Erfurt (dapd). Nach 31 Ausschusssitzungen, 55 Zeugenvernehmungen und 5.000 gesichteten Akten-Ordnern hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages am Montag in Erfurt seinen Zwischenbericht an Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) übergeben. Das 554 Seiten starke Papier zeige, dass sowohl die Thüringer Politik als auch die Sicherheitsbehörden des Landes in den 1990er Jahren mit dem Erstarken der rechten Szene viel zu nachlässig umgegangen seien, sagte die Ausschuss-Vorsitzende, Dorothea Marx (SPD). Der Bericht lege Zeugnis über eine Zeit ab, in der Thüringen die „ungeteilte Verantwortung“ für das Entstehen des NSU trage. Marx sagte, es gebe weitere vier zentrale Erkenntnisse aus dem Papier: So habe der Landesverfassungsschutz seinerzeit unzulässig gehandelt, als er die rechte Führungsfigur Tino Brandt zum V-Mann gemacht habe. Zudem sei dessen Honorar zumindest teilweise in den rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geflossen, was einer mittelbaren Unterstützung des rechten Milieus gleichkomme. Weiter sei die Auflösung der damals arbeitenden Sonderkommission Rechtsextremismus der Thüringer Polizei Mitte der 1990er Jahre ein verhängnisvoller Rückschlag für die Ermittlungen im rechten Umfeld gewesen. Und schließlich sei offenkundig, dass rechte V-Leute des Verfassungsschutzes vor Strafverfolgung geschützt worden seien. Linke formuliert Sondervotum Der Untersuchungsausschuss hatte den Zwischenbericht in der vergangenen Woche mit sechs Ja-Stimmen verabschiedet. Ein CDU-Abgeordneter und die beiden Ausschussmitglieder der Linken, Martina Renner und Katharina König, hatten sich bei der entscheidenden Stimmabgabe enthalten. Der Linken gingen einige Schlussfolgerungen im Zwischenbericht nicht weit genug. Dennoch trügen sie den Bericht in weiten Teilen mit, sagten sie. Um ihre Einschätzung zu verdeutlichen, stellten Renner und König dem Zwischenbericht ein neunseitiges Sondervotum zur Seite. Darin verwiesen sie etwa darauf, dass die Versäumnisse beim Verfassungsschutz in den 1990er Jahren keine Pannen gewesen und auch nicht an das Verhalten einzelner Personen gebunden seien, sondern systemische Ursachen gehabt hätten. Renner warf der Behörde kriminelles Agieren, moralloses Handeln und das Vernichten von Beweismitteln für die Arbeit des Ausschusses vor. „Beim Verfassungsschutz sehen wir keine Pannen, da sehen wir Schuld“, sagte sie. Ihrer Ansicht nach hat die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus durch die Politik in den 1990er Jahren zu einer Verharmlosung der rechten Gefahr geführt. „Man hat bewusst den Blick nach rechts verstellt und den nach links geschärft“, sagte Renner. Ausschussarbeit wird fortgesetzt Kritik am Sondervotum kam vom Grünen-Obmann Dirk Adams. „Mich hat das befremdet“, sagte er. Den Dissens, der auf diese Weise geschaffen werde, sehe er nicht. Marx dagegen verteidigte das Sondervotum als gutes parlamentarisches Recht. Gleichzeitig zeigte sich Adams erschüttert darüber, dass bis heute weder Polizei noch Justiz oder Verfassungsschutz Verantwortung für die Fehler von damals übernommen hätten. Die rechtsextremistische Terrorzelle soll für deutschlandweit zehn Morde verantwortlich sein. Der Ausschuss hat bislang nur die Zeit zwischen Anfang der 1990er Jahre und Anfang 1998 untersucht. Zum letztgenannten Zeitpunkt waren die mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einer Durchsuchung mehrerer Garagen in Jena untergetaucht. An diesem Punkt soll die Untersuchungsarbeit nun in den kommenden Monaten weitergehen. Das Gremium war im Januar 2012 vom Landtag eingesetzt worden. dapd (Politik/Politik)
Thüringer NSU-Ausschuss dokumentiert das Versagen
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Peer-Michael Preß
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