Berlin (dapd). Apotheken auf dem Land sollen für Notdienste extra entschädigt werden. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kündigte am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“ an, Landapotheken, die besonders häufig Notdienste machen müssten, sollten dafür als Anerkennung eine Pauschale erhalten. Vor seiner Rede auf dem Apothekertag in München bekräftigte der FDP-Politiker, die Bundesregierung wolle „die Apotheke vor Ort“ erhalten. Allerdings sei es nicht Aufgabe des Gesundheitsministers festzulegen, wie viele gebraucht würden. „Das regelt der Markt“, sagte er. Er reagierte damit auf Äußerungen des Fachverbandes, der vor einem Apothekensterben warnt und höhere Honorare fordert. Mit rund 21.000 Apotheken habe Deutschland eine sehr gute Versorgung. Forderungen nach mehr Geld hielt er entgegen, die Koalition habe zum 1. Januar 2013 eine Erhöhung der Vergütung für jede abgegebene Arzneimittelpackung um 25 Cent auf 8,35 Euro beschlossen. Berücksichtigt werden müsse dabei auch, dass die Zahl der abgegebenen Packungen gestiegen sei. dapd (Politik/Politik)
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Erste Pleite für Major Tom
Berlin (dapd). Der neue Chef der Airbus-Mutter EADS, Thomas Enders, hatte es sich so schön ausgedacht: Kaum im Amt, wollte er den Konzern fusionieren mit dem britischen Unternehmen BAE. Und auf diese Weise den größten Rüstungskonzern der Welt schmieden, der auch Zugang zum riesigen US-Markt gehabt hätte. Aus der Traum. Die Briten beendeten am Mittwoch offiziell die Gespräche. Das Scheitern der Firmenheirat ist die erste Niederlage des erfolgsverwöhnten Managers. Er äußerte sich enttäuscht. Der Westerwälder, der bei der Bundeswehr als Fallschirmspringer aktiv war, stürzt sich noch heute gern aus Flugzeugen in die Tiefe. Er trägt daher den Spitznamen „Major Tom“. 1982 fing er als wissenschaftlicher Assistent beim Deutschen Bundestag an. Später arbeitete er für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, dann bis 1991 im Planungsstab des Bundesverteidigungsministeriums. Leben am Tegernsee Dann wechselte Enders zum EADS-Vorläufer MBB/Dasa, wo er bis zum Entwicklungschef aufstieg. Nach der Gründung von EADS 2000 übernahm Enders die Militärsparte, 2007 wurde er Geschäftsführer von Airbus. Mit seiner Frau und seinen vier Söhnen lebt er am Tegernsee. Der Franzose Louis Gallois lobte Enders, als er vor wenigen Monaten die Führung von EADS an ihn übergab. Enders habe Airbus in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich geführt, sagte der 68-jährige Gallois auf der Hauptversammlung des Unternehmens in Amsterdam. Der 53-jährige Familienvater Enders ist der erste Deutsche, der allein EADS leitet. Enders sagte, es sei eine Ehre, „in die großen Fußstapfen von Louis Gallois zu treten“. Der Franzose habe „das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist“. Im Januar hatte der EADS-Verwaltungsrat den Wechsel an der Konzernspitze beschlossen, nachdem sich zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy darauf geeinigt hatten. Einfluss der Politik umstritten Und doch wollte Enders den Einfluss der Politik zurückfahren. Er forderte, dass sich der französische und der deutsche Staat zurückziehen. Der „Bild am Sonntag“ sagte er: „Ich möchte unsere Ertragsfähigkeit steigern, die Internationalisierung voran treiben und daran arbeiten, dass wir normale Eigentümerstrukturen bekommen, in der staatliche Aktionäre keine Rolle spielen.“ Das Thema ist wohl jetzt erstmal durch. Medienberichten zufolge wollte die US-Regierung verhindern, dass die Kontinental-Europäer über den Umweg BAE an ihre Rüstungsaufträge kommen. Und ihnen habe es auch nicht gefallen, dass die Regierungen in Paris und Berlin weiter an dem Konzern beteiligt werden wollten. Frankreichs Kronjuwelen Eins ist jedenfalls sicher: Für Frankreich gelten Airbus und EADS als zutiefst französische Firmen. Es sind Kronjuwelen. Eine Pariser Regierung wird dort niemals ihren Einfluss beschneiden lassen. Offenbar wollte Frankreich die Möglichkeit haben, die Aktien des Konzerns