Brüssel (dapd). Er kennt das Spiel. Und er beherrscht es perfekt. Bis zum Eingang des Brüsseler Ratsgebäudes wären es bloß zehn Meter über den roten Teppich, wenige Sekunden Fußweg vorbei an Dutzenden Kameras und Mikrofonen. Aber David Cameron kann nicht widerstehen. Er will es auch gar nicht. Wie die Motte ans Licht strebt der Brite nach seiner Ankunft schnurstracks den vertrauten Fernsehkameras der BBC entgegen – seinem Draht zur Heimat, zum Wähler. Der Reporter gibt dem Premierminister eine dankbare Steilvorlage, fragt nach seiner Meinung zum jüngsten EU-Haushaltsentwurf. „Ich bin ganz und gar nicht zufrieden!“, blafft Cameron zurück und verspricht: „Ich werde mit aller Kraft für den britischen Steuerzahler kämpfen!“ Eine 31-sekündige Tirade, wie sie der Brite schon so oft geliefert hat. Zehn Stunden später ist der Gipfel vorbei. Cameron hat gekämpft. Und rapportiert über den Kanal, er habe zwar „nicht den Deal erreicht, den wir wollten – aber den verhindert, den wir nicht wollten“. Nämlich einen Anstieg des Etats. Wann immer die Staats- und Regierungschefs der EU übers Geld verhandeln – über Griechenland, den Brüsseler Beamtenapparat, das Milliardenbudget – sticht Cameron hervor: Niemand prescht energischer aus seiner Limousine, posaunt lauter in die wartenden Fernsehkameras, stapft danach trotziger ins Ratsgebäude als er. Wild entschlossen wie ein Cowboy, mit zusammengepressten Lippen und zu Schlitzen verengten Augen, das Kinn nach vorn gereckt, eine Hand in der Hosentasche, schneidiger Gang – es sind Bilder für die Wähler daheim, denen die EU vor allem eines ist: Ein Haufen Geld verbrennender Festlandbürokraten. „Als gebe man dem dicksten Jungen in der Klasse ein Eis“ Cameron ist ihr Interessenvertreter gegenüber „denen aus Brüssel“. Und die Erwartungen an ihn brachte der überaus populäre Londoner Bürgermeister Boris Johnson vor dem Haushaltsgipfel auf den Punkt: In Krisenzeiten das EU-Budget zu erhöhen, das sei „als gebe man dem dicksten Jungen in der Klasse ein Eis, während der Rest der Kinder auf Diät ist“. Cameron solle ihm das Eis wieder wegnehmen, dem „diebischen Missbrauch öffentlicher Gelder“ ein Ende setzen. Der Premier ist dieser Tage ein Getriebener. Zuhause steht der 48-Jährige unter dem gewaltigem Druck seiner eigenen Partei, der konservativen Tories. Ein Einfrieren des Unionsbudgets auf dem aktuellen Niveau, wie es sich Cameron zum Ziel gesetzt hatte, war einigen Abgeordneten nicht genug. Sie verbrüderten sich mit der Opposition und forderten gemeinsam eine radikale Kürzung des Etats. Damit drängten sie ihn in die Ecke. Denn wie auch immer die Verhandlungen um das EU-Budget der Jahre 2014 bis 2020 letztlich ausgehen: Cameron kann jetzt nicht mehr gewinnen. Entweder er verprellt seine europäischen Partner, die allesamt mehr Geld ausgeben wollen als er, und isoliert Großbritannien damit endgültig vom Rest der Union. Oder er gibt überraschenderweise nach, stürzt sich damit ins politische Fegefeuer auf der Insel und riskiert seine Wiederwahl 2014. Deutschland kann keinen Gefallen daran finden, dass Cameron nun mit dem Rücken zur Wand steht. Der Versuch 26 gegen 1 könnte den Briten einen Vorwand geben, der EU endgültig den Rücken zu kehren. Das EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die britische Zwangslage in seinen Entwürfen fast gar nicht berücksichtigt hat, stieß bei manchem auf Unverständnis. Eine Kürzung der Beamtenbezüge etwa hätte Cameron zuhause gut verkaufen können, aber selbst dieses symbolische Bonbon blieb ihm verwehrt. Zumindest vorerst, denn letztlich wird auch der Brüsseler Behördenapparat Federn lassen müssen, so viel wurde am Freitag klar. Die Insel entfernt sich vom