München verliert Kampf um Sitz des EU-Patentgerichts

München verliert Kampf um Sitz des EU-Patentgerichts Brüssel (dapd). Das neue EU-Patentgericht bekommt seinen Sitz in Paris, München und London müssen sich mit Außenstellen zufriedengeben. Auf diesen Kompromiss hätten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Gipfel am Freitag in Brüssel geeinigt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der bayerischen Landeshauptstadt wird Merkel zufolge nun der Bereich Maschinenbau angesiedelt. Durch die Einigung sei nach zwölf Jahren auch der Weg zu einem einheitlichen EU-Patent frei. München hatte sich nicht zuletzt deshalb gute Chancen als Hauptstandort ausgerechnet, weil dort schon das Bundespatentgericht sowie das Deutsche und das Europäische Patentamt residieren. Die EU-Kommission hatte im April 2011 nach langjährigem Ringen den Startschuss für ein billiges und einfaches EU-Patent gegeben, das aber seither wegen des Streits um den dazugehörigen Gerichtsort auf Eis lag. Unternehmen und Privatpersonen sollen ihre Erfindungen künftig mit einem einzigen Antrag schützen lassen können, was die Kosten nach Schätzungen aus Brüssel um 80 Prozent drücken soll. Italien und Spanien boykottieren die neue Behörde, weil europäische Patente nicht automatisch in ihre Sprachen übersetzt würden, sondern nur in die drei EU-Amtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte Deutschland, Großbritannien und Frankreich noch zu Jahresbeginn gerügt, weil sich die drei Länder lange nicht auf einen Gerichtsstandort einigen konnten. Es sei inakzeptabel, dass eine wichtige Initiative wie das EU-Patent wegen einer solch „trivialen Streitigkeit“ blockiert werde, schimpfte der Portugiese im Januar. Für die bayerische Landeshauptstadt hatte sich in der Vergangenheit selbst Ex-Bundespräsident Christian Wulff stark gemacht. So sei der deutsche Erfindergeist berühmt und komme in jährlich weit über 30.000 Anmeldungen beim Europäischen Patentamt zum Ausdruck. Auch Justizstaatssekretär Max Stadler betonte noch kürzlich die Vorzüge Münchens: „Alle Bewerber haben für ihren jeweiligen Ort sicherlich Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind“, sagte der FDP-Politiker Ende Mai in Brüssel. „Aber München hat die besten.“ Als Beispiel nannte er die hervorragende Infrastruktur und zentrale Verkehrslage sowie die vielen vor Ort ansässigen Patentanwälte. Das künftige EU-Patentgericht ist nicht zu verwechseln mit dem bereits existierenden Europäischen Patentamt (EPA), da es lediglich rechtliche Streitfälle klären soll. Für die eigentliche Patenterteilung in einem zentralisierten Verfahren ist das EPA zuständig. Nach der Anmeldung in einer der drei Amtssprachen muss der Erfindungsschutz bislang in jedem einzelnen EU-Land separat und aufwendig validiert werden. Über Streitfälle urteilen die nationalen Gerichte. Mit der nun erzielten Einigung dürften beide Schritte – sowohl die Patentanmeldung als auch die Klärung von Streitfällen – künftig deutlich einfacher werden. Auch wenn die Verteilung der Standorte eher politischen als praktischen Gründen geschuldet ist. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)

Nahles kann mit Ergebnissen des EU-Gipfels leben

Nahles kann mit Ergebnissen des EU-Gipfels leben Berlin (dapd). Die SPD findet die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Bewältigung der Euro-Krise akzeptabel. Zwar habe Bundeskanzlerin Angela Merkel in wesentlichen Punkten, in denen sie vorher rote Linie markiert habe, nachgeben müssen, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Freitag dem Nachrichtensender n-tv. Nahles fügte aber hinzu: „Aus meiner Sicht ist das inhaltlich aber durchaus begründet, und insoweit kann ich mit dem Ergebnis leben.“ Zufrieden zeigte sich Nahles, dass das Wachstumspaket, das auch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen solle, jetzt auf dem Weg sei. Auch eine gemeinsame Bankenaufsicht in Europa sei richtig. Dass es direkte Bankenhilfen geben solle, werde im konservativen Lager noch erhebliche Widerstände hervorrufen, mutmaßte Nahles. Da das aber mit der Bankenaufsicht verbunden sei, halte sie das für vertretbar. dapd (Politik/Politik)

