Immer mehr behinderte Kinder lernen an Regelschulen

Immer mehr behinderte Kinder lernen an Regelschulen Berlin (dapd). In Deutschland lernen immer mehr Kinder mit Behinderungen und Lernstörungen an Regelschulen: In allen 16 Bundesländern stieg zuletzt der Anteil der förderbedürftigen Schüler, die gemeinsam mit nicht beeinträchtigten Altersgenossen unterrichtet werden. Das geht aus einer Länderumfrage der Nachrichtenagentur dapd hervor. Dem Anstieg zum Trotz rügte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), Deutschland sei nach wie vor „Weltmeister im Aussortieren“. Vor rund dreieinhalb Jahren hat die Bundesregierung die UN-Behindertenrechtekonvention unterzeichnet – das Papier sichert Menschen mit Behinderungen unter anderem das Recht zu, nicht vom normalem Schulunterricht ausgeschlossen zu werden. Spätestens seitdem sind auch die Bundesländer gehalten, den gemeinsamen Unterricht von Menschen mit und ohne Behinderung, das sogenannte „inklusive Lernen“, zu ermöglichen. Die Fortschritte in diesen Bestrebungen unterscheiden sich allerdings stark. Schleswig-Holstein an der Spitze So lernten in Schleswig-Holstein der dapd-Umfrage zufolge im vergangenen Schuljahr 57,1 Prozent der Schüler mit Behinderungen oder Lernstörungen an Regelschulen; in Berlin tut das aktuell rund die Hälfte von ihnen. Andere Länder könnten nachziehen. Bremen hat bereits die Abschaffung der Förderschulen beschlossen, in Niedersachsen soll bis zum Sommer 2013 die „inklusive Schule“ verbindlich eingeführt werden. In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Rheinland-Pfalz werden hingegen nur 21 bis 23 Prozent der förderbedürftigen Schüler an Regelschulen unterrichtet. Zu beachten ist allerdings, dass diese Zahlen teils auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen basieren. Ein Trend lässt sich dennoch verallgemeinern: In allen 16 Bundesländern ist der Anteil dieser „inklusiv“ unterrichteten Schüler in den letzten Jahren gestiegen. Besonders sprunghaft unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern: Dort stieg der Prozentsatz binnen zehn Jahren von fünf auf immerhin 27 Prozent. In Hamburg stieg der Anteil innerhalb eines Schuljahres um 11,8 Prozentpunkte. Deutschland „Weltmeister im Aussortieren“ Die positive Tendenz ist allerdings getrübt: Denn gleichzeitig mit der Zahl der an Regelschulen unterrichteten Schüler mit Behinderung stieg laut Bundesbildungsbericht 2012 in den meisten Bundesländern auch die Gesamtzahl der als behindert oder förderbedürftig klassifizierten Kinder. Im Ergebnis ist – allgemein sinkenden Schülerzahlen zum Trotz – die Zahl der an Förderschulen eingeschriebenen Kinder sogar gestiegen, wie Hüppe im Gespräch mit dapd betonte. Deutschland stehe in Sachen Inklusion nach wie vor „ganz am Anfang des Weges“, sagte er. Die Vorsitzende der Expertenkreises Inklusive Bildung der Deutschen Unesco-Kommission, Ute Erdsiek-Rave, bemängelte in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland von den Jugendlichen ohne Abschluss mehr als die Hälfte aus den Förderschulen komme. „Auch angesichts der Folgekosten und des demografischen Wandels ist das aktuelle System nicht mehr vertretbar“, sagte die ehemalige schleswig-holsteinische Bildungsministerin der dapd. Abkehr von der Förderschule Die Bemühungen zu einer Änderung der Lage seien in Deutschland noch nicht ausreichend, sagte die ehemalige schleswig-holsteinische Bildungsministerin der dapd. „Die vielen Eltern, die immer wieder um einen Schulplatz in einer allgemeinen Schule kämpfen müssen, können ein Lied davon singen“, fügte Erdsiek-Rave hinzu. Hüppe forderte eine Abkehr von der Förderschule. Die Sonderpädagogen, aber auch finanzielle Mittel müssten „den Kindern folgen, und für den inklusiven Unterricht an den Regelschulen verwendet werden“. Um die Lage zu verbessern, müsse man „auch bereit sein, einmal eine Förderschule zu schließen“, sagte er. dapd (Politik/Politik)

