2012 auslaufen, sagte Hahn weiter. „Der Kunde wusste nicht, dass es zu einem Totalverlust kommen kann.“ Wie viele Anleger betroffen sind, könnten Anwälte noch nicht absehen. Der Kieler Anwalt Helge Petersen betreue aber nach eigenen Angaben allein 20 Betroffene. „Unsere Ombudsleute haben eine Handvoll Fälle vorliegen“, heiße es dazu beim Deutschen Bankenverband. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Altmaier will für Energiewende nach deutschem Vorbild werben
Wiesbaden (dapd). Bundesumweltminister Peter Altmaier will am (morgigen) Freitag in seiner Rede auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel für eine Energiewende nach deutschem Vorbild werben. Die deutsche Energiewende sei ein gutes Beispiel für die von der Konferenz geforderte Green Economy, sagte der CDU-Politiker dem Radiosender hr-info. „Ich will deutlich machen, es geht nicht um den alten Gegensatz zwischen Wirtschaft und Umwelt, sondern Wirtschaftswachstum ist auf Dauer nur möglich, wenn auch die Umwelt geschont wird“, sagte er. Altmaier sagte, grundsätzlich sei er mit den Ergebnissen des Gipfels zufrieden. „Wir sollten das nicht schlecht reden“, sagte er. Zum ersten Mal werde die „Green Economy für alle Länder der Welt als anzustrebendes Ziel formuliert“. Das habe es in der Form bisher nicht gegeben. Allerdings räumte Altmaier auch ein: „Ich hätte mir noch ein paar Schritte mehr gewünscht, ganz konkret, aber das war leider nicht möglich.“ dapd (Politik/Politik)
Grüne bringen Kritik an EM-Ausrichterland Ukraine in den Bundestag
Braunschweig (dapd). Die umstrittene Rolle der Ukraine als Ausrichterland der Fußball-Europameisterschaft wird noch in der kommenden Woche zum Thema im Bundestag. Die Grünen werfen der ukrainischen Regierung eine „Verschärfung der innenpolitischen Lage im Windschatten der EM“ vor und fordern die Bundesregierung auf, als Konsequenz strengere Vergabekriterien für große Sportveranstaltungen durchzusetzen – eine internationale Konvention soll für die Einhaltung von Menschenrechten sorgen. Die Regierung in Kiew habe die EM nicht zu einer Öffnung genutzt und auch die Situation der politischen Gefangenen nicht verbessert, sagte die sportpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Viola von Cramon, der „Braunschweiger Zeitung“ (Donnerstagausgabe). Stattdessen würden jetzt im Vorfeld der ukrainischen Parlamentswahlen Oppositionskandidaten mit absurden Gerichtsverfahren überzogen und teilweise ins Gefängnis gesteckt. „Es kommt zu einer innenpolitischen Verschärfung, weil die Öffentlichkeit nur auf die Sportereignisse schaut. Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Cramon. dapd (Politik/Politik)
Bundesbank-Chef Weidmann gegen Zugeständnisse an Griechenland
Hamburg (dapd). Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich gegen eine Aufweichung des griechischen Reformprogramms ausgesprochen. „Das wichtigste Signal wäre, dass in Griechenland diesmal die Reformen tatsächlich angegangen und die Verabredungen umgesetzt werden“, sagte er dem „Manager Magazin“ laut Vorabmeldung vom Mittwoch. In Europa dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Vereinbarungen „immer nur für die Hilfe leistenden, aber nicht für die Hilfe empfangenden Länder verbindlich sind“. Weidmann widersetzte sich auch Forderungen, die Europäische Zentralbank (EZB) solle erneut spanische und italienische Staatsanleihen kaufen, um die deutlich gestiegenen Zinsen zu senken. Es sei problematisch, dass die Geldpolitik Probleme „mit der Notenpresse lösen soll“, nur weil einzelne Mitgliedstaaten oder die Politik insgesamt nicht handeln wollten oder könnten, sagte er. „Die Notenbanken können und wollen nicht den Ausputzer spielen.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
DGB fordert neue Regeln gegen den Missbrauch von Werkverträgen