Der Niedergang der WestLB

Der Niedergang der WestLB Düsseldorf (dapd). Das Ende der WestLB wirft seine Schatten voraus: An der Konzernzentrale des Geldinstituts in der Düsseldorfer Friedrichstraße ist das blauweiße Firmenlogo schon verschwunden. Gut vier Jahrzehnte nach ihrer Gründung endet an diesem Wochenende die Geschichte der einst mächtigsten Landesbank Deutschlands. Auf Druck der EU wird sie zerschlagen. Für die öffentliche Hand ist es ein Ende mit Schrecken. Rund 18 Milliarden Euro dürfte der fast beispiellose Niedergang der Bank die Steuerzahler und die Sparkassen am Ende kosten. Dabei war die nordrhein-westfälische Landesbank noch vor zehn Jahren das Flaggschiff unter den öffentlich-rechtlichen Geldinstituten Deutschlands. Sie galt als die „Macht am Rhein“ – finanzstark und äußerst einflussreich. Entstanden war die Bank 1969 durch den Zusammenschluss der Landesbank für Westfalen und der Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank. In den folgenden zwei Jahrzehnten wuchs sie unter der Führung von Bankchef Friedel Neuber scheinbar unaufhaltsam zu einer global agierenden Bank – eng verbunden nicht nur mit den Unternehmen an Rhein und Ruhr, unverzichtbar für die Industriepolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Doch schon in der Endphase der Ära Neuber zur Jahrtausendwende zogen dunkle Wolken über der WestLB auf. Der Sturm brach los, als die EU-Kommission 2001 die WestLB zur Rückzahlung versteckter Landesbeihilfen in Milliardenhöhe zwang und eine Aufspaltung des Instituts in die vor allem für die Wirtschaftsförderung des Landes zuständige Landesbank NRW und in die für das Wettbewerbsgeschäft zuständige „neue“ WestLB durchsetzte. Danach schien das Unwetter das Schiff WestLB regelrecht vor sich herzutreiben. Denn nun wurde unübersehbar, dass die Bank mit ihrem zum Teil hochriskanten Auslandsgeschäft ein zu großes Rad gedreht hatte. In den Jahren 2001 bis 2004 summierten sich die Verluste der Bank auf mehr als 4,7 Milliarden Euro. Neuber-Nachfolger Jürgen Sengera musste deshalb nach nur 21 Monaten seinen Hut nehmen. Danach übernahm mit dem früheren Deutsche-Bank-Vorstand Thomas Fischer ein Experte für Risikomanagement das Steuer in Düsseldorf. Er führte die Bank zunächst in ruhigeres Fahrwasser. Doch schon 2007 geriet die WestLB wieder in schwere See. Nicht zuletzt dubiose Aktienspekulationen bescherten der Bank erneut Verluste von 1,6 Milliarden Euro. Immer deutlicher wurde, dass die WestLB nicht über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügte. Fischer wurde im Rekordtempo vom Hoffnungsträger zur „Persona non grata“ und musste im Juli 2007 ebenfalls gehen. Doch das längst angeschlagene Schiff geriet auch noch in den perfekten Sturm: die amerikanische Immobilien- und die weltweite Finanzkrise. Im Jahr 2008 konnten die Eigentümer der Bank – das Land Nordrhein-Westfalen sowie die rheinischen und westfälischen Sparkassenverbände – die Bank nur mit Milliardenspritzen retten, die es ihr erlaubten, toxische Wertpapiere und nichtstrategische Aktivitäten im Volumen von insgesamt 77,5 Milliarden Euro in Deutschlands erste „Bad Bank“ auszulagern. Doch der Preis dafür war hoch. Die EU wollte das seit einem Jahrzehnt schwellende Problem WestLB ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Sie forderte einen Verkauf oder eine Zerschlagung der Bank. Damit war das Schicksal der WestLB besiegelt. Denn Hoffnungen, die WestLB in eine Landesbankenfusion einbringen zu können, erfüllten sich nicht. Und auch ein Verkauf der Bank scheiterte. Für den ersten Vorstandsvorsitzenden der WestLB, den heute 92-jährigen Ludwig Poullain, war das Ende nach der Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten unvermeidlich. „Die Bank hat ohne Geist gelebt, ohne sich klarzumachen, wo ihre Position in Zukunft sein wird“, sagte er kürzlich in einem Interview. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

