Berlin (dapd). Deutschland stellt den Schutz seiner knapp 500 Handelsschiffe gegen Piratenangriffe auf eine neue gesetzliche Grundlage: Ab Mitte kommenden Jahres können Reeder ihre Schiffe unter deutscher Flagge nur durch bewaffnete private Sicherheitsfirmen schützen lassen, wenn diese eine deutsche Zulassung haben. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. Damit müssen sich alle in- und ausländischen Schutzfirmen eine deutsche Lizenz besorgen, die pro Unternehmen zwischen 8.000 und 16.000 Euro kostet und für zwei Jahre gilt. Mit der regelmäßigen Überprüfung soll gewährleistet werden, dass „keine Desperados“ und „keine Söldnertruppen“ zum Schutz deutscher Schiffe eingesetzt werden, sagte der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP). Derzeit fahren 492 Hochseeschiffe unter deutscher Flagge, deren Zahl soll nun wieder steigen. Nicht wenige Reeder hatten in der Vergangenheit die Ausflaggung auch damit begründet, dass das deutsche Recht einen effektiven Schutz ihrer Schiffe behindere. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) begrüßte daher die Entscheidung. „Unsere Reeder brauchen klare Bedingungen, um die Seeleute effektiv vor der weiter andauernden Bedrohung durch Piraterie schützen zu können“, sagte Verbandspräsident Michael Behrendt, der auch die wichtigste deutsche Reederei Hapag-Lloyd leitet. Denn einer Umfrage der Unternehmensberatung PWC zufolge war jedes dritte deutsche Schifffahrtsunternehmen schon von Piraterie betroffen. 58 Prozent der Reeder haben laut der Studie Sicherheitsdienste an Bord. Zuständig für die Zulassung wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Kooperation mit der Bundespolizei sein. Die Hansestadt Hamburg wird dabei als zentrale Waffenbehörde fungieren. Allerdings sollen nur leichte Waffen zugelassen werden, schwere Waffen sowie Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, werden den Angaben zufolge nicht genehmigt. In erster Linie sollen die Sicherheitsleute die Schiffe bewachen und nur im Notfall verteidigen. Otto begründete den Vorstoß der Bundesregierung mit den zunehmenden Gefahren durch Piraterie. Zwar sei die Zahl der Attacken im ersten Halbjahr gerade im „Hochrisikogebiet“ vor der Ostküste Afrikas um mehr als die Hälfte gegenüber dem Vergleichzeitraum 2011 gesunken. Doch entstehe auf der anderen Seite vor der westafrikanischen Küste eine neue Gefahrenquelle. Hier gingen Piraten mit deutlich größerer Brutalität vor und nähmen auf die Besatzung keine Rücksicht mehr, sagte der Staatssekretär. „Der Gesetzentwurf bringt mehr Sicherheit für Reeder und Mannschaft“, betonte Otto. Geändert wird das Gewerberecht, um firmenbezogene Zulassungen zu ermöglichen, sowie das Waffenrecht. Nicht angetastet wird indes das Seemannsrecht. Otto betonte, damit bleibt die oberste Gewalt auf einem Schiff auch weiterhin in jeder Situation beim Kapitän. dapd (Politik/Politik)
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Neckermann stellt Insolvenzantrag
Frankfurt/Main (dapd). Der angeschlagene Versandhändler Neckermann hat am Mittwoch Insolvenzantrag gestellt. Die Geschäftsführung werde alles daran setzen, das laufende Geschäft auch im vorläufigen Insolvenzverfahren aufrecht zu halten, teilte das Unternehmen mit. Die Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di waren zuvor gescheitert. Der Eigentümer des Unternehmens halte das Ergebnis der Verhandlungen nicht für tragfähig und werde „keine weiteren Mittel für die Finanzierung zur Verfügung stellen“. Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein vom Management beabsichtigter Abbau von 1.380 der rund 2.400 Stellen in Deutschland. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Pleite am Nürburgring: Beck gibt Brüssel die Schuld
Mainz (dapd). Totalschaden am Nürburgring: Die landeseigene Rennstrecke mit angrenzenden Immobilien geht in die Insolvenz. Das rheinland-pfälzische Kabinett beschloss am Mittwoch in Mainz, dass die Nürburgring GmbH von sich aus ein Verfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einleitet. Grund ist nach Angaben von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), dass die EU-Kommission die vom Land beantragte Rettungsbeihilfe von 13 Millionen Euro voraussichtlich nicht vor dem 31. Juli genehmigen wird. Die rot-grüne Landesregierung griff die EU-Kommission deswegen scharf an. Es könne nicht sein, dass 100 Milliarden Euro für private Banken ohne Wettbewerbsprüfung bereitgestellt würden, „und uns hat man ein paar Millionen Übergangshilfen verweigert“, monierte Beck. Das sei eine „bittere Wahrheit“. Becks Stellvertreterin und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) ergänzte: „Ich erwarte, dass uns geholfen wird.“ Rheinland-Pfalz wolle schließlich nicht, dass Spanien bezahle. „Wir hätten das ja selbst geregelt.“ Beck sagte, das Land habe bis vor wenigen Tagen noch positive Signale mit Blick auf die Genehmigung der Rettungsbeihilfe aus Brüssel erhalten. Dass die EU die Entscheidung in dieser Frage nun vertage, halte er für äußerst bedenkenswert: „Nicht entscheiden auf europäischer Ebene heißt Handlungsunfähigkeit für Rheinland-Pfalz“, kritisierte Beck. Das werde man nicht so stehen lassen und sowohl politische Initiativen über das EU-Parlament anstoßen, als auch Rechtsmittel prüfen. Die EU hat Becks Angaben zufolge nicht über die kurzfristigen Finanzhilfen entschieden, da sie zunächst das Beihilfeverfahren über 485 Millionen Euro abschließen will. Einen von der FDP bereits am Dienstag geforderten Rücktritt wies Beck zurück. Die FDP müsse so etwas laut sagen, damit sie überhaupt gehört werde. Zudem erstrecke sich das EU-Beihilfeverfahren auch über einen Zeitraum, in dem zwei FDP-Minister Verantwortung für den Nürburgring gehabt hätten, fügte der Regierungschef hinzu. Hintergrund für die geplante Finanzspritze aus Mainz war, dass die Nürburgring GmbH aufgrund ausbleibender Pachtzahlungen durch die mittlerweile gekündigten privaten Betreiber ihre Zinsen für einen Kredit von 330 Millionen Euro bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) nicht mehr zahlen kann. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte, dass mit der privaten Betreiberfirma, der Nürburgring Automotive GmbH (NAG), jetzt eine Einigung gefunden sei. Demnach wollte die NAG die Rennstrecke zum 31. Oktober an das Land zurückgeben. Über strittige Fragen der Kündigung sei ein Schiedsverfahren vereinbart worden. Der passende Vertrag könne nun aber von der Nürburgring GmbH wegen der Insolvenz nicht mehr unterschrieben werden. Wie groß der Einfluss der rot-grünen Landesregierung nun auf die Neuausrichtung an der Rennstrecke ist, liegt noch im Unklaren. Finanzminister Carsten Kühl (SPD) erklärte, dies hänge von der Art des Insolvenzverfahrens ab. Möglich ist ein sogenanntes Eigeninsolvenzverfahren, bei dem die jetzigen Geschäftsführer im Amt bleiben. Denkbar ist aber auch, dass ein externer Insolvenzverwalter eingesetzt wird. Darüber habe das Gericht zu entscheiden, sagte Kühl. Fest steht aber, dass auf die Steuerzahler erst einmal Kosten zu kommen: Da die Nürburgring GmbH den ISB-Kredit bedienen muss, springt das Land dafür als Bürge ein. Daher müsse eine im Landeshaushalt bereitgestellte Rücklage von 254 Millionen Euro aktiviert werden, sagte Kühl. Ein Nachtragshaushalt sei allerdings nicht notwendig. Wie hoch letztlich der finanzielle Schade am Nürburgring ist, kann noch nicht beziffert werden. Da das Land Hauptgläubiger sei, würde nach einem möglichen Verkauf oder Teilverkauf das Geld auch an die Staatskasse zurückfließen. dapd (Politik/Politik)
Lammert sorgt sich um den Ruf des Bundestages