Lehrerverband warnt vor zu schneller Inklusion

Lehrerverband warnt vor zu schneller Inklusion Erfurt (dapd-lth). Die Einführung des gemeinsamen Lernens von Kindern mit und ohne Behinderung wird Behinderten- und Lehrerverbänden zufolge in Thüringen derzeit zu schnell vorangetrieben. „Die Idee ist gut, aber das Ministerium darf nicht mit der Brechstange vorgehen und Eltern und Lehrer gegen sich aufbringen“, sagte der Vorsitzende des Thüringer Lehrerverbands, Rolf Busch, der Nachrichtenagentur dapd in Erfurt. Die Bedingungen müssten langsam geschaffen werden, ohne zu viel Druck aufzubauen. Vor allem Grund- und Regelschulen seien teils überfordert. Größtes Problem seien verhaltensauffällige Schüler, die nur mit großem personellen Aufwand in den normalen Schulalltag integriert werden könnten, hieß es. Derzeit fehle es an vielen Schulen an ausreichend geschultem Personal, Lehrer würden oft nicht gut genug auf die Anforderungen vorbereitet. Außerdem fehlten vielerorts eigene Räume für die individuelle Förderung. Notwendig sei die grundsätzliche Einführung eines Zwei-Pädagogen-Systems aus einem Lehrer und einem Sozialpädagogen für jede Klasse. Auch der Thüringer Landesverband der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung fordert die Einführung dieser Unterrichtsform. Zudem mangele es grundsätzlich an einheitlichen Rahmenbedingungen, sagte die Lebenshilfe-Fachberaterin Gisela Schröter. Die Lage sei in den verschiedenen Regionen Thüringens völlig unterschiedlich. Integrationsquote hat sich seit 2007 mehr als verdoppelt Die Integrationsquote ist in Thüringen seit dem Schuljahr 2007/2008 von 15,7 auf derzeit 32,3 Prozent gestiegen. Das Kultusministerium will die Integration in den kommenden Jahren vorantreiben. Die Förderschulen würden nicht abgeschafft, allerdings habe bei der Einschätzung von Schülern der gemeinsame Unterricht Vorrang, sagte ein Ministeriumssprecher. Derzeit sei die Lage sowohl in Hinblick auf Personal als auch auf Räumlichkeiten gut. Die Kritik der Verbände ließe sich „durch Zahlen nicht belegen“. Weil die Klassen an Förderschulen durch die Versetzung von immer mehr Kindern an andere Schulformen kleiner würden, könnten viele Sonderpädagogen ebenfalls dorthin wechseln. Die Pläne des Ministeriums sehen für jede Schule eine „halbe“ Vollzeit-Sonderpädagogenstelle vor. Bei zusätzlichem Bedarf könnten weitere Pädagogen angefordert werden. Das Personal sei dafür ausreichend. Die Region mit der besten Integrationsquote in Thüringen ist nach Angaben des Kultusministeriums Jena. Dort liege die Quote momentan bei 60 Prozent. Nachholbedarf gibt es vor alle in ländlichen Regionen. Der Großteil des gemeinsamen Unterrichts findet dem Kultusministerium zufolge in Grund- und Regelschulen statt. Rund 3.300 der aktuell knapp 3.800 Schüler mit Behinderung im gemeinsamen Unterricht besuchen diese Schulformen. Weitere rund 8.000 Schüler lernen an Förderschulen. Gymnasien sind Schlusslichter beim gemeinsamen Unterricht Kritiker sehen die aktuelle Lage jedoch nicht als befriedigend an. So warnt auch der Sozialverband VdK vor Qualitätsproblemen bei der Förderung von Schülern mit Behinderung. Lehrer seien oft nicht gut und ausreichend geschult, sagte ein Sprecher des VdK Hessen-Thüringen. Hinzu komme, dass besonders die Regelschulen keineswegs mit genügend geeignetem Personal ausgestattet seien. Viele Regelschulen drohten, zu „Bildungsstätten zweiter Klasse“ zu verkommen. In anderen Schulformen wie Gymnasien gebe es eine Einbeziehung behinderter Kinder derzeit zudem nur auf dem Papier, hieß es. An den Gymnasien im Freistaat werden laut Kultusministerium momentan lediglich 137 Kinder mit Behinderung unterrichtet. dapd (Politik/Politik)

