Berlin (dapd). In der Debatte über die Kirchensteuer hat sich Linke-Fraktionschef Gregor Gysi offen für einen Systemwechsel gezeigt. „Bei einer Trennung von Staat und Kirche, die wir laut Grundgesetz haben, muss man überlegen, ob diese Methode richtig ist“, sagte Gysi der Nachrichtenagentur dapd. Die Diskussion war von Sachsens FDP angestoßen worden. Sie forderte unter anderem, die Kirchensteuer nicht mehr vom Finanzamt einziehen zu lassen, sondern sie durch ein von den Kirchen selbst organisiertes Beitragssystem zu ersetzen. Kirchliche Gruppen halten davon wenig. Der Beauftragte der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) am Sitz der Bundesregierung, Peter Jörgensen, sagte dapd: „Das Steuermodell zu kippen, wäre für die großen Kirchen fatal.“ Er rechnete das am Beispiel einer beliebigen Großstadtgemeinde einer Landeskirche vor. Dort kämen nur um die fünf Prozent der Mitglieder regelmäßig in den Gottesdienst. Die Übrigen brächten sich zwar kaum ins Gemeindeleben ein, seien aber als Kirchensteuerzahler stillschweigend daran beteiligt. „Wenn jetzt die Kirchensteuer wegfällt, können die Engagierten die fehlenden Steuern der Unbeteiligten nicht ausgleichen“, sagte er. Die Kirchen müssten dann viele Einrichtungen schließen. Der Vorsitzende des Forums Deutscher Katholiken, Hubert Gindert, sagte dapd, ohne die Kirchensteuer hätten sowohl der Staat als auch die Kirche Nachteile. Die Kirche müsse mit geringeren Einkünften rechnen, könne dann nicht mehr so viel Personal beschäftigen wie bisher und werde karitative Einrichtungen aufgeben müssen. „Die müsste dann der Staat übernehmen“, sagte Gindert. Das aber werde teuer für die öffentliche Hand. Katholische Reformer wollen die Gemeinden stärken Die Sprecherin der Kirchenvolksbewegung, Sigrid Grabmeier, plädierte für das sogenannte Schweizer Modell. „Der Staat sorgt dort dafür, dass die durch ihn eingezogenen Kirchensteuer durch eigens dafür gewählte Gremien, die von Bischöfen und Pfarrern unabhängig sind, direkt in den Gemeinden verwaltet werden“, erläuterte Grabmeier. „Die Gemeinden entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben und wieviel die Bischöfe bekommen.“ In Deutschland entschieden dagegen die Bischöfe über das Geld. Sollte die Kirchensteuer ganz abgeschafft und durch Gemeindebeiträge ersetzt werden, hätte das aus Grabmeiers Sicht einen Vorteil: „Wenn es keine Kirchensteuer mehr gäbe, müsste sich die Kirche wieder mehr um die Leute kümmern“, sagte sie. „Sie wäre nicht mehr reich, ganz im Sinne des neuen Papstes Franziskus.“ Freikirchen können ihre Einnahmen kaum kalkulieren Der Freikirchenbeauftrage Jörgensen bezeichnete es als ein Wagnis, die Gemeindearbeit wie die Freikirchen allein aus Spenden und freiwilligen Beiträge der Mitglieder zu bezahlen. Früher sei es üblich gewesen, freiwillig ein Zehntel seines Einkommens zu zahlen, doch dies werde heute beliebiger gehandhabt. „Jeder entscheidet eigenverantwortlich nach seiner Lebenssituation“, sagte der Pastor. Zwar gebe es eine Reihe von Mitgliedern, die ihre Beiträge per Dauerauftrag überweisen, doch wer arbeitslos werde, müsse die Zahlung reduzieren oder einstellen und viele gäben jeden Monat unterschiedliche Beiträge. „Das ist nicht kalkulierbar“, sagte Jörgensen. Deshalb brauchten die Freikirchen eine Menge Mut für jeden Arbeitsvertrag und jede finanzielle Verpflichtung, die sie