Gütersloh – Nach der Arbeit noch ran an den PC und eine Runde lernen? In praxisintegrierten oder berufsbegleitenden Studiengängen ist das nötig. Doch was, wenn man den Lernstoff nicht versteht, oder sich selbst nicht motivieren kann? Für solche und andere Hindernisse im Studium entwickelt das Projekt DigikoS – „Digitalbaukasten für kompetenzorientiertes Selbststudium“ Lösungen. DigikoS fördert die Selbstlernkompetenzen der Studierenden und steigert die Motivation. Als Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden stehen Digital Learning Scouts.
Digital, hybrid, online – zum heutigen Hochschul- und Arbeitsalltag gehören softwarebasierte Tools und Konzepte längst dazu. Die hybride Lehre ist zukunftsweisend und nicht mehr wegzudenken. Sie birgt aber auch Herausforderungen: Studierende, die eine eher schulische Lernatmosphäre gewohnt sind, kann das selbstständige Lernen zu Hause überfordern. Praxisintegrierte Studiengänge erfordern zudem eine große Portion Eigeninitiative und viel Vorbereitung von den Studierenden. Die Praxisphasen durchlaufen sie in der Regel für drei Monate in einem Unternehmen. Danach wird für drei Monate an der Hochschule die Theoriephase absolviert, die theoretischen Einheiten müssen gut vorbereitet sein. Für die Studierenden beginnt die Selbstlernphase erst nach einem Arbeitstag im Unternehmen. Das kann gerade zu Beginn des Studiums herausfordernd sein. Neben fehlender Motivation entstehen oft noch andere Hürden: Was, wenn man die Inhalte nicht versteht und Fragen hat? Das praxisorientierte Verbundprojekt DigikoS liefert hierfür Lösungen. Im Mittelpunkt stehen dabei sogenannte Digital Learning Scouts (DLS). Diese entwickeln in Absprache mit Lehrenden aus unterschiedlichen Fachbereichen unter anderem Lernsequenzen mit Übungsaufgaben innerhalb der Lernplattform ILIAS. Der Lernstoff ist durch Beispielaufgaben leichter zugänglich. „Bei Fragen helfen die Scouts sofort weiter“, erklärt Nils Baxheinrich, der im ersten Semester Digitale Technologien studiert und die Schwierigkeiten zum Studienbeginn kennt. Der Student lernt selbst nach der Arbeit mit den digitalen Aufgaben, die die Scouts entwickelt haben und kann dadurch im Studium mithalten. Die Digital Learning Scouts sind ebenfalls noch im Studium und können sich in die Situation der neuen Studierenden gut hineinversetzen. Disziplin und Motivation sind für Studierende aus jedem Fachbereich wichtig. Daher unterstützen aktuell 14 Scouts Studierende aus diversen Studiengängen; von Mathematik über Wirtschaftspsychologie bis hin zum Studiengang Soziale Arbeit.
Ein Digitalbaukasten für Zuhause
Leen Jubarah ist seit einigen Monaten als DLS aktiv und entwickelte mit drei weiteren Mitgliedern des Teams Lernsequenzen für Mathematik I und III. Als Studentin der Angewandten Mathematik kennt sie selbst die Schwierigkeiten der Studienbeginner: „Sich selbstständig in Mathe-Aufgaben einzuarbeiten, fällt nicht immer allen Studierenden leicht.“ Für solche Schwierigkeiten ist der neu entwickelte Werkzeugkasten ideal. Ein Beispiel in DigikoS sind STACK-Aufgaben für Mathe-Seminare. STACK ist ein Plug-in für ILIAS und ermöglicht die Erstellung digitaler Mathe-Aufgaben. Anhand der Übungen können Studierende aus unterschiedlichen Matheveranstaltungen Aufgaben bearbeiten und die Theorie aus den Vorlesungen besser verinnerlichen. Die Umsetzung der Übungen erfordert viel technisches und mathematisches Wissen und birgt auch Tücken: „Einige Gesetze werden in STACK nicht vollständig erkannt, da dürfen wir uns nicht zu sehr auf die Technik verlassen. Auch Bugs müssen wir frühzeitig erkennen“, weiß Jubarah.
Die Studierenden können sich selbstständig mit den Aufgaben befassen, und sich bei Fragen an die DLS wenden. Neben technischen Herausforderungen geht es oft um inhaltliche Probleme, mit denen die DLS konfrontiert werden. Dabei wiederholen sie selbst auch die Studieninhalte und erweitern ihren eigenen Wissensstand durch die Zusammenarbeit des Teams. „Meine größte Motivation ist, aktiv an der digitalen Lehre beteiligt zu sein,“ erklärt Jubarah.
Im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik unterrichtet Dr. Lisa Teich Mathematik und kennt die Anfangsschwierigkeiten: „Mit Beginn des Studiums stellen wir oft fest, dass die Studierenden einige Wissenslücken in Mathe haben. Manche haben eine Ausbildung gemacht oder das Abiturwissen liegt schon länger zurück. Um der Theorie folgen zu können, braucht es eine gute Vorbereitung. Dafür sind die jetzt entwickelten Lernsequenzen optimal.“ Die Materialien bleiben online und können später zur Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Dr. Henrik Pruisken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt DigikoS. Er hebt vor allem die Vermittlerrolle der DLS hervor: „Wir beschäftigen DLS aus fast allen Fachbereichen, die ihre vielfältigen Perspektiven einbringen, um Brücken zwischen Lehrenden und Studierenden zu bauen.“.
Verbundprojekt für digitales Lernen und Lehren
Am Verbundprojekt DigikoS sind neben der FH Bielefeld auch die Duale Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe, die Technische Hochschule OWL und ILIAS e.V. beteiligt. Jeder Partner hat für die Förderdauer des Projekts eigene Schwerpunkte und Arbeitspakete, insgesamt sind es sieben Pakete. Das zweite Arbeitspaket liegt bei der FH Bielefeld und trägt den Titel „Digitale Materialiensammlung für Digital Learning Scouts“. Eine erste Evaluierung unter Studierenden des Projekts fiel positiv aus.
Neben den praxisintegrierten Studiengängen arbeiten DLS auch in anderen Fachbereichen an digitalen Lernmöglichkeiten. Zusätzlich zur Ausbildung der Digital Learning Scouts laufen derzeit neun weitere Kooperationen mit Lehrenden anderer Studiengänge in den Fachbereichen Sozialwesen, Gesundheit, Wirtschaft und Campus Minden. Die aktuellen Kooperationen sind unter anderem „Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens“, „Konstruktion und Maschinenelemente II“ oder „Relationship Marketing“. Das Projektteam in Bielefeld hat vor allem drei Ziele für die Projektdauer: Die Entwicklung einer digitalen Materialsammlung, die Ausbildung der DLS und die Erstellung eines Handlungsleitfadens zum Einsatz der Scouts. Das Projekt startete im August 2021 und wird noch bis zum Sommer 2024 von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert.