Berlin (dapd). Zehn Jahre, nachdem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Eckpunkte der Agenda 2010 im Bundestag vorstellte, ist das Unbehagen über die Arbeitsmarktreform weiter hoch. Die Grünen, die die Agenda 2010 in ihrer Regierungszeit mit beschlossen hatten, kündigten im Falle eines Wahlsiegs eine Korrektur der Reform an. Und die Linke legte am Mittwoch Eckpunkte für eine „Agenda für soziale Gerechtigkeit“ vor. Der ehemalige Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) verteidigte das Reformpaket dagegen. Am 14. März 2003 hatte Schröder im Bundestag ein umfassendes Reformprogramm vorgestellt. Dazu gehörten Flexibilisierungen beim Kündigungsschutz, Einschnitte beim Arbeitslosengeld sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Müntefering lobte das Reformpaket von damals. „Es war richtig, dass wir es gemacht haben. Deutschland hatte in den 90er Jahren die Zeit verpennt“, sagte Müntefering dem Sender Phoenix. Für den Bereich der Leiharbeit räumte er allerdings Fehlentwicklungen ein. „Das Übel war, dass uns einige im Unternehmerlager betrogen haben, die dann nicht mehr die Löhne gezahlt haben, vergleichbar denen, die ihre anderen Arbeitnehmer haben. So war das nicht gemeint“, fügte Müntefering hinzu. Deutlich kritischer äußerten sich die Grünen anlässlich des Jahrestags. Die Agenda sei im Gesamtergebnis „unausgewogen“ gewesen, schreiben die beiden Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin in einem Gastbeitrag der „Zeit“. „Wir brauchen dringend einen Mindestlohn, eine Begrenzung der Minijobs, eine klare Equal-Pay-Regelung für Leiharbeit und deren Begrenzung auf den Zweck, Auftragsspitzen abzufedern“, heißt es darin weiter. Viele Aussagen über die Agenda seien „Mythen“, schreibt das grüne Spitzenduo. So seien nicht die Sozialreformen der damaligen rot-grünen Bundesregierung Ursache des heutigen wirtschaftlichen Erfolgs Deutschlands, es sei vielmehr die Stärke der deutschen Exportwirtschaft. Linksfraktionschef Gregor Gysi erinnerte am Mittwoch in Berlin daran, dass der Widerstand gegen die Agenda 2010 der Gründungskonsens der Linkspartei gewesen sei. Nun sei die Linke die erste Partei, „die als erste messbare Ziele für eine Rückabwicklung der verheerenden sozial- und verteilungspolitischen Folgen“ definiere. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit werde eine der zentralen Fragen des Bundestagswahlkampfs werden. Besonders kritisch bewertet die Partei nach wie vor die Einführung von Hartz IV. Linke-Vorsitzende Katja Kipping verwies darauf, dass dies nicht nur ein Angriff auf die Lebensverhältnisse von Erwerbslosen gewesen sei, sondern auch auf das Lohngefüge insgesamt. „Gute Arbeit, gerechte Löhne, Rente, die vor Armut schützt und den Lebensstandard sichert, soziale Grundrechte: das sind keine Utopien, sondern das sind realisierbare Ziele“, sagte sie bei der Vorstellung der Forderungen ihrer Partei. Danach befragt, warum die Linke trotz der Kritik an Agenda 2010 und Hartz IV dennoch keinen Komplettumbau des Systems mit beispielsweise einer Rückkehr zur Arbeitslosenhilfe fordere, antwortete Kipping: „Wenn wir die Mindestsätze auf mindestens 500 Euro erhöhen, wenn wir die Sanktionen abschaffen und wenn wir die Bedarfsgemeinschaft bei Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche aufheben, dann kann man nicht mehr von Hartz-IV-System sprechen.“ Insgesamt betrachten die Deutschen die Agenda-Politik von damals mit gemischten Gefühlen. In einer Umfrage für das Magazin „Stern“ erklärten 44 Prozent der Bürger, die Agenda sei alles in allem „eher gut“ für Deutschland gewesen. 43 Prozent hingegen meinten, die vor allem wegen Hartz IV umstrittene Reform habe sich „eher schlecht“ für das Land ausgewirkt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte die Agenda-Reformen hingegen überschätzt. „Die Agenda ist nur die Rückkehr zu dem schwarz-gelben Reformkurs, den Schröder 1998 nach seinem Wahlsieg beseitigt hat“, sagte Schäuble der „Passauer Neuen Presse“. Schwarz-Gelb habe bis zum Jahr 1998 bereits wichtige Reformen auf den Weg gebracht, unter anderem den demografischen Faktor in der Rente. dapd (Politik/Politik)
Zehn Jahre danach: Agenda 2010 sorgt weiter für Unbehagen
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Peer-Michael Preß
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