P+S Werften schicken 1440 Mitarbeiter in Transfergesellschaft

P+S Werften schicken 1440 Mitarbeiter in Transfergesellschaft Stralsund/Wolgast (dapd). Nach bislang erfolglosen Verhandlungen zur Privatisierung der insolventen P+S Werften in Stralsund und Wolgast soll ein Großteil der 1.750 Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft wechseln. Sieben Wochen nach der Pleite des Unternehmens kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann am Freitag entsprechende Angebote für mehr als 80 Prozent der Beschäftigten an. Besonders betroffen ist die Belegschaft der Volkswerft Stralsund, die bislang weitgehend erfolglos mit Kunden über die Abarbeitung bestehender Altaufträge verhandelte. Vertreter der Gewerkschaften gehen inzwischen davon aus, dass langfristig nicht mehr alle Arbeitsplätze erhalten werden können. Für die Peene-Werft Wolgast soll es einen viel versprechenden Investor geben. Insgesamt sollen 1.440 Mitarbeiter in die Transfergesellschaft gehen. Weil in der Peene-Werft Wolgast noch Reparaturaufträge bis April 2013 vorliegen, will Insolvenzverwalter Brinkmann zunächst nur 110 der 490 Mitarbeiter in die Transfergesellschaft schicken. Zeitlich gestaffelt sollen bis Mai 2013 weitere Beschäftigte folgen. Für den Bau von zwei Schiffen für die schwedische Küstenwache stehe eine Einigung mit dem Auftraggeber kurz vor dem Abschluss, sagte Brinkmann. Die Zukunft der ehemaligen Rüstungswerft am Peenestrom sehe er optimistisch: „Ich bin mit dem bekundeten Interesse für die Peene-Werft in Wolgast sehr zufrieden.“ Verhandlungen sollten noch am Freitag fortgesetzt werden. Weiterbau mehrerer Schiffe bleibt unklar In der Volkswerft Stralsund sollen nach Ablauf der Insolvenzgeldfrist lediglich noch 100 Arbeiter und 100 Konstrukteure verbleiben. Den anderen 1.060 Beschäftigten wird ein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft unterbreitet. Vertriebs- und Marketing-Chef Axel Schulz sagte, die Verhandlungen mit Kunden und Zulieferern seien bislang an komplizierten rechtlichen Problemen gescheitert. Gegen die Kündigung der dänischen Reederei DFDS für zwei Spezialtransporter wolle man juristisch vorgehen, zugleich werde aber weiter verhandelt. Für die beiden fast fertiggestellten Ostseefähren für Scandlines seien umfangreiche technische Veränderungen erforderlich. „Derzeit prüfen Ingenieurbüros, ob wir das schaffen könnten“, sagte Schulz. Unklar sei auch, ob Brüssel eine Beihilfe für den Weiterbau eines Offshore-Konstruktionschiffs genehmigen werde. Bislang 30 Interessenbekundungen Nach Angaben des Kaufmännischen Leiters Stefan Säuberlich wird gegenwärtig mit der EU darüber verhandelt, ob die verbliebenen 82,4 Millionen Euro aus dem vom Land gestoppten Rettungsbeihilfepaket über insgesamt 152,4 Millionen Euro in ein Abwicklungsbeihilfepaket überführt werden können, um Restaufträge abarbeiten zu können. Nach Angaben des Insolvenzverwalters gibt es bislang 30 Interessenbekundungen für die Peene-Werft, die Volkswerft sowie beide Werften zusammen. Bis Ende Oktober sollen konkrete Angebote vorgelegt werden. Vertreter der Arbeitnehmer äußerten sich verhalten optimistisch. Der Bevollmächtigte der IG Metall Stralsund, Guido Fröschke, sagte, er gehe inzwischen „realistisch davon aus, dass langfristig nicht alle Arbeitsplätze gehalten werden können“. Plan A, nach dem mit einem neuen Investor möglichst alle Arbeitsverträge übernommen würden, sei gescheitert. Nun gelte Plan B mit einer inzwischen finanziell gesicherten Transfergesellschaft, der ein industriepolitisches Desaster in Vorpommern verhindern müsse. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Gewerkschaft befürchtet weitere Hängepartie für Opel-Beschäftigte