Kontinent Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemühte sich denn auch merklich, den Störenfried im Klassenverbund zu halten. Sie strebe unbedingt eine Einigung an, ließ sie wissen – wohlgemerkt mit allen 27 Staaten. Jeder habe sich in Brüssel konstruktiv eingebracht, keiner mit irgendetwas gedroht. Dass Cameron vor dem Gipfel tatsächlich mehrfach drohte, einen einstimmigen Beschluss ohne drastische Kürzungen zu kippen, Schwamm drüber. Die Kanzlerin will ihre europäische Familie zusammenhalten. Denn Merkel kennt die Notlage des Kollegen und die Gefahr, die von den wortgewaltigen Euroskeptikern auf der Insel ausgeht. So polterte kürzlich der britische Bildungsminister Michael Gove gen Brüssel: „Gebt uns unsere Souveränität zurück – oder wir treten aus!“ Außenminister William Hague lässt zurzeit prüfen, in welchen Bereichen die Zusammenarbeit mit der EU überhaupt noch Sinn macht – und wo sie möglichst bald beendet werden kann. Zu allem Überfluss wollen sich nun auch noch die vergleichsweise europafreundlichen Schotten von den Engländern, Walisern und Nordiren abspalten. Cameron hat seinerseits angekündigt, die Briten nach der Wahl 2014 über ihr Verhältnis zur Europäischen Union abstimmen zu lassen. Nicht im Sinne eines Rein-Raus-Referendums, aber einer politischen Neujustierung. „Ich unterstütze unsere EU-Mitgliedschaft“, sagte Cameron nach dem Gipfelaus am Freitag. „Aber ich unterstütze nicht den Status quo.“ Gleichzeitig wächst auf dem Kontinent der Unmut über die britische Sonderrolle. Angela Merkel wird sich anstrengen müssen, um den störrischen Briten aus der Schmollecke zu holen. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
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Bundestag verlängert Banken-Rettungsfonds Soffin
Berlin (dapd). Deutschlands Banken können auch in den nächsten beiden Jahren Hilfen aus dem staatlichen Rettungsfonds Soffin in Anspruch nehmen. Das beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit. SPD, Grüne und Linke stimmten gegen das Gesetz. Der „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“, kurz Soffin, kann den Banken Kredite in Höhe von maximal 80 Milliarden Euro und Garantien von 400 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Er war erstmals in der Finanzkrise 2008 eingerichtet worden. Bis Ende 2009 konnten angeschlagene Institute Unterstützung beantragen. Ende vergangenen Jahres brachte die Regierung vor dem Hintergrund der Krise im Euroraum die Reaktivierung des Fonds auf den Weg. Mit der Verlängerung bis Ende 2014 wurden auch Veränderungen am Soffin beschlossen. Künftige Verluste werden nun mit Mitteln aus dem Restrukturierungsfonds ausgeglichen, der wiederum aus der von Banken zu zahlenden Bankenabgabe gespeist wird. dapd (Politik/Politik)
Steuereinnahmen steigen weiter deutlich
Berlin (dapd). Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern sprudeln: Sie sind in den ersten drei Quartalen auf 403,4 Milliarden Euro gestiegen. Dies sind 21,5 Milliarden oder 5,6 Prozent mehr als in den ersten neun Monaten 2011. Dies geht aus dem aktuellen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die Wachstumsdynamik hat demnach im dritten Quartal mit plus 8,1 Prozent wieder Fahrt aufgenommen – nach einer leichten Abschwächung im zweiten Quartal (plus 2,9 Prozent). Besonders kräftig stieg die Einkommensteuer, sie lag um 17,7 Prozent über dem Vorjahresniveau. Noch kräftiger wuchs die Körperschaftsteuer, hier betrug das Plus 33,6 Prozent. Das Aufkommen der Umsatzsteuern lag in den ersten neun Monaten um 2,9 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahreszeitraums. „Dies deutet auf eine weiterhin lebhafte Binnennachfrage infolge der konjunkturellen Entwicklung hin“, bilanzierte das Ministerium. (Der Monatsbericht: http://url.dapd.de/OMKFaS) dapd (Politik/Politik)