Lagardère, der aussteigen will, in Staatsbesitz zu nehmen. Das sollen die Briten abgelehnt haben. Und für die Bundesregierung gilt, dass sie auf jeden Fall nicht weniger Einfluss haben will als Frankreich. Damit war die Blockade in alle Richtungen perfekt. Ungeklärt war die Frage, wo die Zentralen der Firma liegen sollen. Enders soll ein für Deutschland unbefriedigendes Ergebnis vorgeschlagen haben: Die Rüstungssparte Cassidian wäre nach London abgewandert, die EADS-Zentrale von München völlig nach Toulouse gegangen. Das war auch mit den Gewerkschaften nicht zu machen. Enders hatte zu hoch gepokert – und ist in Berliner Regierungskreisen nun offenbar nicht mehr beliebt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Gauck verneigt sich vor tschechischen Nazi-Opfern
Prag (dapd). Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seinem Antrittsbesuch in Prag der tschechischen Opfer nationalsozialistischer Gräueltaten gedacht. Er sei gekommen, um „Respekt und Trauer“ zu bekunden, sagte Gauck am Mittwoch nach einem Treffen mit seinem Kollegen Vaclav Klaus in der Prager Burg. Die Nazi-Verbrechen seien „der Kern aller Schicksale“, fügte der Bundespräsident mit Blick auf die deutschen Vertriebenen hinzu. Über deren Problematik wolle er sich erst später äußern – „zu gegebener Zeit“. Beide Staatsoberhäupter riefen dazu auf, die Erinnerung an den Nazi-Terror in künftigen Generationen wach zu halten. Auf dem Besuchsprogramm Gaucks stand auch ein Abstecher nach Lidice, um dort gemeinsam mit Klaus einen Kranz niederzulegen. Das Dorf wurde von deutschen Polizeieinheiten im Juni 1942 aus Rache für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, zerstört, die meisten männlichen Bewohner erschossen, Frauen und Kinder deportiert. „Wir Deutschen wissen um die tiefen Wunden, die die Besatzung in Ihrem Land hinterlassen hat“, sagte Gauck in Prag. „Wir fühlen mit den Opfern. Und wir ehren die mutigen Tschechen, die Widerstand gegen brutale Unterdrückung leisteten.“ Dieses Deutschland ist „komplett anders“ In der Bundesrepublik werde „offen über Schuld und Versagen“ und über die historische Verantwortung gesprochen, fügte Gauck hinzu. Dies habe ihn mit seinem Heimatland versöhnt. „Dieses Deutschland ist komplett anders, als andere Deutschlands es waren“, versicherte der Bundespräsident. Klaus betonte, er schätze es sehr, dass Gauck ihm den Wunsch übermittelt habe, auch Lidice als „Symbol der Vergangenheit“ zu besuchen und sich vor den Opfern des Nazi-Terrors zu verbeugen. Bereits nach dem Fall des Kommunismus habe er zur Vergangenheitsbewältigung gesagt, dass ein Auto ohne „Rückspiegel“ nicht fahren könne. Dieser dürfe allerdings „nicht größer sein als die Frontscheibe“, leitete er zu aktuellen Fragen über. Bei einer betont entspannten Pressebegegnung würdigten die beiden Staatsoberhäupter die guten Beziehungen beider Länder. „Es ist wirklich Freundschaft, was uns verbindet“, sagte der 72-jährige Gauck und erinnerte daran, wie er zu DDR-Zeiten als „unterdrückter Bürger“ in Prag war. Auch sein 71-jähriger Kollege lobte die „historisch besten Beziehungen“ Deutschlands und Tschechiens. Klaus nennt ein Streitthema Mit Blick auf die Journalisten fügte der gut gelaunte Euroskeptiker Klaus hinzu: „Wenn die Presse ein Streitthema braucht, dann sage ich Ihnen eines“: In einem kurzen Gespräch über den Euro habe Gauck das Wort „Hoffungspotenziale“ benutzt, er dagegen habe von „Wunschdenken“ gesprochen. Gauck lobte seinerseits Klaus, der Anfang nächsten Jahres einem Nachfolger Platz machen muss, als erfahrenen Präsidenten, Ökonomen und Professor. Er selbst sei dagegen noch in der Lernphase. Als evangelischer Theologe verfüge er allerdings über eine „Lizenz zur Naivität“, die manchmal durchaus „Kräfte freisetzen“ und Hoffnungen wecken könne. Dass Naivität auch Wunschdenken zur Folge haben könne, habe er nicht bestritten. dapd (Politik/Politik)
Altmaier will Energieberatung für Einkommensschwache verdoppeln