Gewerkschaft befürchtet weitere Hängepartie für Opel-Beschäftigte Essen (dapd). Die IG Metall rechnet nicht damit, sich mit der Führung des kriselnden Autoherstellers Opel bis Ende kommender Woche auf einen langfristigen Plan für die Zukunft der deutschen Werke zu einigen. „Ich sehe bis heute kein fertiges Konzept, das die Tarifkommission am kommenden Freitag überzeugen könnte,“ sagte der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Knut Giesler den Zeitungen der Essener „WAZ“-Gruppe (Freitagausgabe). Es gebe auch keine Signale dafür, dass zeitnah über die Zukunft des Bochumer Opel-Werks nach 2016 entschieden werde. Gewerkschaft und Opel-Management verhandeln seit Monaten über eine Zukunftsstrategie für die deutschen Standorte. Ursprünglich hatten sie sich den 26. Oktober als Frist für eine Einigung gesetzt. Für die drohende Hängepartie macht die IG Metall Konzeptlosigkeit bei der Firmenführung verantwortlich. „Wir reden mit einem Management ohne überzeugende Strategie“, sagte Giesler. „Es fehlen auf der Gegenseite die produktiven Ideen, wie es mit Arbeitsplätzen und Standorten bei Opel weitergehen soll.“ Die Tochter des US-Konzerns General Motors (GM) macht seit Jahren horrende Verluste, gegen die GM mit Stellenabbau ansteuert. Immer wieder ist auch eine Schließung des Bochumer Werks im Gespräch. „Doch so lange kein Schloss drauf ist, bleibt das Werk auf und es lohnt sich zu kämpfen“, erklärte Giesler. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Rose: Extremisten machen Stimmung gegen Sinti und Roma

Rose: Extremisten machen Stimmung gegen Sinti und Roma Heidelberg/Berlin (dapd-bwb). Die Sinti und Roma hoffen mit der offiziellen Eröffnung das Denkmals für die etwa 500.000 im Nationalsozialismus getöteten Angehörigen der Volksgruppe auf ein Ende der Feindlichkeiten. Der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd, er verbinde mit dem Denkmal in Berlin die Hoffnung, dass die gegen seine Volksgruppe gerichteten Vorurteile und Feindseligkeiten gesellschaftlich geächtet werden. Zudem sei die Auseinandersetzung mit der schmerzhaften Vergangenheit auch in der Gegenwart notwendig. Denn es seien vor allem die Rechtsextremisten in Europa, die eine antiziganistische Stimmung in den Ländern beförderten. „Nicht selten werden sie von demokratischen Politikern kopiert, die auf diese Weise Wähler aus dem rechten Lager ansprechen wollen“, monierte Rose. dapd (Politik/Politik)

