München (dapd). Manfred Götzl hat es noch nie in die Öffentlichkeit getrieben. Es ist wenig bekannt über den 60 Jahre alten Richter am Oberlandesgericht in München. Zurzeit lebt der Vater zweier erwachsener Kinder aber völlig zurückgezogen, er hat jeden öffentlichen Auftritt abgesagt. Der Grund ist besorgniserregend: Bei dem am 17. April beginnenden Prozess um die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sehen Experten „erhebliches Gefährdungspotenzial“. Götzl leitet das Verfahren gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und ihre vier mutmaßlichen Unterstützer. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Rechtsradikale die Richter und Staatsanwälte als Angriffsziel aussuchen. Götzl kennt sich aus mit spektakulären Fällen. Der gebürtige Franke leitete beispielsweise das Verfahren im Mordfall des Münchner Modezaren Rudolph Moshammer. Auch verurteilte er einen ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Kriegsverbrecher. Der NSU-Prozess dürfte noch einmal eine neue Dimension erreichen für den Juristen, der seit 2010 am Oberlandesgericht den für Terrorismus und Landesverrat zuständigen Staatsschutzsenat 6 übernommen hat. Robuster Richter Schon bevor Drohungen aus der rechten Szene bekannt wurden, hatte Manfred Götzl nicht mit Journalisten sprechen wollen. Nicht vor dem Prozess, der seine volle Konzentration verlangt und rund 280.000 Ermittlungsakten umfasst, allein die Anklageschrift ist 500 Seiten lang. Dem NSU werden Morde an neun ausländischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin zugerechnet. Die Beweisführung wird nicht einfach, denn die als Haupttäter geltenden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben sich das Leben genommen. Der Präsident des Oberlandesgerichts, Karl Huber, beschreibt Götzl als robusten Strafrichter, „der dieser physischen und psychischen Belastungsprobe gewachsen ist“. Juristen, die bereits mit ihm zu tun hatten, bezeichnen den asketisch wirkenden Mann als akribisch, prinzipientreu, fair, bisweilen aber auch aufbrausend. Manche behaupten sogar, dass er ein richtiges Raubein sei, sobald er die Robe überstreift. Er mag bei den Angeklagten keine umschweifenden Erklärungen. Vielleicht hat seine Ungeduld mit seiner Vergangenheit als Staatsanwalt für Kapitalverbrechen zu tun. Fest steht, dass er seine Arbeit sehr ernst nimmt, fast besessen davon ist, die Wahrheit zu erfahren. Er sei persönlich gekränkt, sagt der Münchner Rechtsanwalt Peter Guttmann, „wenn man ihm dabei nicht hilft – selbst als Verteidiger“. Guttmann hatte Götzl 1981 im Referendariat kennengelernt. Natürlich wolle er Angeklagten ausreichend Zeit geben, „ihre Taten aufzuarbeiten und die Hintergründe auszuleuchten“, hat Götzl einmal seine Rolle definiert. Aber er lasse nicht zu, dass sie Spielchen mit ihm treiben. Dann schreitet er ein. Vor allem, wenn er das Gefühl habe, mit der „Unwahrheit bedient zu werden“ oder jemand versucht, den Prozess zu verschleppen. Batterien für schwerhörigen Angeklagten spendiert Viele seiner Urteile endeten mit einer lebenslänglichen Strafe. Er geht dabei nicht willkürlich vor, sondern hält sich strikt an die Fakten. Seine Entscheidungen als Vorsitzender am Schwurgericht hatten fast immer Bestand, in sieben Jahren kassierte der Bundesgerichtshof nur eines seiner Urteile. Abwechslung findet Götzl, der mit einer Juristin verheiratet ist, beim Joggen und Wandern. Bekannt ist außerdem seine Leidenschaft für Musik, speziell für Jazz. Er spielt Gitarre in einer Combo. Dass Götzl als Musiker durchaus gelernt hat zu improvisieren und vom strengen Protokoll abzurücken, zeigt eine legendäre Geschichte, die sich bei ihm im Gerichtssaal zugetragen hat. Damit ein schwerhöriger Angeklagter, der sich die Batterien für sein Hörgerät nicht leisten konnte, dem Prozess trotzdem folgen konnte, spendierte Götzl ihm kurzerhand die notwendigen Batterien. Nach dem Ende des jeweiligen Prozesstages musste der Beschuldigte sie allerdings wieder abgeben, um sie zu schonen, damit sie auch am nächsten Verhandlungstag einwandfrei funktionieren konnten. dapd (Politik/Politik)