München (dapd). Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer verlangt von der Bundesregierung ein Einschreiten gegen neue Niedriglohnmodelle. Nach der Leiharbeit nutzten die Arbeitgeber das nächste gesetzliche Schlupfloch, sagte Sommer der „Süddeutschen Zeitung“. „Das sind die Werkverträge und Scheinselbstständigkeit“, sagte er. Zu viele Arbeitgeber zeigten eine erstaunliche Kreativität beim Erfinden neuer Billiglohnmodelle. Sommer sagte, dies gehe auch zulasten der Stammbeschäftigten. „Sie werden immens unter Druck gesetzt, auch zu niedrigeren Löhnen zu arbeiten oder mehr zu leisten, damit ihre Arbeitsplätze nicht an Werkvertragsnehmer vergeben werden“, kritisierte der DGB-Chef. Die wenigen gesetzlichen Regelungen reichten nicht aus und würden in der Praxis selten oder nie überprüft. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dürfe das Problem nicht auf die lange Bank schieben. Das Blatt schrieb, die Bundesagentur für Arbeit führe keine Statistik darüber, wie viele Arbeitnehmer bundesweit bei einem Unternehmen beschäftigt sind, das Werkverträge ausführt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) habe aber ermittelt, dass 2011 mehr als 600.000 Menschen als freie Mitarbeiter über Werk- und Dienstverträge beschäftigt waren. Ihre Anzahl habe sich damit seit 2002 nahezu verdoppelt. Der Anteil der Betriebe, die freie Mitarbeiter einsetzen, sei in diesem Zeitraum von vier auf mehr als sieben Prozent gestiegen und liege jetzt bei 150.000. Die Arbeitsmarktforscher hielten diese Zahlen aber nicht für vollständig, da die befragten Betriebe nicht wissen könnten, wie viele Beschäftigte ein beauftragtes Werkunternehmen einsetzt. Sommer sagte, die Gewerkschaften lehnten Werkverträge nicht generell ab, wenn sie für Arbeiten vergeben würden, die einmalig oder nur ab und zu anfielen, sodass sich eigenes Personal nicht lohnt. Wenn aber Werkvertragsbeschäftigte „gemeinsam mit der Stammbelegschaft arbeiten, dieselben Arbeitsmittel benutzen oder Anweisungen vom selben Vorarbeiter entgegennehmen, dann ist der Verdacht begründet, dass es sich um verschleierte Leiharbeit handelt“, sagte er. Nötig seien daher mehr wirksame Kontrollen und mehr Rechte für die Betriebsräte, um diesen Missbrauch unterbinden zu können. Ein gesetzlicher Mindestlohn könne die schlimmsten „Dumpingauswüchse“ eindämmen, das Problem allein aber nicht lösen. dapd (Politik/Politik)
Barroso weist Verantwortung für Gerüchte um Euro-Bills von sich
Los Cabos (dapd). Die EU-Kommission will für die in Brüssel kursierenden Gerüchte um die Einführung sogenannter Euro-Bills nicht verantwortlich sein. „Wir stecken nicht hinter dem Vorschlag“, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu Medienberichten über gemeinsame europäische Anleihen mit begrenzter Laufzeit und Haftungssumme. Am Rande des G20-Gipfels in Los Cabos gab er sich am Montag vielmehr ahnungslos: „Wir haben so etwas nie erwähnt, das sind Spekulationen.“ Bislang hatte sich Barroso stets für Euro-Bonds ausgesprochen – also Staatsanleihen, die gemeinsam von den Euro-Ländern ausgegeben werden. Falls es eine Vergemeinschaftung von Schulden geben werde, bedeute dies jedenfalls „keinen Freifahrtschein für zusätzliche Ausgaben“, betonte der Portugiese. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ geschrieben, in den Brüsseler EU-Institutionen werde an einem neuen Modell für gemeinsame europäische Schuldanleihen gearbeitet. Demnach dürfte sich jeder Staat nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz seiner Wirtschaftsleistung mittels Euro-Bills finanzieren. Wer die damit verbundenen Haushaltsregeln nicht einhalte, werde im Folgejahr vom Handel mit den Papieren ausgeschlossen. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Altmaier schraubt Erwartungen an Rio-Gipfel herunter