Berlin (dapd). Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will künftig mindestens doppelt so viele einkommensschwache Haushalte zu einer Energieberatung bewegen wie bisher. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Beratungsangebote „quantitativ und qualitativ“ ausgedehnt werden, sagte der Minister nach dem Stromspargipfel mit Vertretern verschiedener Verbände am Dienstag in Berlin. Die Angebote sollten „in aller Regel kostenlos sein“. Er gehe davon aus, dass bei der Beratung bereits im nächsten Jahr „eine erhebliche Ausweitung“ erreicht werde, sagte Altmaier. Darüber hinaus wolle er einkommensschwache Haushalte auch mit „maßgeschneiderten Angeboten“ bei der Umsetzung der Beratung unterstützen, sagte der Minister. Als Beispiel nannte er die Einführung spezieller Finanzierungsmodelle für energieeffiziente elektrische Geräte. Konkrete Pläne und Modelle lägen allerdings noch nicht vor, sagte Altmaier. Zunächst sei ein weiterer runder Tisch zum Thema Energieeffizienz für November angesetzt worden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Birkner wirft Trittin Blockade bei Endlagersuche vor
Hamburg (dapd). Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist nach Ansicht des niedersächsischen Umweltministers Stefan Birkner (FDP) nicht an einer Einigung bei der Endlagersuche interessiert. „Er tut so, als könne man einen Endlagersuchprozess ohne Gorleben veranstalten. Er weiß, dass das nicht funktioniert“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“. Trittin habe kein Interesse an einer ehrlichen Positionierung der Grünen. Birkner betonte erneut, dass Gorleben zwingend im Auswahlverfahren bleiben müsse. Sonst könne auch jeder andere Standort aus politischen Gründen von vornherein ausgeschlossen werden, sagte er. Er sei enttäuscht darüber, „dass die Grünen Gorleben zum niedersächsischen Wahlkampfthema machen wollen“. dapd (Politik/Politik)
SPD-Politiker Egon Bahr würdigt Willy Brandt
Berlin (dapd). Zum 20. Todestag von Willy Brandt hat der SPD-Politiker Egon Bahr seinen langjährigen Weggefährten gewürdigt. Brandt sei ein Mensch gewesen, der seine Schwächen nicht verborgen habe, sagte Bahr am Montag im RBB-Inforadio. „Das wurde seine Stärke, weil die Bevölkerung gesehen hat, das ist einer, der verbiegt sich nicht.“ Brandt sei Mensch geblieben und habe damit bewiesen, dass Politik nicht unbedingt den Charakter verderben müsse. „Er hat keinen niedergemacht, er hat keinen zerstört. Sondern er hat versucht, dass er Menschen überzeugt und gewinnt.“ Das habe er so fabelhaft gemacht, dass am Schluss alle dem zugestimmt hätten, was er vorgeschlagen habe. Das sei eine seiner großen Fähigkeiten gewesen, sagte Bahr. Der frühere SPD-Vorsitzende und Bundeskanzler Brandt war vor 20 Jahren im Alter von 78 Jahren in Unkel am Rhein gestorben. dapd (Politik/Politik)
Seehofer in Rentendebatte gesprächsbereit
München (dapd). CSU-Chef Horst Seehofer zeigt sich trotz der geplanten Verabschiedung eines eigenen Rentenkonzepts seiner Partei gesprächsbereit. Seehofer sagte am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München, er schließe die bisherigen Überlegungen der Berliner Koalitionspartner CDU und FDP nicht aus. Die CSU positioniere sich zwar mit ihren eigenen Überzeugungen. Er wisse aber, „dass man immer in Verhandlungen einzutreten hat“. Seehofer bekräftigte zugleich die CSU-Forderung, die Kindererziehung künftig bei der Rentenhöhe stärker als bisher zu berücksichtigen. dapd (Politik/Politik)
Steinbrück wehrt sich
Berlin (dapd). SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück geht gegen Kritik an seiner Honoraren für Auftritte bei Banken, Firmen und Verbänden weiter in die Offensive. Nach mehreren Interviews suchte der ehemalige Finanzminister am Sonntagabend eine Stunde lang in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ die öffentliche Bühne zur Rechtfertigung. Vorwürfe der Nähe zur Bankenlobby wies er als „absurd und dämlich“ zurück. Am Wochenende hatte sich die Debatte über Steinbrücks Honorartätigkeiten noch verschärft. Absolute Transparenz forderten Vertreter anderer Parteien. Die Gesamtsumme von 600.000 Euro bis über eine Million Euro für über 80 Vorträge schwirrte