Stuttgart (dapd). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ist besorgt über das Ansehen des Parlaments. Das „geringe Ansehen des Bundestages“ entspreche weder seiner Bedeutung noch seiner Leistung, sagte Lammert der „Stuttgarter Zeitung“ über eine Forsa-Umfrage. Darin hatten die Bürger den Abgeordneten schlechte Noten ausgestellt. „Ich empfinde das durchaus als besorgniserregend, obwohl die Abgeordneten als konkrete Personen durchaus höher eingeschätzt werden“, sagte der CDU-Politiker. „Unser Parlament ist ganz sicher besser als sein Ruf – aber offensichtlich nicht so gut wie die Erwartung der kritischen Öffentlichkeit an seine Arbeit“, sagte Lammert weiter. In der Umfrage für das Magazin „Stern“ hatten 66 Prozent der Bürger die Frage verneint, ob die meisten Abgeordneten ihre Arbeit engagiert und sachgerecht verrichteten. 81 Prozent der Befragten halten die Abgeordneten für überfordert. dapd (Politik/Politik)
Immer mehr Steuersünder in NRW zeigen sich selbst an
Düsseldorf (dapd). Der angebliche Kauf einer weiteren CD mit Steuersünder-Dateien durch die nordrhein-westfälische Landesregierung sorgt in Berlin und in der Schweiz erneut für Verstimmung. Nach Angaben der „Bild“-Zeitung (Mittwochausgabe) handelt es sich um einen Datenträger mit Bankauszügen von deutschen Staatsbürgern, die ihr Geld in die Schweiz geschafft haben sollen. Die Steuerfahndung Wuppertal habe den Kauf abgewickelt.? Eine offizielle Bestätigung gibt es bislang nicht. Gleichzeitig steigt laut NRW-Finanzministerium die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte unterdessen die SPD-regierten Bundesländer auf, keine Steuer-CDs mehr zu kaufen und stattdessen den Widerstand gegen das deutsch-schweizerische Steuerabkommen aufzugeben. „Jedes Bundesland muss sich seiner Verantwortung stellen. Wenn das Abkommen nicht zustande kommt, ändert sich an dem aktuellen, überaus unbefriedigenden Gesetzeszustand nichts“, sagte Schäuble der „Rheinischen Post“. Den Ankauf sogenannter Steuer-CDs lehnt der CDU-Politiker ab. „Momentan sind deutsche Steuerbeamte wegen der CD-Käufe dem Risiko der Strafverfolgung in der Schweiz ausgesetzt wie auch schweizerische Bankangestellte umgekehrt in Deutschland wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Das wäre alles mit dem Abkommen hinfällig“, betonte Schäuble. Mit dem Abkommen erübrige sich der Kauf von Daten-CDs von Steuersündern. Nach den Worten des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Joachim Poß stellt das Steuerabkommen einen starken Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit und ein unvertretbares Entgegenkommen gegenüber Steuerkriminellen dar. Deren Anonymität wird durch das Abkommen weiter geschützt. „Generell gehört das Abkommen wegen seiner zahlreichen Schwachpunkte in die Tonne“, sagte der Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete. Die Sprecherin des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums, Ingrid Herden, wollte den erneuten Ankauf von Konto-Daten weder bestätigen noch dementieren. „Die Finanzverwaltung NRW erhält immer wieder Datenangebote, prüft sie dann auf Werthaltigkeit und entscheidet“, sagte sie auf dapd-Anfrage. Der unbestätigte Ankauf der Daten sorgte einmal mehr für heftige Proteste der Schweizer Regierung. Der Deutsche Beamtenbund NRW bezeichnet den Ankauf von Steuersünder-Dateien jedoch als wirkungsvolle Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Es sei „ein spürbarer Beitrag zur Steuergerechtigkeit“, erklärte der Bund am Mittwoch in Düsseldorf. Er vertrat zudem die Auffassung, dass der Versuch der Schweiz fehlgeschlagen ist, deutsche Steuerfahnder einzuschüchtern. „Selbst wenn die Gefahr eines Haftbefehls aus dem Ausland droht, gehen Steuerfahnder konsequent ihrer Aufgabe nach und decken unbekannte Steuerfälle auf“, sagte der Vorsitzende Meinolf Guntermann. Die Schweiz hatte Ende März Haftbefehle gegen drei Finanzbeamte aus Nordrhein-Westfalen erlassen, weil sie am Verkauf einer CD mit Daten von mutmaßlichen Steuersündern beteiligt gewesen sein sollen. Die Männer sind nach Angaben des Bundesjustizministeriums bislang nicht verhaftet. „Solange sie sich in Deutschland aufhalten, haben sie nach meinen Kenntnissen nichts zu befürchten“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Berlin auf dapd-Anfrage. Das Rechtshilfegesuch der Schweiz in diesem Fall sei weiter in der Prüfung. Eine Sprecherin des NRW-Justizministeriums sagte: „Es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass sie etwas Unrechtes getan haben.