eingehen. Linke-Fraktionschef Gysi betonte, eigentlich sei die Kirchensteuer keine Steuer, sondern „ein Mitgliedsbeitrag, den die Finanzämter einziehen“. Für die Kirchen sei das natürlich eine große Erleichterung. „Ich habe da aber auch Bedenken. Vor allem wundere ich mich, dass Parteien und Gewerkschaften nicht sagen, dass sie das auch so haben wollen“, sagte Gysi. Zwar bräuchte die Kirche einen größeren Apparat, wenn sie sich selbst um den Einzug der Steuer kümmern müsste. Aber abgesehen davon hätte man ein Gespräch mit den nicht zahlenden Mitgliedern: Man müsste sie nach den Gründen fragen, warum sie nicht zahlen. Man wäre also viel näher an ihnen dran. „Das wäre gut, denn ich finde, auch die Kirche benötigt mehr Kontakt zu den Mitgliedern“, gab Gysi zu bedenken. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt, der auch Sprecher der Christen in der FDP-Fraktion ist, hält von der ganzen Debatte wenig. Die Kirchensteuer an sich sei auch kein Verstoß gegen die Neutralität des Staates. Der Staat verdiene für den Einzug mit zwei bis vier Prozent immerhin ziemlich gut. „Die Debatte um eine Abschaffung der Kirchensteuer scheint mir eine karfreitägliche Phantomdebatte zu sein, die sich bald österlich verflüchtigen wird“, sagte Meinhardt. dapd (Politik/Politik)
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Steuersenkung nicht bei den Kirchen
Berlin (dapd). Der Vorstoß der sächsischen FDP zur Abschaffung der Kirchensteuer stößt bei kirchlichen Gruppen auf wenig Gegenliebe. Selbst die Freikirchen, die keine Kirchensteuer bekommen, halten ihr Modell freiwilliger Spenden für nicht übertragbar. Das konservative Forum Deutscher Katholiken sprach sich für den Erhalt der Kirchensteuer aus. Die katholische Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ verlangte immerhin eine Reform der Steuer. Die FDP in Sachsen hatte sich im Kampf gegen Steuern die Kirchensteuer vorgeknöpft. Sie verabschiedete am vergangenen Wochenende einen Leitantrag, der unter anderem fordert, die Kirchensteuer nicht mehr vom Finanzamt einziehen zu lassen, sondern sie durch ein von den Kirchen selbst organisiertes Beitragssystem zu ersetzen. Engagement wiegt Steuern nicht auf Der Beauftragte der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) am Sitz der Bundesregierung, Peter Jörgensen, sagte dapd: „Das Steuermodell zu kippen, wäre für die großen Kirchen fatal.“ Er rechnete das am Beispiel einer beliebigen Großstadtgemeinde einer Landeskirche vor. Dort kämen nur um die fünf Prozent der Mitglieder regelmäßig in den Gottesdienst. Die Übrigen brächten sich zwar kaum ins Gemeindeleben ein, seien aber als Kirchensteuerzahler stillschweigend daran beteiligt. „Wenn jetzt die Kirchensteuer wegfällt, können die Engagierten die fehlenden Steuern der Unbeteiligten nicht ausgleichen“, sagte er. Die Kirchen müssten dann viele Einrichtungen schließen. Der Vorsitzende des Forums Deutscher Katholiken, Hubert Gindert, sagte dapd, ohne die Kirchensteuer hätten sowohl der Staat als auch die Kirche Nachteile. Die Kirche müsse mit geringeren Einkünften rechnen, könne dann nicht mehr so viel Personal beschäftigen wie bisher und werde caritative Einrichtungen aufgeben müssen. „Die müsste dann der Staat übernehmen“, sagte Gindert. Das aber werde teuer für die öffentliche Hand. Katholische Reformer wollen die Gemeinden stärken Die Sprecherin der Kirchenvolksbewegung, Sigrid Grabmeier, plädierte für das sogenannte Schweizer Modell. „Der Staat sorgt dort dafür, dass die durch ihn eingezogenen Kirchensteuer durch eigens dafür gewählte Gremien, die von Bischöfen und Pfarrern unabhängig sind, direkt in den Gemeinden verwaltet werden“, erläuterte Grabmeier. „Die Gemeinden entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben und wieviel die Bischöfe bekommen.