Für Gauck ist bei Juristen die unabhängige Haltung entscheidend

Für Gauck ist bei Juristen die unabhängige Haltung entscheidend Karlsruhe (dapd-bwb). Als die schwarze Limousine mit dem Kennzeichen 0-1 am Donnerstagvormittag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorfährt und Bundespräsident Joachim Gauck aussteigt, ist die Konstellation klar: Hier trifft ein scharfer Kritiker des DDR-Unrechts auf die oberste Institution des deutschen Rechtsstaats. Da überrascht es nicht, dass Gaucks Lob für das Gericht fast überschwänglich ausfällt. Bei seiner Rede im Sitzungssaal des Verfassungsgerichts, wo vor gut einem Monat noch das Urteil zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM verkündet wurde, spart das Staatsoberhaupt nicht mit lobenden Worten für die Verfassungshüter. Sowohl zum ESM-Urteil, das befriedend gewirkt habe, noch zur Karlsruher Rechtsprechung insgesamt. „Ohne Bundesverfassungsgericht wäre unsere Verfassungsordnung unvollkommen“, sagt Gauck. Deshalb komme er mit großer Freude und tiefer Wertschätzung. In der DDR hätten die Bürger ihre Rechte nicht durchsetzen können. „Es gab keine Instanz, vor der Bürger gegen den sozialistischen Staat klagen konnten“, betont Gauck. Er verweist darauf, dass in der DDR neben dem Verfassungsgericht auch Verwaltungsgerichte fehlten. Deshalb werde er überall, wo es erforderlich sei, „daran erinnern, welch hoher Wert es ist, sein Recht auch gegen den Staat vor Gericht geltend machen zu können“. Unabhängige Gerichte – allein dem Recht verpflichtet, keiner Staatsführung, auch keiner Ideologie oder Idee – seien unverzichtbarer Teil eines Rechtsstaates, unterstreicht der 72-jährige Bundespräsident. Zentral sei dabei die innere unabhängige „Haltung“ der Juristen, die Rechtstreue der Bürger sowie der Richter, der Staatsanwälte, der Rechtsanwälte und der Verwaltungsbeamten. „Es ist ihr Ethos, das geltende Recht richtig anzuwenden“, sagt Gauck. Hier spricht auch der frühere evangelische Pfarrer Gauck, der von 1990 bis 2000 die Stasi-Unterlagenbehörde leitete. Zweimal habe man in der deutschen Geschichte erlebt, „wie Juristen zu Handlangern der herrschenden Macht wurden – wie Recht pervertiert wurde“, sagt Gauck weiter. Menschen aus Staaten, in denen das Rechtsbewusstsein weniger stark ausgeprägt ist, fragten nicht umsonst: „Warum werden Gebote und Verbote eigentlich befolgt?“ In der Bundesrepublik aber sei richterliche Kontrolle in über 60 Jahren selbstverständlich geworden. Gauck: „So krönt das Bundesverfassungsgericht unseren Rechtsstaat.“ Mit seiner Rechtsprechung stelle „das Gericht den Menschen in den Mittelpunkt und nicht mehr den Staat oder die Klasse, wie es oft genug verhängnisvoll in Deutschland geschehen ist“. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle würdigt Gauck in seinem Grußwort als „glühenden Verfechter der Freiheitsidee“. Mit gewissem Understatement sagt Voßkuhle, Bundespräsident und Verfassungsgericht seien als Verfassungsorgane „kleine bescheidene Institutionen“, deren Autorität letztlich auf der Kraft des Wortes beruhe. Am Nachmittag wollte Gauck, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt nach Karlsruhe gekommen war, noch ein weiteres Zeichen setzen – mit dem Besuch der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ im Rastatter Residenzschloss. dapd (Politik/Politik)