Rio de Janeiro/Berlin (dapd). Bundesumweltminister Peter Altmaier hat die Erwartungen an den Nachhaltigkeits-Gipfel in Rio de Janeiro heruntergeschraubt. „Ich glaube, dass wir dann einen Erfolg erreichen, wenn die politische Botschaft nach Rio ist, es geht in die richtige Richtung“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Rio. Der neueste Entwurf der brasilianischen Präsidentschaft spiegele zwar „die gute Verhandlungsführung der Europäer“ wider. Allerdings sei man „noch weit entfernt von dem, was ich als Erfolg bezeichnen würde“. Bis zum letzten Augenblick müsse jedoch versucht werden, etwas zu erreichen. 20 Jahre nach dem Erdgipfel in Rio de Janeiro findet in der brasilianischen Metropole von Mittwoch bis Freitag dieser Woche der Nachhaltigkeits-Gipfel der Vereinten Nationen statt. Vertreter aus aller Welt verhandeln darüber, wie die Weltwirtschaft ökologischer gestaltet werden kann sowie über Veränderungen der Institutionen unter dem Dach der Vereinten Nationen. Außerdem wird über Nachhaltigkeitsziele beraten, die die bestehenden Entwicklungsziele ergänzen sollen. Im Jahr 2000 hatte die UN-Vollversammlung als Oberziel beschlossen, die Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren. Seite Mitte vergangener Woche laufen Vorverhandlungen für den eigentlichen Gipfel. Am Sonntag hatten die Brasilianer die Verhandlungsführung übernommen und einen Entwurf für eine Abschlusserklärung vorgelegt, woraufhin die Verhandlungen in vier Arbeitsgruppen zu den Themen institutionelle Veränderungen, Mittel zur Umsetzung, Ozeane und Nachhaltigkeitsziele fortgesetzt wurden. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel plädierte dafür, Ziele für nachhaltige Finanzsysteme und dauerhafte Sicherheit zu verankern. „Das sind Themen, die im Jahr 2000, als die sogenannten Millenniumsziele beschlossen wurden, noch gar nicht auf der Tagesordnung standen“, sagte der FDP-Politiker, der am Dienstag ebenfalls in Rio eintreffen wird, der Nachrichtenagentur dapd. Das Bekenntnis zu neuen Zielen könnte zudem für Fortschritt sorgen, „weil sie sich nicht nur auf Entwicklungs- und Schwellenländer beziehen, sondern auch die Industrieländer in die Pflicht nehmen“. Niebel verwies zudem auf die Chancen ökologischen Wirtschaftens. „Umweltschutz und Entwicklung sind gar nicht mehr voneinander zu trennen“, betonte der FDP-Politiker. Moderne Technik und Know-how könnten zu Wohlstandsgewinnen führen, „die mit den klassischen, traditionellen Wegen so schnell nicht zu erreichen wären“. Zugleich machte er aber auch deutlich, dass es bei der Konferenz nicht vorrangig um finanzielle Hilfen gehe. „Für den Umbau hin zu einer ökologischen Wirtschaft bedarf es nicht nur der staatlichen Unterstützung der Industrieländer, sondern es bedarf insbesondere des Know-hows, der Expertise und des Kapitals der Privatwirtschaft“, betonte Niebel. Auch Altmaier äußerte sich skeptisch hinsichtlich neuer finanzieller Versprechen, mahnt allerdings zunächst die Einhaltung alter Versprechen an. „Wir können nicht immer alle Probleme mit neuen Fonds lösen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Mittel zur Verfügung stehen.“ Er verwies auf das Beispiel des Grünen Klimafonds und machte deutlich, dass er nicht zufrieden mit dessen Umsetzung innerhalb der EU sei. Der Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, warnte davor, die Umsetzung des Prinzips des Grünen Wirtschaftens allein den Märkten zu überlassen. „Der Markt allein stellt nicht sicher, dass Natur erhalten bleibt“, sagte Steiner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Diese Haltung führe die Welt vielmehr in eine Sackgasse. Gerade weil Angebot und Nachfrage nicht erfassten, was die Ökosysteme leisteten, seien ordnungspolitische Ansätze notwendig. Zugleich bedauerte Steiner, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht an der Konferenz teilnehmen wird. „Die Enttäuschung ist bei vielen Ländern groß. Denn Frau Merkel genießt international großen Respekt“, sagte Steiner. Überdies spiele Deutschland eine wichtige Rolle bei diesen Verhandlungen. „Daher bin ich sicher nicht der Einzige, der ihre Abwesenheit in Rio bedauert.“ Merkel nimmt derzeit am G20-Gipfel im mexikanischen Los Cabos teil und wird anschließend wieder in Deutschland zurück erwartet. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Mehr Zeit für Athen?