BGH entscheidet im September über Poststreit der NPD

BGH entscheidet im September über Poststreit der NPD Karlsruhe (dapd). Der Bundesgerichtshof (BGH) wird am 20. September in letzter Instanz über den Streit zwischen der Deutsche Post und der NPD im sächsischen Landtag entscheiden. Diesen Termin teilte das Karlsruher Gericht nach kontroverser mündlicher Verhandlung am Donnerstag mit. Die Post AG weigert sich seit Jahren, den Informationsdienst der NPD-Fraktion als Postwurfsendung zu verteilen. Dagegen klagt die NPD. Das Landgericht in Leipzig und das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gaben der Post recht. Das Infoblatt „Klartext“ sei nicht als Zeitschrift zu bewerten, sondern als Propaganda ohne Meinungspluralismus. Die Landtagsfraktion in Sachsen legte hiergegen Revision am BGH ein. Am Donnerstagmorgen fand in Karlsruhe die mündliche Verhandlung statt. Der Anwalt der NPD wies auf das Postgesetz hin, das zur Beförderung von Zeitschriften verpflichte. Eine politische Bewertung stehe der Post nicht zu. Auch der Vorsitzende Richter, Joachim Bornkamm, sagte in seiner Einleitung, dass „für die rechtliche Bewertung der politische Inhalt“ keine Rolle spiele. Bornkamm betonte auch, dass eine Landtagsfraktion eine Sonderstellung habe und Teil der staatlichen Ordnung sei. Der Anwalt der NPD-Landtagsfraktion verwies schließlich auf das Diskriminierungsverbot. Als marktbeherrschendes Unternehmen dürfe die Post keine Ungleichbehandlung vornehmen. Der Anwalt der Post AG verwies dagegen darauf, dass es sich bei „Klartext“ um eine unadressierte Postwurfsendung handele. Die Post sei nach einer EU-Richtlinie jedoch nicht zur Verteilung unadressierter Sendungen verpflichtet. Nur Zeitschriften an namentlich genannte Empfänger müsse die Post befördern. Das deutsche Gesetz könne der privatisierten Post keine Vertragspflicht auferlegen, die es nach europäischem Recht nicht gebe. Umstritten war auch, ob sich die NPD-Abgeordneten als Herausgeber des Infodienstes auf die Pressefreiheit berufen können. Anwalt Thomas Plehwe bestritt, dass sich die Fraktion wie ein Verleger auf die Pressefreiheit berufen könne. Der zuständige I. Zivilsenat zog sich am Donnerstag zur Beratung zurück und teilte am Nachmittag mit, dass er sein Urteil erst am 20. September verkünde. (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof I ZR 116/11) dapd (Politik/Politik)