“ Nach Angaben des NRW-Finanzministeriums gingen seit dem erstmaligen Ankauf einer Steuersünder-Datei im Frühjahr 2010 insgesamt 6.370 Selbstanzeigen von Bürgerinnen und Bürgern mit Bezug zur Schweiz ein. Im Monatsvergleich zeigte sich zuletzt ein deutlicher Anstieg bei den Selbstanzeigen: Von Anfang Juni bis Anfang Juli dieses Jahres stieg ihre Zahl um 93 Eingaben. In den beiden Vormonaten hatten sich jeweils weniger als 20 Steuerzahler bei der Finanzverwaltung selbst angezeigt. Bis zum vergangenen Herbst hatte das Land Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro erhalten. dapd (Politik/Politik)
Karlsruhe verschafft Asylbewerbern mehr Geld
Karlsruhe/Berlin (dapd-nrw). Asylbewerber in Deutschland bekommen ab sofort deutlich mehr Geld vom Staat. Die bisherigen Sätze reichen für ein menschenwürdiges Leben nicht aus, wie das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entscheiden hat. Das Karlsruher Gericht ordnete mit sofortiger Wirkung an, dass die Geldleistungen an das Hartz-IV-Niveau angeglichen werden. Davon profitieren rund 130.000 Menschen in Deutschland: Neben Asylsuchenden auch Kriegsflüchtlinge und geduldete Ausländer. Asylbewerber bekommen zurzeit nur 224 Euro pro Monat, also etwa 40 Prozent weniger als Hartz-IV-Bezieher mit dem Regelsatz von 374 Euro. Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte, die Geldleistung für Flüchtlinge sei offensichtlich unzureichend, weil sie seit 1993 trotz einer etwa 30-prozentigen Preissteigerung nicht angehoben wurde. Die Regelsätze in dem nun beanstandeten Asylbewerberleistungsgesetz seien „nicht nachvollziehbar berechnet“ und „nicht realitätsgerecht“. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei verletzt. Dies sei „ein Menschenrecht“, das Deutschen und Ausländern gleichermaßen zustehe. Der Gesetzgeber muss nun unverzüglich eine Neuregelung erlassen. Bis dahin hat das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung in Kraft gesetzt, die ab sofort gilt. Demnach erhält ein alleinlebender Erwachsener statt 224 nun 336 Euro und ein Jugendlicher zwischen 15 und 18 Jahren 260 statt bisher 200 Euro. Die Erhöhung gilt auch rückwirkend ab 2011, wenn Bescheide noch nicht bestandskräftig festgesetzt sind. Die Bundesregierung will nun „unverzüglich“ eine verfassungskonforme Neuregelung erarbeiten. „Dabei werden wir auch den Anspruch auf Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche umsetzen“, teilte das Bundessozialministerium mit. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil. „Das Gericht beendet ein jahrelanges Unrecht. Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er forderte, nun das Asylbewerberleistungsgesetz komplett abzuschaffen. „Die entwürdigende Praxis, Asylsuchende mit Lebensmittelpaketen und anderen Sachleistungen abzuspeisen, muss beendet werden.“ Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) begrüßte das Urteil als „richtungsweisende Korrektur“. Grünen-Politiker Volker Beck sprach von einem „guten Urteil zur Stärkung der Menschenrechte in Deutschland“. Die SPD-Sozialexpertin Anette Kramme sagte, das Gericht habe ein „weises Urteil“ gefällt. FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff begrüßte es, dass Asylbewerber mehr Geld bekommen sollen. „Gleichzeitig müssen wir auch über eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber in Deutschland nachdenken. Das wäre menschenwürdiger und würde auch die Staatskasse entlasten“, gab Wolff zu bedenken. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus sagte, Asylbewerber erhielten nun höhere Geldleistungen, „soweit der Bedarf nicht, wie im Gesetz vorgesehen, vorrangig durch Sachleistungen abgedeckt wird“. Eine Anhebung der Leistungen sei angesichts der jahrelang gestiegenen Lebenshaltungskosten „überfällig“. Einige Länder wie beispielsweise Bayern setzen bislang weitgehend auf Sachleistungen, andere wie etwa Hamburg oder Berlin auf reine Geldleistungen. Der Städtetag erwartet für die Kommunen nun einen deutlichen Kostenanstieg. Der Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, Tom Koenigs, erklärte, das Urteil zeige erneut die „eklatanten Mängel der deutschen Flüchtlingspolitik“ auf. Menschenrechte von Asylbewerbern „auf Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe“ sein verletzt worden. Das Verfassungsgericht urteilte über Vorlagen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. dapd (Politik/Politik)
Klarheit geschaffen
Karlsruhe (dapd). Die Bundesregierung begrüßt das Karlsruher Urteil zu den staatlichen Geldleistungen für Asylbewerber in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht habe damit „Klarheit geschaffen“, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des Sozialministeriums in Berlin. Nun müssten sich Bund und Länder auf eine Neuregelung einigen. Bis ein neues Gesetz vorliege, werde es eine Übergangsregelung geben. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die staatlichen Geldleistungen für Asylbewerber zu niedrig sind und gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Länder müssten die Kosten hierfür tragen, der Bund regele den gesetzlichen Rahmen, erläuterte die Sprecherin. Beide Seiten hätten sich in einer Arbeitsgruppe bislang nicht verständigen können. Das Gesetz werde nun aber – wie von Karlsruhe verlangt – „zeitnah und zügig“ auf den Weg gebracht. dapd (Politik/Politik)
Verfassungsschutz: Friedrich kündigt Reform-Eckpunkte für Herbst an
Berlin (dapd-lsc). Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will bis zum Herbst Eckpunkte für eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes vorlegen. Dies kündigte der CSU-Politiker am Mittwoch bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2011 in Berlin an. Zugleich wies Friedrich Forderungen nach einer Abschaffung der krisengeschüttelten Behörde zurück. „Der Verfassungsschutz ist ein unverzichtbares Frühwarnsystem.“ Die Bedrohung Deutschlands durch Extremismus, Terrorismus und Cyber-Angriffe nehme zu. Nach der Pannenserie im Fall des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sei das Ansehen des Verfassungsschutzes beschädigt, räumte Friedrich ein. Nunmehr gelte es, das Vertrauen in die Behörde wieder herzustellen. Daher solle nach der Erarbeitung der Eckpunkte eine Reform „zügig“ vorangetrieben werden. Insbesondere will der Minister die „Zentralfunktion“ des Bundesamtes gegenüber den Landesämtern stärken. Friedrich zeigte sich auch offen für Vorschläge, die Organisation zu straffen und kleine, ineffiziente Ämter zusammenzulegen. Dazu müsse es aber noch Gespräche mit den Ländern geben. Der Minister erwartet, dass der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, die Veränderungen „konsequent“ durchsetzt. Der 49-jährige Maaßen, der bisher Stabschef für Terrorismusbekämpfung im Innenministerium war, folgt am 1. August dem langjährigen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, im Amt. Das beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett. Fromm hatte seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt, als bekannt wurde, dass ein Beamter seines Amtes wichtige Akten zur Zwickauer Terrorzelle geschreddert hatte, noch nachdem die Terrororganisation im November 2011 aufgeflogen war. Dies sei kein gewöhnlicher Fehler gewesen, sagte Fromm am Mittwoch zu dem brisanten Vorgang und ging mit seiner Behörde erneut hart ins Gericht: „Die Besonderheit war, dass der Fehler über ein halbes Jahr vertuscht worden ist.