Berlin (dapd). Nach der Parlamentswahl in Griechenland fordert die Bundesregierung von Athen ein klares Bekenntnis zum vereinbarten Sparkurs. Auch Außenminister Guido Westerwelle sagte am Montag, die Reformen müssten ohne Abstriche weitergeführt werden. Der FDP-Politiker signalisierte aber – ebenso wie SPD und Grüne – Bereitschaft, dass die einzelnen Schritte nach dem Stillstand im Wahlkampf zeitlich gestreckt werden könnten. Die Äußerung Westerwelles stieß bei Unions- und FDP-Politikern umgehend auf scharfe Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte dem Vorsitzenden der Partei Neue Demokratie, Antonis Samaras, noch am Sonntagabend zum Wahlsieg und betonte, sie gehe davon aus, dass das Land sich an seine europäischen Verpflichtungen halte. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erklärte in Washington: „Es kann keine Rabatte auf Reformen geben.“ Auch Westerwelle betonte, die „Substanz der Reformen ist nicht verhandelbar“. Im Deutschlandfunk fügte er aber hinzu: „Wir sind bereit, darüber zu reden, was den Zeitplan angeht, denn die verlorenen Wochen, die kann man nicht ignorieren, und wir wollen ja nicht, dass die Menschen darunter leiden, die jetzt auch natürlich ein ganz schwieriges Leben haben, weil viele Reformen in der Vergangenheit unterlassen worden sind.“ Der Wirtschaftsrat der CDU lehnte dagegen zeitliche Streckungen von Reformmaßnahmen in Griechenland ab. Das sei Augenwischerei und würde im Ergebnis nur teuer, sagte der Präsident des Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, im Deutschlandradio Kultur. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch äußerte sich im Interview mit „Handelsblatt Online“ empört. Westerwelle dürfe FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und der Bundeskanzlerin, „die bisher stets auf strikte Vertragseinhaltung gepocht haben, mit seinem unbegründeten Nachgeben nicht in den Rücken fallen“. Ähnlich äußerte sich der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. Unabhängig vom Wahlausgang müsse der Euro-Club glaubhaft bleiben: „Wenn dies erneut durch eine zeitliche Streckung aufgeweicht wird, dann machen sich die Geldgeber lächerlich.“ Schäffler fügte hinzu: „Griechenland hat die Troika-Maßnahmen nicht umgesetzt, daher darf die nächste Tranche über 31,2 Milliarden Euro Ende Juni nicht bewilligt werden.“ Vize-Regierungssprecher Georg Streiter sagte in Berlin: „Es ist jetzt nicht die Zeit für irgendwelche Rabatte.“ Es gelte, was vereinbart worden sei. Zunächst müsse in Athen eine stabile Regierung gebildet werden. „Entscheidend“ sei dann, „dass die Troika sich davon überzeugen kann, dass Griechenland seine Verpflichtungen einhält“. Die vereinbarten Reformen müssten ohne Abstriche umgesetzt werden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte in München, es dürfe nicht einmal der „Hauch eines Anscheins“ entstehen, dass auf den Stabilitätskurs Athens kein Verlass sei. Sonst bleibe nur ein Weg – und zwar, dass Griechenland „raus aus der Euro-Zone“ müsse. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnte inhaltliche und zeitliche Zugeständnisse der EU ebenfalls ab. „Die Eurostaaten sind Griechenland bei den Konditionen für europäische Hilfen bereits weit entgegengekommen“, sagte Hasselfeldt der „Rheinischen Post“. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, forderte, dass die EU Griechenland nun entgegenkommen und dem Land mehr Zeit für die Rückzahlung der Kredite geben müsse. Bestimmte Raten seien bis Oktober vereinbart, „von denen jeder weiß, dass das Geld nicht da ist“. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte kürzlich einem Vorschlag von Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker beigepflichtet, die Auflagen für Griechenland zwar beizubehalten, aber deutlich mehr Zeit für die Umsetzung zu geben, um das Land wieder zu stabilisieren. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte ebenfalls, es mache Sinn, dem Land „auf der Zeitachse“ entgegenzukommen. Mit der Wahl in Griechenland seien die Probleme dort nicht verschwunden: „Nichts ist gelöst – ganz im Gegenteil.“ Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, Griechenland habe sich für Europa entschieden. „Das schafft nun Raum und Zeit, damit Griechenland aus der Krise kommt. “ Nun werde es sicherlich auch Gespräche darüber geben, das Land genauso zu behandeln wie Spanien, und den Griechen mehr Zeit zu geben, damit sie ihre Ziele erreichen. dapd (Politik/Politik)