Versicherte können elektronische Gesundheitskarte nicht ablehnen

Versicherte können elektronische Gesundheitskarte nicht ablehnen Düsseldorf/Solingen (dapd). Krankenversicherte können sich von der Ausstellung der neuen elektronischen Gesundheitskarte nicht befreien lassen. Das entschied das Sozialgericht Düsseldorf am Donnerstag und wies in einem bundesweit ersten Verfahren die Klage eines Wuppertaler Versicherten ab. Der 32 Jahre alte Mann wollte von der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte befreit werden, weil er darin eine Verstoß gegen das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sieht. Das Sozialgericht folgte dieser Ansicht aber nicht: Die für die Karte benötigten Pflichtangaben zur Person des Versicherten seien mit Ausnahme des geforderten Fotos identisch mit der bisherigen Versichertenkarte und damit unbedenklich. Damit folgte das Sozialgericht der Argumentation der Krankenversicherung des Klägers. Allerdings räumte das Gericht ein, in Zukunft möglicherweise nachbessern zu müssen. Denn ab 2013 können Versicherte zunächst testweise zusätzlich freiwillige Angaben, etwa zu Notfalldaten, auf der Gesundheitskarte speichern lassen. „Das könnte zu datenschutzrechtlichen Problemen führen, die Gegenstand eines neuen Verfahrens wären“, erklärte der Vizepräsident des Sozialgerichts, Detlef Kerber, im Anschluss an das Urteil. Kläger will nicht zum „gläsernen Patienten“ werden Aus Angst davor, zum „gläsernen Patienten“ zu werden, hatte der Versicherte aus Wuppertal gegen die Bergische Krankenkasse Solingen geklagt. Die elektronische Gesundheitskarte sei sowohl aus datenschutz- als auch verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich, argumentierte sein Anwalt Jan Kuhlmann. Patientenangaben würden zentral gespeichert und private Unternehmen mit der Datenverarbeitung betraut. Man könne daher nicht ausschließen, dass sensible Informationen beispielsweise in die Hände von Pharmaunternehmen gelangten. „Es fehlen eine unabhängige und transparente Kontrolle sowie ein Sanktionssystem bei Verstößen gegen den Datenschutz, wie es der Bundesgerichtshof fordert“, sagte er. Die beklagte Krankenkasse wies diese Einschätzung zurück. „Es werden keine Daten außerhalb der Arztpraxen ohne Zustimmung des Versicherten gespeichert“, erklärte der Anwalt der Krankenkasse, Ingo Kugler. Zusätzliche Angaben wie Notfalldaten oder elektronische Patientenakten erfolgten freiwillig. Ein Zugriff von Arbeitgebern oder Versicherungen sei „ausgeschlossen“, hieß es. Nach Angaben des Anwalts sind bislang 10.000 von 70.000 Versicherten der Bergischen Krankenkasse mit der elektronischen Gesundheitskarte versorgt worden. Bis Ende dieses Jahres sollen – wie vom Gesetzgeber gefordert – 70 Prozent der Versicherten bundesweit in ihrem Besitz sein. Der Kläger, der sich gegenüber den Medien nicht äußern wollte, will gegen die Entscheidung des Sozialgerichtes vorgehen. Sein Anwalt kündigte an, bis vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen zu wollen. Bis dahin muss der Kläger übrigens nicht um seine medizinische Versorgung bangen. Er darf bis zum Ende des Verfahrens seine alte Versichertenkarte nutzen. (AZ: S9KR111/09) dapd (Politik/Politik)

Gamescom-Veranstalter kündigen 300 Computerspiele-Premieren an

Gamescom-Veranstalter kündigen 300 Computerspiele-Premieren an Köln (dapd-nrw). Mehr als 370 Unternehmen werde sich in diesem Jahr auf der Computerspiele-Messe Gamescom in Köln präsentieren. „Auf der auf 140.000 Quadratmeter vergrößerten Ausstellungsfläche erwarten wir rund 300 Premieren und Spieleneuheiten über alle Genres“, sagte die Geschäftsführerin der Koelnmesse, Katharina Hamma, am Donnerstag. Ein besonderer Schwerpunkt liegt 2012 auf dem wachsenden Spielemarkt für mobile Endgeräte wie Smartphones. Das Thema erweitere erstmals das Ausstellungsangebot, hieß es. Auch dem Spielen im Internet werde mit einer größeren Halle Rechnung getragen. Partnerland in diesem Jahr ist mit Südkorea, einer der weltweit größten Spielemärkte. Die Messe startet am 15. August für Fachbesucher. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Kunden bezahlen in Dresdner Neustadt per Smartphone

