Berlin (dapd). Die SPD will gegen das geplante Betreuungsgeld vor Gericht ziehen. Sollte die schwarz-gelbe Koalition das Gesetz tatsächlich im September verabschieden, strebe die SPD im Bundestag eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an, sagte die Justiziarin, Brigitte Zypries, am Dienstag in Berlin. Ein von der Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die geplante Familienleistung für Kinder gegen das Grundgesetz verstößt. Die Regierungskoalition aus Union und FDP will das Betreuungsgeld Ende September in zweiter und dritter Lesung verabschieden. Es soll Eltern von ein- und zweijährigen Kindern zu Gute kommen, die keine staatlich geförderte Betreuung einer Krippe oder einer Tagesmutter in Anspruch nehmen. Besonders die CSU macht sich für das Betreuungsgeld stark, das auch in Teilen von FDP und CDU sehr umstritten ist. „Es ist ein Lex Seehofer, dass die Landtagswahl in Bayern vorbereiten soll“, kritisierte SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler. Für eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist ein Viertel der Bundestagsabgeordneten nötig. Die SPD-Fraktion allein kommt nicht auf eine ausreichende Zahl Parlamentarier. Man habe aber „gute Signale“ der Grünen, hieß es. Ziel sei eine gemeinsame Klage. Die Partei stützt sich bei ihren Plänen auf ein Rechtsgutachten von Professor Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er sieht im geplanten Gesetz einen Verstoß gegen die Verfassung in vier zentralen Punkten. So schaffe das Betreuungsgeld einen Anreiz für Eltern, ihr Kind nicht in eine öffentlich geförderte Kinderbetreuung zu geben. Damit verletze das Betreuungsgeld das Gebot, dass die Ausgestaltung der Kinderbetreuung Angelegenheit der Eltern ist und der Staat in diese Entscheidung nicht lenkend eingreifen darf, schreibt Wieland in dem Gutachten, das dapd vorliegt. Laut Gutachten steht das Betreuungsgeld auch im Widerspruch zum allgemeinen Gleichheitssatz. Familien, die ein staatliches Angebot wie Kitas nicht in Anspruch nehmen, dürften nicht besser gestellt werden als Familien, die Kitas für ihre Kinder nutzen. Die vorgesehene Regelung führe ebenfalls dazu, dass Eltern mit 13 und 14 Monaten alten Kindern zum Teil Betreuungsgeld bekommen, zum andern Teil nicht – und das bei ansonsten gleichen Bedingungen. Auch das verstoße gegen den Gleichheitssatz. Auch ist das Betreuungsgeld nach Auffassung des Verfassungsrechtlers unvereinbar mit dem staatlichen Gleichstellungsgebot. Das verpflichtet den Staat, mit positiven Maßnahmen die Gleichstellung von Frauen zu fördern – „mit dem Betreuungsgeld tue die Bundesregierung das Gegenteil: Sie verfestigt traditionelle Rollenbilder“, schreibt der Jurist. Wieland geht davon aus, dass ein Verfahren in Karlsruhe mindestens ein Jahr dauern könnte. Sollte das Gesetz also in diesem Herbst verabschiedet werden, würde Karlsruhe erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 entscheiden. Harsche Worte gegen das Betreuungsgeld kommt weiter von den Familienverbänden. „Abgesehen von der rechtlichen Fragwürdigkeit ist das Betreuungsgeld vor allem moralisch verwerflich, denn es setzt falsche Anreize“, sagte der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler. Es handle sich um ein „unmoralisches Angebot“, weil damit nicht die Bedürfnisse des Kindes hinterfragt, sondern Eltern in Versuchung gebracht werden, auch ein Kind, das von einem Kita-Angebot enorm profitieren würde, zu Hause zu betreuen, befürchtet Stadler. dapd (Politik/Politik)
SPD will Betreuungsgeld notfalls in Karlsruhe stoppen
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Peer-Michael Preß
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