Berlin (dapd). Die Wirtschaft stemmt sich mit aller Kraft gegen den von Gewerkschaften und der Opposition geforderten flächendeckenden Mindestlohn. „Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn wäre Gift für unseren Arbeitsmarkt“, warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, sieht im Mindestlohn dagegen kein Hindernis für mehr Beschäftigung. Die FDP befürwortet derweil „Branche für Branche“ Lohnuntergrenzen, die allerdings differenziert von den Tarifparteien ausgehandelt werden sollen. Die Grünen warfen den Liberalen eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. Am Freitag hatte sich der Bundesrat mit der Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei für eine generelle Lohnuntergrenze von 8,50 Euro ausgesprochen. Das Vorhaben liegt nun dem Bundestag vor. Driftmann warnte am Samstag in der „Passauer Neuen Presse“, ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn erschwere den beruflichen Einstieg für gering qualifizierte Arbeitnehmer. Darum forderte er: „Die Tarifautonomie muss unbedingt geschützt werden. Es wäre verkehrt, Löhne politisch festzulegen.“ Kauder will Tarifpartnern „ein wenig nachhelfen“ Dem stimmte der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) zu. „Wir müssen die Tarifpartner weiter in Verantwortung bringen, und sie nicht immer mehr herausnehmen“, sagte Kauder auf der Landesvertreterversammlung der Thüringer CDU in Erfurt. „Wo die Tarifpartner zu schwach sind, einen Mindestlohn auszuhandeln, müssen wir ein wenig nachhelfen. Aber einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn darf es nicht geben.“ Bundesagentur-Vorstand Alt widersprach der Ansicht Driftmanns: „Ich gehe nicht davon aus, dass ein Mindestlohn Arbeitslosen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert.“ Es komme allerdings auf die Höhe des Mindestlohns an, sagte Alt der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Die Zahl der Arbeitnehmer, die ihren Lohn mit Leistungen vom Amt aufstocken müssen, könne ein Mindestlohn allerdings nicht entscheidend senken. „Selbst bei einem Mindestlohn hätten wir nicht weniger Aufstocker“, sagte er voraus. Die FDP will ihre Position zum Mindestlohn am Montag in einem Grundsatzpapier festzurren, das dem Parteipräsidium nach einem Bericht der „Passauer Neuen Presse“ (Samstagausgabe) vorliegt. „Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala“, zitiert das Blatt aus dem Papier. In der laufenden Legislaturperiode seien für weit über zwei Millionen Beschäftigte Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich erklärt und damit Mindestlöhne in diesen Branchen eingeführt worden. Diesen Weg wolle die FDP fortsetzen und die dafür „bestehenden Regelungen für Mindestlöhne überarbeiten und besser aufeinander abstimmen“. Auch zukünftig solle die Höhe der Lohnuntergrenzen Branche für Branche festgelegt werden, dezentral und differenziert: „Einen politischen Lohn, das heißt einen einheitlichen, flächendeckenden Mindestlohn, lehnen wir ab.“ FDP-Politiker Lindner will Lohnuntergrenzen prüfen Auch der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Christian Lindner spricht sich für eine Prüfung von Lohnuntergrenzen aus. „Wo es keine Tarifbindung gibt, kann es nicht sein, dass der Steuerzahler Geschäftsmodelle subventioniert, bei denen Arbeitnehmer Löhne erzielen, von denen man auf Dauer nicht leben kann“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“ (Montagausgabe). Es müsse allerdings Sache der Tarifpartner bleiben, nötigenfalls regional und branchenspezifisch Lohnuntergrenzen festzulegen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin warf der FDP daraufhin vor, sie verkaufe die Öffentlichkeit für dumm. „Röslers ‚Offenheit‘ für eine Lohnuntergrenze ist nichts anderes als der Aufruf, möglichst viele Niedriglöhne tariflich mit Scheingewerkschaften abzusichern“, sagte Trittin am Samstag in Berlin. „Der Niedriglohnsektor mit Löhnen von vier oder fünf Euro für die Friseurin soll so legalisiert, aber nicht abgeschafft werden. Das Aufstocken aus Steuermitteln soll bleiben.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach mit Blick auf die Debatte in der Koalition von einem „Rumgeeiere“, das kein Problem löse. „Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Oberhalb dieser Grenze können die Tarifparteien regional- und branchenspezifische tarifliche Lohnuntergrenzen vereinbaren.“ Alles andere sei Ausbeutung. „Das darf der Gesetzgeber nicht zulassen.“ dapd (Politik/Politik)