NSU-Ausschussmitglieder werfen Ex-NRW-Innenminister Versäumnisse vor
Köln (dapd). Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages werfen dem früheren nordrhein-westfälischen Innenminister Fritz Behrens (SPD) Versäumnisse bei der Fahndung nach den Attentätern des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 vor. „Es gab so viele Hinweise auf die Täter wie bei keiner anderen Tat des NSU“, sagte der Unionspolitiker Clemens Binninger (CDU) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstagausgabe). „Es ist daher völlig unlogisch, dass man sich nicht einer fremdenfeindlichen Spur genähert hat.“ Bei diesem Fall hätte sich am ehesten ein Bezug zu der rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) herstellen können, betonte Binninger. Die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte, Behrens wird sich fragen lassen müssen, ob politische Vorgaben die Ermittlungen behindert haben. Kritik an Behrens äußerte auch der Ausschussvorsitzende, Sebastian Edathy (SPD). Behrens wird vorgeworfen, einen terroristisch-fremdenfeindlichen Hintergrund des Anschlags, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, ausgeschlossen zu haben. Der Ex-Minister soll dem Ausschuss am Donnerstag Rede und Antwort stehen. dapd (Politik/Politik)
Kurt Beck sagt Reise nach Liechtenstein wegen Sicherheitsbedenken ab
Mainz (dapd). Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat eine Reise nach Liechtenstein wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Seine Personenschützer hätten dem 63-Jährigen geraten, nicht an einem Wirtschaftsforum in Vaduz am kommenden Montag teilzunehmen, sagte ein Sprecher der Mainzer Staatskanzlei am Mittwoch auf Anfrage. Offenbar hatte es zuvor Anfeindungen in Liechtenstein gegeben, es wurden Tomaten- und Eierwürfe gegen Beck angekündigt. Den Angaben zufolge haben es bei der Entscheidung für eine Absage auch gesundheitliche Aspekte gegeben. Dass Beck bei der zu erwarteten Aufregung an seine Gesundheit denke sei nachvollziehbar, sagte der Sprecher. Beck gibt im Januar sein Amt als Ministerpräsident auf, weil er nach eigenen Angaben an der Bauchspeicheldrüse erkrankt ist. Die Tageszeitung „Liechtensteiner Vaterland“ hatte von einer kontroversen Diskussion in dem Staat berichtet, weil Beck als ehemalige SPD-Bundesvorsitzender die Steueroase Liechtenstein mit dem „Raubrittertum“ gleichsetzte. dapd (Politik/Politik)
Fristlose Kündigung wegen Anzeige gegen Chef rechtens
Köln (dapd). Arbeitgeber dürfen ihrem Angestellten kündigen, wenn sie von diesem angezeigt worden sind. Das entschied das Kölner Landesarbeitsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil. Demnach hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich den Ruf des Arbeitgebers zu schützen. In dem konkreten Fall hätte die entlassene Hausangestellte zunächst mit dem Ehepaar, bei dem sie beschäftigt war, sprechen müssen, um ihren Loyalitätspflichten nachzukommen, urteilten die Richter. Die Frau war von dem Ehepaar fristlos entlassen worden, nachdem sie die Eltern wegen einer angeblichen Verwahrlosung der Tochter beim Jugendamt angezeigt hatte. Anzeichen einer Verwahrlosung bestätigten sich aber nicht. Ein kinderärztliches Attest ergab keine Auffälligkeiten. Auch wenn die Vorwürfe richtig gewesen wären, hätte die Bedienstete zunächst mit dem Ehepaar sprechen müssen, befanden die Richter. Sie wiesen die Klage der Frau gegen ihre fristlose Kündigung ab. Das Gericht stützte sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser wertet Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber als Recht auf freie Meinungsäußerung. Dennoch müsse abgewogen werden, ob der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben vorgenommen hat und sich sicher war, dass die Vorwürfe auch wahr sind, befanden die Kölner Arbeitsrichter. Nach Möglichkeit müsse ein Mitarbeiter diskretere Wege suchen, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen. Die Hausangestellte war bereits fristgemäß gekündigt worden, bevor sie das Jugendamt alarmierte. Als die betroffenen Eltern davon Wind bekamen, sprachen sie eine fristlose Kündigung aus. Die Anzeige sei eine „unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung“, entschieden die Richter. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Zeitung: SPD plant fünf Millionen Hausbesuche im Bundestagswahlkampf
Berlin (dapd). Die SPD will den Bürgern im Bundestagswahlkampf 2013 bis zu fünf Millionen Hausbesuche abstatten. Das berichtet die „Bild“-Zeitung (Mittwochausgabe) unter Berufung auf ein internes Wahlkampfpapier aus dem Willy-Brandt-Haus. In dem Papier, das der Zeitung vorliegt, heißt es: „Am Ende der Kampagne können wir 5 Millionen Türen erreichen.“ Nach BILD-Informationen soll auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei den Wählern zu Hause klingeln. Vorbild sind dem Papier zufolge die erfolgreichen Wahlkämpfe von US-Präsident Barack Obama und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande. dapd (Politik/Politik)
SPD wirft Friedrich Orientierungslosigkeit vor
Berlin (dapd). Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fehlt aus Sicht der SPD ein klarer Kurs und die notwendige Entschlossenheit. So sei Friedrichs Agieren nach dem Auffliegen der rechten Terrorgruppe NSU „alles andere als glücklich“ gewesen, sagte der Innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, am Dienstag im Bundestag. „Die Innenpolitik in Deutschland ist bei Ihnen in keinen guten Händen“, sagte der SPD-Politiker an den Ressortchef gewandt. Besonders kritisierte Hartmann die Einrichtung des Abwehrzentrums gegen Extremismus und Terrorismus, indem die unterschiedlichsten Bedrohungsbereiche „zusammen gerührt“ würden. Zudem warf er dem Friedrich vor, nach dem Auffliegen des NSU keinen Aktenvernichtungsstopp verordnet zu haben. Auch die Zusammenarbeit mit den Ländern funktioniere bei Friedrich nicht. dapd (Politik/Politik)
Gewerkschaften fordern Streikrecht statt kollektives Betteln
Erfurt (dapd-nrw). Die Vertreter der Gewerkschaften haben vor dem Bundesarbeitsgericht ihre Forderung nach einem Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen bekräftigt. Es gehe schließlich nicht um die Verkürzung der Morgenandacht, sondern um die arbeitsvertragliche Gerechtigkeit, sagte ver.di-Anwalt Henner Wolter in der Verhandlung am Dienstag in Erfurt. Das Streikrecht für Mitarbeiter von Diakonie und Caritas sei notwendiges und zwingendes Mittel der Koalitionsfreiheit, weil sonst nichts anderes als „kollektives Betteln“ übrigbleibe. Die Beeinträchtigung der im Grundgesetz gewährleisteten Koalitionsfreiheit sei bei einem Streikverbot „wesentlich höher“ als die Nachteile, die die Kirche hinnehmen müsse, wenn gestreikt werde, sagte der ver.di-Anwalt. Die Kirche plädierte in dem Prozess hingegen weiter für ihr Modell der einvernehmlichen Konfliktlösung ohne Streik und Aussperrung, den sogenannten Dritten Weg. Es müsse ein Ausgleich gefunden werden, bei denen beide Positionen möglichst wenig eingeschränkt würden, sagte Kirchen-Anwalt Christian von Tiling. Er schlug vor, Tarifkonflikte mit einer verbindlichen Schlichtung durch einen neutralen und objektiven Schlichter zu lösen. Dem Arbeitnehmer entstünde dadurch auch kein Schaden, weil als Schlichtungsperson jemand ausgesucht werde, der keine Verbindung zur Kirche habe. Endgültige Entscheidung erst in Straßburg? Die Gewerkschaften wiesen ebenfalls die Möglichkeit zurück, sie in Tarifverhandlungen ohne Streikrecht einzubeziehen. Dies sei nicht ausreichend. Anwalt Wolter verwies darauf, dass ein Streik nicht religionsfeindlich sei und den Verkündungsauftrag der Kirche nicht berühre. Zudem sei das Streikrecht gesetzlich und vertraglich zum Beispiel durch die Friedenspflicht oder auch Notdienstvereinbarungen geregelt. Außerdem stelle es auch nur die Ultima Ratio dar. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist auch nach dem Urteil, das für den Nachmittag erwartet wurde, noch lange nicht das letzte Wort in dem Streit gesprochen. „Möglicherweise endet die Wegstrecke nicht in Erfurt oder Karlsruhe, sondern in Straßburg“, sagte Gerichtspräsidentin Ingrid Schmidt. Das Urteil werde zumindest eine „richtungsweisende Zwischenetappe“ sein. Vertreter beider Seiten haben bereits angekündigt, bei einer Niederlage in Erfurt vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Danach wäre eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg der nächste Schritt. Denn beim EGMR können auch nicht-staatliche Organisationen mit einer Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland – beziehungsweise gegen deren höchste Gerichte – vorgehen. Gerichte gaben Gewerkschaften recht Hintergrund des aktuellen Rechtsstreits sind Warnstreiks, die ver.di und der Marburger Bund in den Jahren 2009 und 2010 in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg organisierten. Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm und dem Arbeitsgericht Hamburg wurde Anfang 2011 die Klagen der evangelischen Kirche abgewiesen. Nach Ansicht der Hammer Richter „rechtfertigt das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen jedenfalls keinen vollständigen Ausschluss von Arbeitskampfmaßnahmen im Bereich kirchlicher Einrichtungen“. Auch sei der Dritte Weg nicht geeignet, „der Arbeitnehmerseite vergleichbare Chancen zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu vermitteln“, wie sie außerhalb der Kirche mit Tarifvertrag und Arbeitskampf zur Verfügung stünden. dapd (Politik/Politik)
Kabinett erlaubt öffentliche Aussage von Beck im Nürburgring-Prozess
Mainz/Koblenz (dapd). Im Nürburgring-Prozess werden der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und weitere Regierungsmitglieder aus dem Jahr 2009 vermutlich öffentlich aussagen. Das hat das Landeskabinett am Dienstag in Mainz entschieden. Allerdings muss noch der Landtag für Beck und weitere Minister, die auch Abgeordnete sind, seine Zustimmungen geben. Dies wird voraussichtlich am 12. Dezember der Fall sein. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess vor dem Koblenzer Landgericht um die gescheiterte Privatfinanzierung der Erlebniswelt an der Rennstrecke die Aussagen beantragt. Darüber muss für Regierungsmitglieder das Kabinett und für Abgeordnete der Landtag entscheiden. Auf der Zeugenliste stehen neben dem scheidenden Regierungschef auch seine designierte Nachfolgerin Sozialministerin Malu Dreyer und Bildungsministerin Doris Ahnen (beide SPD). Zudem sollen aus dem Kabinett von 2009 auch der damalige Wirtschafts- und Verkehrsminister und heutige SPD-Fraktionschef Hendrik Hering sowie die damalige Umwelt- und jetzige Europaministerin Margit Conrad (SPD) gehört werden. Der Ministerrat hat nach Angaben der Staatskanzlei dem Landgericht nun den 18., 19. oder 21. Dezember als Termine vorgeschlagen. Zudem können die Minister auch außerhalb ihres Amtssitzes, also in Koblenz, vernommen werden. In dem Prozess muss sich unter anderem der damalige Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) wegen des Vorwurfs der Untreue verantworten. dapd (Politik/Politik)