Kontrolleure fanden grüne Leber und Rattenkot bei Vinzenzmurr

Kontrolleure fanden grüne Leber und Rattenkot bei Vinzenzmurr München (dapd). Muffiger Braten, grünlich verfärbte Leber und Rattenkot unter der Wursttheke: Monate nach der Razzia von Lebensmittelprüfern bei der Münchner Großmetzgerei Vinzenzmurr ist das Ausmaß der Hygieneprobleme ans Licht gekommen. Grobe Mängel sind in einem Beschluss des Verwaltungsgerichts München dokumentiert, der auf dem Justizportal der bayerischen Staatsregierung einsehbar ist. Das Unternehmen bedauerte die Verstöße am Donnerstag. Die Stadt München bestätigte, dass inzwischen saubere Verhältnisse bei Vinzenzmurr herrschen. Das Papier des Gerichts liest sich wie ein Sündenregister; über die Zustände in einer Filiale heißt es zum Beispiel: „Der Fußboden war unter der Fleisch- und Wursttheke zum Teil millimeterhoch mit dunklen Belägen, Unrat, Lebensmittelresten, Spinnweben und Rattenkot verunreinigt.“ Beanstandet wurden mehrere eingelagerte Fleischvorräte, etwa Leber, „die stellenweise deutlich grünlich verfärbt war, alt, faulig und deutlich ranzig roch sowie faulig schmeckte“. Die Prüfer fanden ferner Schinkenwürfel, „die stechend, süßlich, ammoniakalisch und verdorben rochen sowie ammoniakalisch schmeckten“. Die Rede ist auch von muffigen Bratenstücken und beige-bräunlich verfärbter Lammhüfte. Auch in einem Kühlhaus wurden erhebliche Hygieneverstöße festgestellt. „Die Türe war mit einem schwarzen, schimmelähnlichen Belag verunreinigt“, heißt es in dem Dokument. Und weiter: „Die Rohrleitungen waren mit alten Lebensmittelresten verschmutzt.“ Die Kontrolleure hatten Ende März 2011 die Firmenzentrale und etwa zwei Dutzend Filialen von Vinzenzmurr inspiziert. Die Stadt München verhängte anschließend gegen 29 Filial- und Betriebsleiter des Unternehmens Bußgelder bis zu 4.800 Euro. Vinzenzmurr versuchte auf juristischem Weg, der Stadt München eine Information der Öffentlichkeit zu untersagen, verlor den Rechtsstreit aber vor dem Verwaltungsgericht. Über die im nun veröffentlichten Gerichtsbeschluss aufgelisteten Hygieneprobleme berichtete zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ (Donnerstagausgabe). Behörde: Vinzenzmurr hat dazugelernt Die Großmetzgerei, die auf ihrer Homepage mit der „Frische“ und „Qualität“ ihrer Produkte wirbt, räumte nach der Entscheidung Verstöße einzelner Mitarbeiter ein und akzeptierte die Bußgeldbescheide. Am Donnerstag teilte die Geschäftsführung mit: „Vinzenzmurr bedauert die Fälle aus der Vergangenheit außerordentlich.“ Unstrittig sei aber, dass die im Verkauf befindlichen Lebensmittel stets sicher gewesen seien. Das Münchner Kreisverwaltungsreferat bestätigt, dass „zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsgefahr für die Verbraucher bestand“. Das sagte Behördenleiter Wilfried Blume-Beyerle der Nachrichtenagentur dapd. Die für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Waren seien nicht in Umlauf gekommen. Blume-Beyerle betonte zudem, dass das Unternehmen „dazugelernt“ habe. Seit der Razzia im Frühjahr 2011 habe es mehr als 200 weitere Kontrollen bei Vinzenzmurr gegeben – ohne „wesentliche Beanstandungen“. Das Qualitätsmanagement sei etwa durch die Einstellung von Fachpersonal erheblich verbessert worden. Vinzenzmurr ist die mit Abstand größte Münchner Metzgerei mit mehr als 100 Filialen im Stadtgebiet. Außerhalb Münchens, vor allem in Südbayern, sind es nochmals mehr als 170 Filialen. Damit gehört das Familienunternehmen auch bundesweit zu den Branchengrößen. Zuletzt waren in Bayern häufiger Hygieneprobleme bei Großbäckereien bekanntgeworden. Der prominenteste Fall ist Müller-Brot: Das Unternehmen war infolge eines Hygieneskandals pleitegegangen. (Gerichtsbeschluss im Internet: http://url.dapd.de/nEWGcx ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Steinbrück spornt Merkel an