“ Laut dem scheidenden Geheimdienstler ist das Disziplinarverfahren gegen jenen Referatsleiter noch nicht abgeschlossen. Verfahren seien auch gegen zwei ihm Vorgesetzte eingeleitet worden. Fromm stand zwölf Jahre an der Spitze des Amts. Friedrich dankte ihm für seine Arbeit und Loyalität. Er betonte, der Verfassungsschutz habe maßgeblichen Anteil daran, dass seit 2001 sieben Anschlagsvorbereitungen mit islamistischem Hintergrund vereitelt werden konnten. Zudem habe man durch Erkenntnisse der Geheimdienstler vermocht, Vereine von gewaltbereiten Muslimen, aber auch rechtsextremistische Organisationen zu verbieten. „Es gab aber auch Misserfolge“, räumte der Innenminister ein. Der „größte“ sei das „Nichtentdecken des NSU“ gewesen. Tatsächlich enthält der Verfassungsschutzbericht 2010 noch keinen Hinweis auf die Gefahr des Rechtsterrorismus. In dem neuen Bericht warnt die Sicherheitsbehörde nun vor möglichen Nachahmern des NSU. Es sei nicht auszuschließen, „dass Einzelne diese Taten sich zum Vorbild nehmen könnten und ähnlich agieren könnten“, sagte Fromm. „Hier ist hohe Aufmerksamkeit gefordert.“ Laut dem Bericht nimmt die Zahl von Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten zu. Die Mitgliederzahl rechtsextremistischer Parteien gehe hingegen zurück. Auch in der linksautonomen Szene gebe es eine zunehmende Gewaltbereitschaft, sagte Fromm. Die Bedrohung durch islamistische Extremisten bestehe zudem unverändert fort – „von ihr geht die größte Gefahr aus“. Insbesondere sei ein starker Zulauf bei den radikalen Salafisten zu verzeichnen, die in Deutschland inzwischen 3.800 teils gewaltbereite Anhänger hätten. dapd (Politik/Politik)
Nürburgring muss Insolvenz anmelden
Mainz (dapd). Totalschaden am Nürburgring: Die landeseigene Rennstrecke mit angrenzenden Immobilien geht in die Insolvenz. Das rheinland-pfälzische Kabinett beschloss am Mittwoch in Mainz, dass die Nürburgring GmbH von sich aus ein Verfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einleitet. Grund ist nach Angaben von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), dass die EU-Kommission die vom Land beantragte Rettungsbeihilfe von 13 Millionen Euro voraussichtlich nicht vor dem 31. Juli genehmigen wird. Die rot-grüne Landesregierung griff die EU-Kommission deswegen scharf an. Es könne nicht sein, dass 100 Milliarden Euro für private Banken ohne Wettbewerbsprüfung bereitgestellt würden, „und uns hat man ein paar Millionen Übergangshilfen verweigert“, monierte Beck. Das sei eine „bittere Wahrheit“. Becks Stellvertreterin und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) ergänzte: „Ich erwarte, dass uns geholfen wird.“ Rheinland-Pfalz wolle schließlich nicht, dass Spanien bezahle. „Wir hätten das ja selbst geregelt.“ Beck sagte, das Land habe bis vor wenigen Tagen noch positive Signale mit Blick auf die Genehmigung der Rettungsbeihilfe aus Brüssel erhalten. Dass die EU die Entscheidung in dieser Frage nun einfach vertage, halte er für äußerst bedenkenswert: „Nicht entscheiden auf europäischer Ebene heißt Handlungsunfähigkeit für Rheinland-Pfalz“, kritisierte Beck. Das werde man nicht so stehen lassen und sowohl politische Initiativen über das EU-Parlament anstoßen, als auch Rechtsmittel prüfen. Die EU hat Becks Angaben zufolge nicht über die kurzfristigen Finanzhilfen entschieden, da sie zunächst das Beihilfeverfahren über 485 Millionen Euro abschließen will. Daraus folgt laut Beck für die Nürburgring GmbH, dass „mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Insolvenz zum Ende des Monats wegen mangelnder Liquidität“ eintreten würde. Dem komme man nun mit der Entscheidung für ein „geordnetes Insolvenzverfahren“ zuvor. Noch am Mittwoch sollten die Gesellschafterversammlung und der Aufsichtsrat die weiteren Schritte einleiten und einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler vorbereiten. Hauptgläubiger sei das Land Rheinland-Pfalz, betonte Beck. Betroffen von der Insolvenz