Kunden bezahlen in Dresdner Neustadt per Smartphone Dresden (dapd-lsc). Bewohner und Besucher des Dresdner Stadtteils Neustadt können ab Montag (2. Juli) ohne Portemonnaie einkaufen. Dafür wird in einem Pilotprojekt eine mobile Bezahlvariante per Smartphone bei etwa drei Dutzend Händlern und Gastronomen des Bezirks möglich sein, wie die Organisatoren „Viertel.Dollar“ am Donnerstag in Dresden mitteilten. Es handele sich um das erste händlerübergreifende System zur Bezahlung per Smartphone in Deutschland. Nutzer müssen sich dafür lediglich ein Programm, eine sogenannte App, auf ihr Smartphone laden und das Guthaben eines vorher gekauften Gutscheins darauf übertragen. Bezahlt wird dann im Laden durch Einscannen eines Codes an der Kasse oder die Übertragung eines Funksignals. Der Bezahlvorgang soll dann wie beim Prepaid anonym und ohne Angaben von Kontodaten erfolgen. Die Händler benötigen ihrerseits lediglich ein EC-Karten-Terminal. Dieser muss zusätzlich mit einer unterstützenden Software des Unternehmens Secupay ausgestattet sein, das die technische Umsetzung des Projekts übernommen hat. Möglich ist aber auch ein NFC-Terminal, der die Funksignale übertragen kann. Gleichzeitig unterstützen die Nutzer des Projekts „Viertel.Dollar“ mit ihren bargeldlosen Einkäufen ihren Bezirk. Die Händler entrichten, wie auch bei EC-Karten üblich, eine Provision in Höhe von 2,9 Prozent an den Anbieter des Systems. Davon fließt rund die Hälfte in gemeinnützige Projekte wie etwa Krankenhausclowns oder einen lokalen Fußballverein. Das Pilotprojekt soll vorerst zeitlich unbegrenzt laufen und zukünftig auch auf das dem „Viertel.Dollar“ ähnliche Stadtteil-Projekt „Cottbus-Taler“ in Brandenburg ausgeweitet werden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Kumpel beerdigen den Saar-Bergbau

Kumpel beerdigen den Saar-Bergbau Lebach (dapd). Wehmut, Zorn, Trauer – es ist von allem etwas, was die Stimmung der Bergleute des Nordschachts des Bergwerks Saar derzeit ausmacht. Und immer wieder das Erinnern an das ständige Auf und Ab der vergangenen drei Jahrzehnte. Der Förderturm beim Hoxberg bringt die Förderkörbe bis mehr als 1.700 Meter „unter die Grasnarbe“ – zum wohl tiefsten begehbaren Punkt Europas. Er war Hoffnungssymbol für eine Renaissance der Kohle vor 30 Jahren, daneben die Primsmulde: Symbol für das Ende. Die Erschütterungen, die der Abbau unter dieser Mulde verursachte, waren letztlich der Todesstoß für den Bergbau an der Saar nach 250 Jahren. Am Freitag wird die letzte Kohle gefördert, dann ist Schicht im Schacht. Den Bergleuten Bodo Kunzker und Roland Käufer, beide 46 Jahre alt, werden die Anfeindungen nach der schwersten Erschütterung 2008 ein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Bei einem Bäcker habe er keine Brötchen mehr bekommen, sagt Käufer. In Saarwellingen, dem nächsten Ort, seien die Bergleute immer wieder angegriffen worden als diejenigen, die die Schäden verursacht haben. „Das geht einem doch auf die Seele“, sagt Käufer. Man habe sich „schuldig gefühlt“, obwohl man „nur seinem Beruf nachgegangen“ sei, ergänzt Kunzker. Beide hatten, wie auch ihr 44-jähriger Kumpel Jörg Maurer, Anfang der 1980er Jahre im Saar-Bergbau angefangen. Deutschland entdeckte damals als Folge der Ölkrisen seine Kohle wieder. „Bis zu 1.000 Lehrbuben sind damals angefahren“, erinnert sich Maurer. „Geh uff die Grub, unn dann haschde enn sicheren Arbeitsplatz“, habe es damals geheißen. Das war 1983. Sein Vater war Bergmann, seine beiden Söhne haben auch noch „uff de Grub“ ihre Lehre gemacht – als Industriemechaniker. Die Hoffnung auf eine langfristige Bergbauzukunft war schnell dahin. 1997 sei er mit dabei gewesen, als im Streit um die Kohlepolitik der Bundesregierung im Saarland Autobahnen lahmgelegt wurden, in Bonn und Köln die Kumpel machtvoll demonstrierten, berichtet Maurer. Der Kohlekompromiss sei für ihn einer der schönsten Momente gewesen. Aber schon kurz danach „hat man uns nicht mehr in Ruhe gelassen“, sagt Maurer. Von den damals noch drei Gruben blieb zum Schluss das Bergwerk Saar übrig. Es kamen die Querschüsse gegen die Kohlepolitik aus Brüssel. Dann das Beben 2008, „die absolute Katastrophe“, sagt Maurer. Heute ist er mit zuständig für die Verlegung von voraussichtlich 1.400 Saar-Bergleuten vor allem ins nordrhein-westfälische Ibbenbüren. Die haben zwar dann weiter einen Job, aber „da hängen Familien hintendran, Kinder, pflegebedürftige Eltern“. Maurer organisiert auch seinen eigenen Wechsel nach Ibbenbüren mit. Knapp fünf Stunden Fahrt, „wenn ich gut durchkomme“, sagt er. Seine Familie bleibt im Saarland, von seinem Haus aus kann er den Förderturm von Luisenthal sehen, wo er als Lehrling angefangen hat. Etliche dieser Wahrzeichen bleiben wohl erhalten. Aber „Kameradschaft und Zusammenhalt, das muss wachsen, das kann man nicht so weitergeben.“ Kunzker und Käufer werden nicht mehr wechseln müssen. Sie haben, wie viele andere, in den vergangenen Monaten Überstunden und Wochenendschichten gemacht und damit Zeitkontingente aufgebaut, um dann mit Anpassungsgeld in den Vorruhestand zu gehen. Vorher werden sie unter Tage noch aufräumen, Maschinen und vor allem das ölhaltige Material rausholen, „damit nichts ins Grundwasser kommt“. Anschließend will er sich einen 400-Euro-Job suchen, sagt Kunzker. Dann macht sich der Kumpel doch noch Luft über die anstehenden Feierlichkeiten zum Ende des Bergbaus an der Saar: „Jetzt kommen sie alle und wollen was von uns.“ Das hätte ein paar Jahre früher kommen müssen, „dann würden die Leute heute anders drüber denken“. Und Käufer ist sich sicher: In ein paar Jahren würden die Menschen „bereuen, dass sie die Kohle dicht gemacht haben“. Auf die Frage nach den Gefühlen, kurz bevor das Förderband die letzte Kohle am Tageslicht abschüttet, herrscht erstmal sekundenlang Schweigen. Man könne nicht einfach zuschließen, dafür habe der Bergmann „zu viel Herz“, sagen sie. Und Kunzker bekennt: „Man kommt sich dann vor, als würde man auf die eigene Beerdigung gehen.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Regierung will superschnellen Börsenhandel einschränken

Regierung will superschnellen Börsenhandel einschränken Frankfurt/Main (dapd). Die Bundesregierung hat grundsätzliche Regeln für den superschnellen Computerhandel an der Börse erarbeitet. Vorgesehen sind eine Zulassungspflicht für Hochfrequenzhändler, eine Überwachung durch die Finanzaufsicht BaFin und eine mögliche Mindesthaltedauer zur Entschleunigung der Geschäfte. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums bestätigte am Donnerstag die Existenz eines Eckpunktepapiers, über das die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet hatte. Das Bundesfinanzministerium hält automatisch ablaufende Handelsprogramme, die von Computern gesteuert werden, für gefährlich. „Um den Gefahren des Hochfrequenzhandels wirksam zu begegnen, ist eine umfassende Transparenz sicherzustellen“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Das Ministerium denkt zudem an eine Mindesthaltedauer für Order von zum Beispiel 0,5 Sekunden. Für den Hochfrequenzhandel, der oft in Millisekunden abläuft, wäre das schon viel Zeit. Auf eine Überarbeitung der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid will das Ministerium bei der Regulierung der umstrittenen Börsengeschäfte nicht warten. Der elektronische Handel mit Finanzprodukten habe zunehmend an Bedeutung gewonnen und ermögliche neue Formen des Missbrauchs, die es zu verhindern gelte. Für den Hochfrequenzhandel werden algorithmische Programme eingesetzt, die in sehr kurzen Abständen Kaufs- und Verkaufsorder platzieren. Zum Teil geht es dabei nur darum, Kurse in eine bestimmte Richtung zu lenken, mit längerfristiger Anlage hat dieser Handel nichts zu tun. Mittlerweile macht der Umsatz des schnellen Computerhandels einen beträchtlichen Teil der gesamten Börsengeschäfte aus. Die Auswirkungen sind umstritten. Das Finanzministerium befürchtet laut dem Eckpunktepapier, dass das Handelssystem durch ein sehr hohes Orderaufkommen überlastet werden könnte. „Daneben besteht das Risiko, dass algorithmische Handelssysteme auf andere Marktereignisse überreagieren, was die Volatilität verschärfen kann.“ In der Vergangenheit gab es bereits aufsehenerregende Kursausschläge an den Börsen, für die der Hochfrequenzhandel verantwortlich gemacht wurde. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Arbeitsgericht: Schlecker muss Mitarbeiterin weiterbeschäftigen