Steinbrück spornt Merkel an Berlin (dapd). Einfach ignorieren, diesen Kandidaten. Bitte ganz gelassen, lautet am Mittwoch das Motto auf der Regierungsbank bei der Bundestagsdebatte über den EU-Gipfel. Doch beim ersten parlamentarischen Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem nominierten SPD-Herausforderer gelingt es Peer Steinbrück dann schon noch, die schwarz-gelben Reihen zum Stöhnen zu bringen, mit einer Parallele zum Ende der Weimarer Republik. Aber auch die Kanzlerin überrascht in der Redeschlacht – nach lauem Start. Während Merkel ihre Regierungserklärung zum Europäischen Rat abgibt, sitzt Steinbrück in der ersten Oppositionsreihe und feilt noch an seiner Ansprache. Neben ihm twittert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier rutscht mit dem Stuhl hin und her. Was die Kanzlerin den Sozialdemokraten erzählt, das kommt ihnen bekannt vor. Es ist nicht einfach für die Genossen, Merkel in der Euro-Debatte zu stellen, schließlich haben sie ja alle Rettungsschirme mit aufgespannt. Merkel, der gelegentlich mangelnde Leidenschaft für die europäischen Idee nachgesagt wird, nutzt den Friedensnobelpreis an die EU für einen pathetischen Aufschlag. Diese Auszeichnung sei für sie „Ansporn und Verpflichtung, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen“, bekräftigt die Kanzlerin und betont: „Dieser Euro ist weit mehr als eine Währung.“ Freude über „Fuchtelos“ „Es gab und es gibt nicht die Lösung, den einen Befreiungsschlag“, fährt Merkel in gewohnt vorsichtiger Manie fort. „Auch der Gipfel heute oder morgen wird nicht der letzte sein, der sich mit der Krise befasst.“ Die Rede dümpelt ein wenig. Der Applaus bleibt pflichtschuldig, nur ein Scherz über den Parlamentarischen Staatssekretär und Griechenland-Beauftragten Hans-Joachim Fuchtel (CDU), der in Athen „Fuchtelos“ genannt werde, belebt die schwarz-gelben Bänke. Gabriel twittert gelassen: „Merkel definiert Europa als ‚Technologie, Talente und Toleranz‘. Ich finde Europa ist mehr: die Verbindung aus Freiheit und Verantwortung.“ Aufmerksam dürfte dann aber auch der SPD-Chef verfolgt haben, wie die 40-minütige Rede der Kanzlerin zum Ende hin doch noch an Fahrt gewann. Sie wünsche sich, dass Griechenland im Euroraum bleibt, sagt Merkel und stellt sich dann überraschend klar hinter den Vorschlag ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU), in der EU eine Art Oberkontrolleur für die Länderhaushalte einzuführen. Alle Widerstände könnten nichts daran ändern, „dass wir uns weiter dafür stark machen“. So deutlich hat man die Kanzlerin selten gehört. „Sie haben laviert“ „Warum haben sie ein solchen Bekenntnis nicht im Sommer 2010 abgegeben?“, legt SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück in seiner Entgegnung den Finger in die Wunde. Stattdessen habe Merkel über Monate das „Mobbing“ diverser Koalitionspolitiker gegen Griechenland zugelassen. „Sie haben sich nicht bekannt, Sie haben laviert“, ruft Steinbrück in Richtung Regierungstribüne. Die gibt sich stoisch. Mit ihrer „Doppelrolle“ in Berlin und Brüssel habe Merkel das Ansehen der Bundesrepublik bei den Nachbarn beschädigt. „Selten war Deutschland in Europa so isoliert wie heute“, analysiert Steinbrück und wünscht sich ein soziales Europa mit Chancen für alle: „Europa muss sich neu konstituieren, neu erklären.“ Schäuble stützt seinen Kopf auf die Hand, die anderen Ressortchefs lesen geschäftig ihre Akten, die Kanzlerin sitzt versteinert da, wechselt nur gelegentlich ein Wort mit ihrem Vize Philipp Rösler (FDP). Dann schlägt Steinbrück zu. Stabilität durch Sparen, das sei doch schon die „Torheit“ des konservativ-nationalen Reichskanzlers Heinrich Brüning von der Zentrumspartei gewesen. Damals, vor der Machtergreifung der Nazis, habe in der Weimarer Republik der „Hunger die Demokratie zerstört“. Ein starker Herausforderer Die Brüskierung klappt. Die schwarz-gelben Abgeordneten sind empört. „Steinbrück hat glänzende Rede gehalten: Kein Technokratengerede, sondern ein Aufbruch zu einem sozial gerechten Europa mit Chancen für alle“, twittert Gabriel zufrieden mit seinem Kandidaten. Auch wenn der ehemalige Finanzminister im zweiten Teil seiner Ansprache gelegentlich im professoralen Duktus versinkt, an diesem Mittwoch wird im Bundestag deutlich: Steinbrück ist in der Eurodebatte der erwartet starke Herausforderer der Kanzlerin. Mit Moderationsfloskeln allein wird die CDU-Chefin diesen Wahlkampf jedenfalls nicht bestehen können. dapd (Politik/Politik)