“ In Deutschland entschieden dagegen die Bischöfe über das Geld. Sollte die Kirchensteuer ganz abgeschafft und durch Gemeindebeiträge ersetzt werden, hätte das aus Grabmeiers Sicht einen Vorteil: „Wenn es keine Kirchensteuer mehr gäbe, müsste sich die Kirche wieder mehr um die Leute kümmern“, sagte sie. „Sie wäre nicht mehr reich, ganz im Sinne des neuen Papstes Franziskus.“ Freikirchen können ihre Einnahmen kaum kalkulieren Der Freikirchenbeauftrage Jörgensen rückte die Probleme einer solchen Finanzierung in den Blick. Es sei ein Wagnis, die Gemeindearbeit wie die Freikirchen allein aus Spenden und freiwilligen Beiträge der Mitglieder zu bezahlen. Früher sei es üblich gewesen, freiwillig ein Zehntel seines Einkommens zu zahlen, doch dies werde heute beliebiger gehandhabt. „Jeder entscheidet eigenverantwortlich nach seiner Lebenssituation“, sagte der Pastor Zwar gebe es eine Reihe von Mitgliedern, die ihre Beiträge per Dauerauftrag überweisen, doch wer arbeitslos werde, müsse die Zahlung reduzieren oder einstellen und viele gäben jeden Monat unterschiedliche Beiträge. „Das ist nicht kalkulierbar“, sagte Jörgensen. Deshalb brauchten die Freikirchen eine Menge Mut für jeden Arbeitsvertrag und jede finanzielle Verpflichtung, die sie eingehen. dapd (Politik/Politik)
Kirchensteuer: Gysi offen für Systemwechsel
Berlin (dapd). Linke-Fraktionschef Gregor Gysi ist offen für einen Systemwechsel beim Einzug der Kirchensteuer. „Bei einer Trennung von Staat und Kirche, die wir laut Grundgesetz haben, muss man überlegen, ob diese Methode richtig ist“, sagte Gysi in einem dapd-Interview. Es wäre gut, wenn in der Gesellschaft ein Gespräch über das Thema Kirchensteuer geführt würde. Wenn dann die Mehrheit der Meinung wäre, die Kirche sollte sich selbst um die Beiträge kümmern, dann wäre das kein schlechtes Zeichen. Und könnte umgesetzt werden. Die Debatte, ob die Kirchensteuer nicht über die Finanzämter sondern von den Kirchen selbst eingezogen werden soll, wurde jüngst durch einen Vorstoß der sächsischen FDP befeuert. Diese hatte gefordert, die bisherige Kirchensteuer solle im Freistaat „durch ein kircheneigenes Beitragssystem“ ersetzt werden -und damit Aufregung in der schwarz-gelben Koalition ausgelöst. Gysi sagte, eigentlich sei die Kirchensteuer keine Steuer, sondern „ein Mitgliedsbeitrag, den die Finanzämter einziehen“. Für die Kirchen sei das natürlich eine große Erleichterung. „Ich habe da aber auch Bedenken. Vor allem wundere ich mich, dass Parteien und Gewerkschaften nicht sagen, dass sie das auch so haben wollen.“ Gysi fügt hinzu, natürlich bräuchte die Kirche wieder einen größeren Apparat, wenn sie sich selbst um den Einzug der Steuer kümmern müsste. Aber abgesehen davon hätte man ein Gespräch mit den nicht zahlenden Mitgliedern: Man müsste sie nach den Gründen fragen, warum sie nicht zahlen. Man wäre also viel näher an ihnen dran. „Das wäre gut, denn ich finde, auch die Kirche benötigt mehr Kontakt zu den Mitgliedern.“ dapd (Politik/Politik)