Arbeitsgericht: Schlecker muss Mitarbeiterin weiterbeschäftigen Heilbronn/Ehingen (dapd). Eine gekündigte Schlecker-Mitarbeiterin hat als erste in Baden-Württemberg erfolgreich auf Wiedereinstellung geklagt und könnte damit einen für das insolvente Unternehmen teuren Prozess losgetreten haben. Das Arbeitsgericht Heilbronn hat festgestellt, „dass diese Kündigung sozialwidrig und damit unwirksam ist und den Beklagten verurteilt, die Klägerin weiterzubeschäftigen“, wie das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am Donnerstag mitteilte. Das Urteil erging schon vor einer Woche. Einem Gerichtssprecher zufolge hat das Urteil eine gewisse Signalwirkung, weil sich andere Gerichte daran orientieren könnten. Alleine in Baden-Württemberg sind 629 Kündigungsschutzklagen anhängig, deutschlandweit sind es mehr als 4.500. Dem Heilbronner Gericht zufolge war die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Der Beklagte – Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz – habe keine vollständige Auskunft über seine subjektiven Erwägungen zur Sozialauswahl gegeben. Zudem habe die Klägerin eine vergleichbare Arbeitnehmerin genannt, die bei Zugrundelegung des von Geiwitz behaupteten Punkteschemas weit weniger Sozialpunkte aufweise als die Klägerin. Diesem Punkt sei Geiwitz nicht entgegengetreten. Geklagt hatte eine langjährige Leiterin einer Schlecker-Filiale. Sie war bei der ersten Kündigungswelle der insolventen Drogeriekette am 28. März zum 30. Juni betriebsbedingt gekündigt worden. Sie wird zwar nie mehr bei der insolventen Drogeriemarktkette verkaufen können, weil die letzten Filialen am Mittwoch endgültig dicht machten. Doch sie hat damit ihren Anspruch auf die volle Vergütung seit März gesichert. Sollten sich andere Gerichte dem Urteilsspruch anschließen, wird es teuer für Schlecker. Geiwitz hatte die anhängigen Kündigungsschutzklagen als einen Grund dafür genannt, warum die Suche nach einem Investor für Schlecker scheiterte. Das Risiko betrage mindestens 100 Millionen Euro. Ob die Kläger ihr Geld jemals sehen, ist jedoch fraglich. Geiwitz selbst geht davon aus, dass am Ende 800 Millionen Euro den Gläubigern zur Verfügung stehen. Am Donnerstag sagte er in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“, „es ist in der Tat so, dass bei einer Betriebsstilllegung in dieser Dimension sehr hohe Masseverbindlichkeiten zu bezahlen sind und es aus heutiger Sicht überhaupt noch nicht abschätzbar ist, ob es zu einer Quotenzahlung kommt oder nicht.“ Aus der würden dann auch die Beschäftigten bedient. Geiwitz glaubt nach wie vor, dass Schlecker mithilfe eines Investors hätte gerettet werden können. „Ohne die Kündigungsschutzklagen, das heißt mit einer Transfergesellschaft, hätte das Unternehmen vermutlich auch mit Verlust und mit den angebotenen Beiträgen von ver.di verkauft werden können“, sagte er in dem Interview. Geiwitz hatte verzweifelt versucht, die gekündigten Schlecker-Mitarbeiter in Transfergesellschaften unterzubringen, um solche Klagen zu vermeiden. Diese waren aber am Widerstand der FDP gescheitert. „Ich glaube, dass es keinen einzelnen Schuldigen gibt“, sagte Geiwitz. So kamen noch andere Punkte zum endgültigen Aus der einstmals größten deutschen Drogeriekette hinzu: ver.di wollte nicht dem Lohnverzicht zustimmen, den Geiwitz forderte. Zudem machte das Unternehmen weiter laufende Verluste, weil nötige Schritte in der Vergangenheit ausblieben, um das defizitäre Geschäft wieder profitabel zu machen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)