Bielefeld. Wenn es um die Bewegungsfertigkeit geht, schneiden heutige Roboter gewöhnlich schlechter ab als Menschen und Tiere. Im Vergleich sind ihre Bewegungen starr und wenig flexibel. Nicht so der humanoide Roboter COMAN: Er läuft federnden Schrittes. Mit Federmechanismen ausgerüstet, kann er seine Arme und Beine geschmeidig bewegen, das Gleiche gilt für Gelenke in Brust, Bauch, Rücken und Becken.
Drei Prototypen gibt es weltweit. Ein COMAN wird im Italian Institute of Technology (ITT) in Genua erforscht, ein weiterer an der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) – jetzt hat auch die Universität Bielefeld ein Exemplar erhalten. Möglich wurde das durch das EU-Forschungsprojekt AMARSi, das von der Universität Bielefeld koordiniert wird. Das Ziel des Projekts: Roboter zu entwickeln, die vielfältige motorische Fähigkeiten haben.
AMARSi steht für „Adaptive Modular Architectures for Rich Motor Skill” (Adaptive modulare Kontrollarchitekturen für reichhaltige motorische Fähigkeiten). Die Forscherinnen und Forscher in dem Projekt arbeiten daran, die Mechanik, Steuerung und Lernfähigkeit von Robotern von Anfang an zu verzahnen und nach dem Vorbild des Menschen zu gestalten. Schrittweise soll dabei das Verhaltensrepertoire der Versuchsroboter vergrößert werden – vor allem auch dadurch, dass die Roboter lernen, selbständig neue Bewegungen zu vollziehen.
COMAN ist eine Entwicklung des AMARSi-Projekts. Technisch konstruiert wurde der Roboter von dem Italian Institute of Technology. Die Universität Bielefeld und acht weitere internationale Forschungseinrichtungen im Projekt tragen Komponenten der Steuerung bei. Der Roboter ist mit flexiblen Antriebselementen ausgestattet, durch die sich seine Gliedmaßen nicht starr und rücksichtslos bewegen, sondern nachgeben, wenn COMAN mit einem Gegenstand oder einem Menschen in Kontakt kommt. Diese Nachgiebigkeit ist typisch für ihn – und ihr verdankt er seinen Namen. Denn „COMAN“ leitet sich von „Compliant Humanoid“ ab, was so viel heißt wie nachgiebiger oder fügsamer Humanoid. Seine besondere Fähigkeit hat er mechanischen Federn zu verdanken, die in einem Großteil seiner Antriebe sitzen. „Dadurch ist er unempfindlich gegen Stöße. Schubser und Anrempler machen ihm nichts aus – er gleicht sie mit seiner Federung aus und bleibt stehen“, sagt Professor Dr. Jochen Steil vom Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld. Er ist Koordinator des Projekts AMARSi und erforscht COMAN künftig mit seinem Team im CoR-Lab.
„Unsere Forscher haben dazu beigetragen, dass COMAN jetzt schnell vielfältige Bewegungen und Aufgaben, wie zum Beispiel einen Luftballon zu verfolgen, lernen wird“, sagt Professor Steil. Künftig müssen die CoR-Lab-Forscherinnen und -Forscher nicht mehr ins Ausland reisen, um an COMAN zu arbeiten. Sie können mit dem 95 Zentimeter großen Roboter in einem Labor im Universitätshauptgebäude experimentieren – indem sie ihm zum Beispiel beibringen, Bewegungen von Menschen zu imitieren oder flexibel eigene Bewegungsmuster zu improvisieren. Seine Nachgiebigkeit ist die Grundlage dafür, dass er mit Menschen sicher agieren kann. „Bisherige Humanoiden hatten oft das Problem, dass sie Kräfte nicht spüren konnten. Bei plötzlichen Zusammenstößen verloren sie die Balance oder fielen um“, sagt Steil. Damit COMAN Arme, Beine und Rumpf möglichst geschmeidig bewegen kann, verfügt er über 23 Freiheitsgrade – das sind seine voneinander unabhängigen Gelenke. Sechs hat er in jedem Bein, drei in Taille und Oberkörper und mit je vier sind seine Schultern und Arme ausgestattet. Beschleunigungssensoren in Rumpf und Brust helfen dem Roboter, das Gleichgewicht zu halten. Sein Kern besteht aus Metall, seine Außenhaut aus Kunststoff, sodass er auf ein Gewicht von 31 Kilogramm kommt. Noch hat COMAN keinen Kopf und keine Hände. „Für die derzeitigen Untersuchungen ist das nicht erforderlich. Für künftige Interaktionsforschung entwickeln wir das aber für ihn“, erklärt Steil.
Seit März 2010 läuft das AMARSi-Projekt, das im Februar 2014 beendet wird. Das Gesamtbudget beträgt rund sieben Millionen, davon gehen 1,4 Millionen Euro an die Universität Bielefeld. Das Ziel der Forscherinnen und Forscher: Die nachgiebigen und lernfähigen Roboter sollen künftig vielseitiger einsetzbar sein als bisherige Modelle und sich durch ihre natürlichen Bewegungen harmonisch in den Alltag der Zukunft einfügen.