seien etwa 30 Mitarbeiter. Wie groß der Einfluss der rot-grünen Landesregierung nun auf die Neuausrichtung an der Rennstrecke ist, liegt noch im Unklaren. Finanzminister Carsten Kühl (SPD) erklärte, dies hänge von der Art des Insolvenzverfahrens ab. Möglich ist ein sogenanntes Eigeninsolvenzverfahren, bei dem die jetzigen Geschäftsführer im Amt bleiben. Denkbar ist aber auch, dass ein externer Insolvenzverwalter eingesetzt wird. Darüber habe das Gericht zu entscheiden, sagte Kühl. Klar ist aber, dass auf die Steuerzahler erst einmal Kosten zu kommen: Da die Nürburgring GmbH einen Kredit von 330 Millionen Euro bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) bedienen muss, springt das Land dafür als Bürge ein. Daher müsse eine im Landeshaushalt bereitgestellte Rücklage von 254 Millionen Euro aktiviert werden, sagte Kühl. Ein Nachtragshaushalt sei allerdings nicht notwendig. Wie hoch letztlich der finanzielle Schade am Nürburgring ist, kann noch nicht beziffert werden. Da das Land Hauptgläubiger sei, würde nach einem möglichen Verkauf oder Teilverkauf das Geld auch an die Staatskasse zurückfließen. dapd (Politik/Politik)
Asylbewerber erhalten ab sofort mehr Geld vom Staat
Berlin (dapd). Asylbewerber bekommen ab sofort deutlich mehr Geld vom Staat. Die bislang sehr niedrigen Sätze verstoßen gegen die Menschenwürde und müssen deshalb sofort an das Hartz-IV-Niveau angeglichen werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe entschieden. Asylbewerber bekommen zurzeit nur 224 Euro pro Monat, Hartz-IV-Bezieher hingegen 374 Euro. Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof erklärte, die Geldleistung für Flüchtlinge sei offensichtlich unzureichend, weil sie seit 1993 trotz erheblicher Preissteigerungen nicht angehoben wurde. Die Sätze seien nicht nachvollziehbar berechnet und nicht realitätsgerecht. Die Richter urteilten, dass das bisherige Asylbewerberleistungsgesetz das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt. Dieses Menschenrecht stehe Deutschen und Ausländern gleichermaßen zu. Der Gesetzgeber muss nun unverzüglich eine Neuregelung erlassen. Bis dahin hat das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsregelung in Kraft gesetzt, die ab sofort gilt. Danach erhält ein alleinlebender Erwachsener statt 224 nun 336 Euro und ein Jugendlicher zwischen 15 und 18 Jahren 260 statt bisher 200 Euro. Die Erhöhung gilt auch rückwirkend ab 2011, wenn Bescheide noch nicht bestandskräftig festgesetzt sind. Die Flüchtlingsordanisation Pro Asyl begrüßte die Entscheidung. „Das Gericht beendet ein jahrelanges Unrecht. Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er forderte, nun das komplette Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. „Die entwürdigende Praxis, Asylsuchende mit Lebensmittelpaketen und anderen Sachleistungen abzuspeisen, muss beendet werden. Auch dürfen Flüchtlinge nicht länger gezwungen werden, in Lagern zu leben.“ Das Asylbewerberleistungsgesetz stamme aus einer Zeit, in der es Handlungsmaxime war, Flüchtlinge um jeden Preis abzuschrecken, beklagte Burkhardt. „Wer diese Politik heute fortschreiben will, der demütigt Menschen, deren Schutzbedürftigkeit auf der Hand liegt – etwa Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Sudan, Somalia oder Eritrea.“ Der Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, Tom Koenigs, erklärte, das Urteil zeige erneut die „eklatanten Mängel der deutschen Flüchtlingspolitik“ auf. Die bisherigen Leistungen hätten Asylbewerbern kein menschenwürdiges Leben ermöglicht. „Ihre Menschenrechte auf Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe wurden verletzt. Vor allem die Verletzung von Kinderrechten war empörend.“ Nun sei die Bundesregierung gefordert, Asylbewerbern eine menschenwürdige Grundsicherung zu gewährleisten. Das Verfassungsgericht urteilte über Vorlagen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. dapd (Politik/Politik)