im Raum. Steinbrück betonte, er habe sich immer nach Recht und Gesetz gehalten. Er habe unabhängige Wirtschaftsprüfer gebeten, die Fakten zusammenstellen. Daten und Durchschnittshonorare will Steinbrück nennen, was schon weit über derzeitigen Regeln hinausgeht, seinen Kritikern aber nicht reicht. Dass er nicht die konkreten Summen nennen will, begründet Steinbrück mit privatrechtlichen Verträgen, bei denen auch die Partner einer Veröffentlichung zustimmen müssten. Im Übrigen habe er fast immer dasselbe Honorar genommen. Es sei nur manchmal nach unten und in ein oder zwei Fällen nach oben abgewichen. Steinbrück forderte seine Kritiker zugleich auf, schärferen Transparenzregeln zuzustimmen. Er wäre dazu bereit und sei sehr gespannt, wie jene Parteien reagierten, die bisher gegen neue Richtlinien seien und diese Debatte gegen ihn losgetreten hätten. Verständnis äußerte der ehemalige Finanzminister, wenn sich Geringverdiener über die Höhe von Honoraren für Vorträge wunderten. Er gebe jedoch Nachfrage und Neugier nach seinen Beiträgen. Respektvoller Umgang mit Merkel im Wahlkampf Steinbrück will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Respekt begegnen. Er schlug in der ARD-Sendung einen „Wahlkampfkodex“ für einen fairen Wahlkampf vor. Zugleich warf der Herausforderer der Kanzlerin Wankelmut in der Europapolitik und das Fehlen eines Kompasses für den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor. Spekulationen über eine Neuauflage der großen Koalition, der Merkel und Steinbrück bis 2009 zusammen angehörten, wollte der SPD-Kandidat nicht anstellen. Er beschäftige sich nicht damit und wolle für eine Maximierung des SPD-Stimmenanteile sorgen. Da es für eine Alleinregierung der Sozialdemokraten nicht reiche, setze er auf Rot-Grün. In vier bis acht Wochen will Steinbrück sein Wahlkampfteam präsentieren, in das er auch eigene Leute seines Vertrauens mitbringen will. Abbitte tat Steinbrück gegenüber SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, der er sinngemäß erklärt hatte, dass er sie nicht brauche. Die Äußerung tue ihm leid und er entschuldige sich dafür, sagte Steinbrück. Der Wahlkampf werde geführt mit und im Willy-Brandt-Haus. Dabei spiele die Generalsekretärin der Partei die Rolle, die ihr zustehe. Sollte die SPD an die Regierung kommen, will sie nach Aussage Steinbrücks partiell auch die Steuern erhöhen. Der Spitzensteuersatz sollte von derzeit 42 Prozent (für Zahler von Reichensteuer 45 Prozent) auf dann 49 Prozent erhöht werden. Auch die Kapitaleinkünfte will Steinbrück stärker besteuern. Dabei müsse aber ein geeigneter Weg gefunden werden, dass Vermögen von Familienunternehmen nicht betroffen seien. Familie von Kanzlerkandidatur „nicht sehr begeistert“ Seine Familie sei von seiner Kandidatur „nicht sehr begeistert“, räumte Steinbrück weiter ein. Er möchte gern die Privatheit seiner Familie weiter schützen und hoffe, dass dies respektiert werde. Er würde hier gern Merkel „kopieren“, die Privates weitgehend aus der Öffentlichkeit heraushält. Sollte es für Steinbrück mit der Kanzlerschaft klappen, will er die Eidesformel mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ sprechen. Er sei nach Jahrzehnten vor einigen Jahren wieder in die Kirche eingetreten, weil sie karitativ wichtige Aufgaben wahrnehme. Er sei gläubig in dem Sinne, dass Gott als Prinzip für ein friedliches Zusammenleben gesehen werde. dapd (Politik/Politik)
Künast sagt vorzeitiges Ende von Wowereits Regierung voraus
Berlin (dapd). Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird nach Ansicht der Grünen-Politikerin Renate Künast wegen der Affäre um den künftigen Hauptstadtflughafen scheitern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die gesamte Legislaturperiode schafft“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“. In der Bevölkerung und in der SPD schwinde das Vertrauen zu ihm massiv. „Weitere Brüche in seiner Aufstellung wird er nicht überstehen.“ Sofern der Untersuchungsausschuss zeige, dass Wowereit Pflichtverletzungen begangenen habe, müsse dieser Konsequenzen ziehen. „Dann müssen die Bürgerinnen und Bürger das Wort haben. Dann brauchen wir Neuwahlen“, forderte sie. dapd (Politik/Politik)
Ankunft in der neuen Bleibe in Berlin
Berlin (dapd-bln). Laut hallen Stimmen durch den Korridor von Altbauten in der Kreuzberger Oranienstraße. Plötzlich kommt Leben in die Menschen, die im grauen Nieselregen auf dem Oranienplatz ausharren. Hektisch laufen sie von den Grünflächen Richtung Straße. „Sie sind da!“, ruft einer. An der Kreuzung erscheint ein Zug von Demonstranten, eine Karawane von etwa 70 Flüchtlingen. Vor 28 Tagen waren sie im bayerischen Würzburg aufgebrochen, um nach Berlin zu laufen. Mit dem Protestmarsch wollten sie gegen ihre Asylauflagen protestieren und auf ihre Lebensbedingungen aufmerksam machen. Unter lauten Applaus läuft die bunte Gruppe in das Zelt-Camp ein. „Willkommen in Berlin“ steht auf einem Banner. Berliner Aktivisten haben eine Zeltstadt errichtet. Mehrere Schlafzelte stehen um Bänke und Stühle herum und es gibt eine improvisierte Küche. Irgendwo knattert ein Stromaggregat. Das ist vorerst die neue Bleibe der protestierenden Asylbewerber. Traum von neuen Gesetzen für Asylbewerber Alireza Mirzai ist einer von ihnen. Seit zweieinhalb Jahren ist der gebürtige Iraner in Deutschland. Seine Eltern stammen aus Afghanistan. Was er hier erlebt – Bangen um den Aufenthalt, nicht arbeiten zu dürfen – kennt der 22-Jährige aus der Vergangenheit nur zu gut. Trotzdem wollte er weg. „Im Iran herrscht noch schlimmere Ungerechtigkeit.“ Weil er auch dort einen Flüchtlingsstatus hatte, konnte er nie eine Schule besuchen. Über die Türkei kam er nach Deutschland. Dann folgt die typische Biografie eines Asylbewerbers: Antrag abgelehnt. Befristete Aufenthaltserlaubnis. Erlaubnis verlängert. Er darf nicht arbeiten und den Landkreis Fürth in der Nähe von Nürnberg nicht verlassen. Doch das hat er getan, als er sich dem Protestmarsch anschloss. Jetzt ist er müde. „Einen Tag lang konnte ich gar nicht mehr laufen.“ Trotzdem ist der 22-Jährige gerade glücklich: „Es waren so viele Menschen zur Begrüßung hier“, schwärmt er. Alireza Mirzai träumt von neuen Gesetzen für Asylbewerber. Die jetzigen seien „fest wie ein Gefängnis“. Die Demonstranten wollen die Abschaffung der sogenannten Residenzpflicht und der Unterbringung in Asylwohnheimen sowie eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen erreichen. „Die Forderungen sind klar“, sagt eine Sprecherin von „Refugee Protest March“. Die Aktion solle vor allem ein Bewusstsein für die Lebensbedingungen der Flüchtlinge schaffen. Anwohner wollen helfen Nachdem sich die Aufregung der Ankunft gelegt hat, beäugen Anwohner ihre neuen Nachbarn. „Ich bin sprachlos“, sagt Anna Zehner-Chemali. In den Nachrichten hatte sie von der Flüchtlingskarawane erfahren. „Ich werde fragen, was ich tun kann“, sagt die Berlinerin und schaut in den kalten Herbstregen. „Tee werde ich kaufen“, fügt sie entschlossen hinzu. Sie kennt die Situation der Flüchtlinge. Ihr Mann war einst selbst Asylbewerber. „Es herrschen menschenunwürdige Bedingungen und das schon seit Jahren“, unterstreicht Anna Zehner-Chemali. Dennoch ist sie optimistisch, dass die Solidarität unter Flüchtlingen und Aktivisten den Forderungen zum Erfolg verhelfen kann. „Berlin ist die richtige Stadt dafür.“ Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) zeigt Solidarität. Er steht inmitten der Neuankömmlinge und scherzt mit ihnen. Der Mut der Flüchtlinge sei bewundernswert, sagt er und fügt hinzu: „Diese Menschen riskieren Erhebliches“. Doch Ströbele ist auch optimistisch. Kreuzberg sei der ideale Ort, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, sagt er und fügt hinzu: „Was hier was passiert, dann wird das wahrgenommen.“ Flüchtlinge und Aktivisten erwarten harte Zeiten. Der Winter naht. Mehr als 70 Menschen müssen versorgt werden. Der lockere Zusammenschluss linker Unterstützer ist selbstorganisiert. Lebensmittel, Decken, Zelte – alles basiert auf Spenden. Für den 13. Oktober ist eine Demonstration vor dem Bundestag geplant. Alles andere ist offen. dapd (Politik/Politik)