Bundesregierung erhöht Hilfe für syrische Flüchtlinge

Bundesregierung erhöht Hilfe für syrische Flüchtlinge Berlin (dapd). Deutschland hat seine Unterstützung für syrische Flüchtlinge um fünf Millionen Euro erhöht. Mit den zusätzlichen Mitteln wolle die Bundesregierung einen Beitrag zur Linderung der Not im herannahenden Winter leisten, teilte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag mit. „Wir müssen den Flüchtlingen und den Nachbarländern, die sie so selbstlos aufnehmen, nach Kräften beistehen. Das ist unsere Pflicht gegenüber den Menschen“, sagte er. Mit dem Geld sollen den Angaben zufolge Hilfsorganisationen unterstützt werden, die die Menschen mit Kleidung, Decken und Öfen versorgen. Damit erhöht sich die humanitäre Hilfe der Bundesregierung im syrischen Bürgerkrieg auf 28,3 Millionen Euro. dapd (Politik/Politik)

Familienministerin Schröder streitet mit Ländern über Kita-Ausbau

Familienministerin Schröder streitet mit Ländern über Kita-Ausbau München (dapd). Der Krippenausbau könnte sich weiter verzögern. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete vorab, die Länder verweigerten die Annahme der 580 Millionen Euro, mit denen ihnen der Bund beim Ausbau helfen will, weil ihnen die Bedingungen nicht gefielen. Unter anderem solle es eine Berichtspflicht über die tatsächliche Verwendung des Geldes geben. Außerdem sollten die Länder den aktuellen Stand ihres Krippenausbaus preisgeben. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte dem Blatt, sie habe kein Verständnis, dass der Bundesrat jetzt die frischen 580 Millionen Euro für den Kita-Ausbau blockieren wolle. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz trete bereits am 1. August 2013 in Kraft, es blieben also nur noch neuneinhalb Monate Zeit. „Jeder Landesminister mit Verstand müsste da Tempo machen und jeden zusätzlichen Euro für neue Kita-Plätze lieber heute als morgen annehmen“, sagte die Ministerin. dapd (Politik/Politik)