Anwalt von Buback-Bruder fordert lebenslange Haft für Becker
Stuttgart (dapd). Wegen Mittäterschaft beim Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback hat der Anwalt des Bruders des Opfers eine lebenslange Haftstrafe für die frühere RAF-Terroristin Verena Becker beantragt. Aufgrund einer Vielzahl von Indizien „ist eine Verurteilung wegen Mittäterschaft möglich und nötig“, sagte Matthias Rätzlaff am Montag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Zudem kritisierte er die Justiz und die Bundesregierung scharf. Die Bundesanwaltschaft wehrte sich gegen die Vorwürfe der Nebenklage. In dem Prozess treten der Bruder und der Sohn des 1977 erschossenen Generalbundesanwalts als Nebenkläger auf. Rätzlaff sagte, die Indizien sprächen sehr dafür, dass Becker auf dem Motorrad gesessen und von dort auf den Generalbundesanwalt geschossen habe. Auch wenn das Gericht dieser Auffassung nicht folgen sollte, müsse Becker trotzdem wegen Mittäterschaft verurteilt werden. Denn sie habe sich „mit Vehemenz“ für die Ermordung eingesetzt und die Linie der in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen „eins zu eins“ umsetzen wollen. Mit der von Rätzlaff geforderten Verurteilung wegen Mittäterschaft widerspricht nun ein weiterer Nebenkläger der Position der Bundesanwaltschaft. Diese ist zwar überzeugt, dass sich Becker bei Vorbereitungstreffen entschieden für das Attentat eingesetzt habe. Die Todesschützin sei die heute 59-Jährige aber nicht gewesen, ist sich die Behörde sicher. Die Anklage fordert wegen Beihilfe zum Mord eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren. Sie rückte damit von ihrem ursprünglichen Anklagevorwurf der Mittäterschaft ab. Auch Nebenkläger Michael Buback, der Sohn des Ermordeten, hält Becker im Gegensatz zur Anklage für die Todesschützin. Eine Strafe hatte er für sie in seinem zweitägigen Schlussvortrag aber nicht gefordert. Er begründete dies damit, dass der wahre Tatbeitrag Beckers wegen „schwerster Ermittlungsfehler“ nicht habe aufgeklärt werden können. Zudem vertritt er die These, dass der Verfassungsschutz die frühere Terroristin vor einer Strafverfolgung geschützt habe. In seinem Plädoyer kritisierte Rätzlaff die Bundesregierung scharf. „Auch die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Chance nicht genutzt, einen Dreifachmord aufzuklären“, sagte der Nebenklagevertreter. Er verwies darauf, dass das Bundesinnenministerium teilweise die Einsicht von wichtigen Unterlagen des Verfassungsschutzes verboten habe. Auch habe das Ministerium untersagt, dass ein früherer Kronzeuge in dem Prozess aussage. Der Anwalt sagte weiter: „Man kann sich die Frage stellen: Was soll vertuscht werden?“ Rätzlaff sprach auch angebliche Pannen bei den Ermittlungen an. Bundesanwalt Walter Hemberger sagte nach dem Plädoyer: „Man sollte vorsichtig sein, solche Vorwürfe zu erheben.“ Es seien alle Geheimdienstunterlagen zur Verfügung gestellt worden, lediglich Namen seien geschwärzt worden. Der fragliche Kronzeuge hätte nicht zur Aufklärung des Verbrechens beitragen können, versicherte Hemberger. Bereits am Freitag hatte Hemberger die Nebenklage gerügt. Nach dem Plädoyer von Michael Buback sagte der Bundesanwalt, dessen Vorwürfe seien eine „durch nichts zu rechtfertigende Unverfrorenheit“. „Jedes weitere Wort ist der Vortrag des Nebenklägers nicht wert“, fügte er hinzu. Buback hatte zuvor stundenlang über „unfassbare Pannen“ bei den Ermittlungen und die angeblich „schützende Hand“ des Verfassungsschutzes gesprochen. Der Prozess soll am 26. Juni mit dem Plädoyer der Becker-Verteidiger fortgesetzt werden. Anders als zunächst geplant, wollen sie nur an einem und nicht an zwei Tagen plädieren. Ein Urteil wird dann voraussichtlich am 6. Juli gesprochen. dapd (Politik/Politik)