Hannover (dapd). Geier Sturzflug steigert das Bruttosozialprodukt auf der Bühne. Während die Band ihren Hit aus den 80er Jahren zum besten gibt, verschwindet Sahra Wagenknecht fast unbemerkt in einem Nebenraum des Kulturzentrums „Faust“ in Hannover. Dennoch hat die Spitzenpolitikerin am Montag eine Woche vor der Landtagswahl in Niedersachsen die Klientel dazu animiert, für die Partei sprichwörtlich in die Hände zu spucken und die Werbetrommel zu rühren: „Sie hat es genau auf den Punkt gebracht. Fantastisch“, sagt Parteimitglied Francisco Garcia. Wagenknechts Rede habe ihm Auftrieb gegeben, für das Wahlziel zu kämpfen. Dieses Wahlziel – die Fünf-Prozent-Hürde im Land – spart die Spitzenpolitikerin bei ihrem Auftritt zum Wahlkampfendspurt allerdings fast komplett aus. Obwohl sie wegen schlechter Umfragewerte in den letzten Tagen vor dem Urnengang für die Linke genau das herausholen soll. Genauso landespolitische Themen – wenn überhaupt touchiert sie diese in kurzen Exkursen. Den Namen des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) nennt sie nicht einmal. Umso häufiger fallen dafür „Merkel“ und „Steinbrück“ – das sind die Gegner der Vize-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion und stellvertretenden Parteivorsitzenden. Spitzen gegen Steinbrück „Ich würde mir wünschen, dass Frau Merkel einen Herausforderer hätte, der sie auch herausfordert. Nämlich indem er eine Alternative zu ihr darstellt“, beginnt sie mit einer Attacke auf SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. „Außer vielleicht, dass er im Unterschied zur Kanzlerin lieber Sparkassendirektor geworden wäre“, gebe es keine nennenswerte Gegensätze zwischen beiden, schiebt sie als Spitze auf dessen Äußerung zum Kanzlergehalt nach. Der direkte Bezug zu Niedersachsen? „Wer will, dass Steinbrück in die Wüste geht – oder meinetwegen auch zur Sparkasse – der sollte am 20. Januar Linke wählen“, sagt sie unter lautem Beifall der Parteifreunde. In knapp 30 Minuten hetzt die 43-Jährige durch das Wahlprogramm – durch das wie für einen Bundestagswahlkampf. Von Steinbrück über Merkel zu den Banken und Börsen-„Zockern“, zur Agenda 2010 zurück zu Steinbrück. „Der ist stolz auf Hartz IV. Der ist stolz auf Hungerlöhne. Der ist stolz auf Armutsrenten“, kreidet sie dem Sozialdemokraten an. Sie schlägt die Brücke zur Leiharbeit. Die „gehört verboten“, genauso wie prekäre Beschäftigung, betont sie. In Niedersachsen lasse sich das mit einem landesweiten Mindestlohn ändern. Die Finanzexpertin der Partei läuft bei der Bankenkritik zur Höchstform auf. Das Vermögen der Millionäre und Multimillionäre steige jährlich um acht Prozent. Würde das eine Gewerkschaft bei Lohnverhandlungen fordern, wäre der Aufschrei riesengroß. „Wir finden das unerträglich, dass die, die reich sind, jedes Jahr noch etwas drauf haben wollen“, betont sie. Und weil der Rest der Gesellschaft diesen Vermögenszuwachs bezahle, brauche es eine Vermögenssteuer, fordert sie. Und mit fünf Prozent sei diese noch „zu bescheiden“. Niedersachsen hätte damit – so Wagenknecht – acht Milliarden Euro mehr im Landeshaushalt. „Der realexistierende Wahnsinn“ Die Banken- und Euro-Rettung bringt Wagenknecht, der trotz ruhender Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Plattform starke Bande zu dieser nachgesagt werden, zur Systemkritik – allerdings gemäßigt, statt fundamental: Selbstlos seien die Milliarden für andere Länder nicht hergegeben worden, betont Wagenknecht. Diese dienten nur dazu, um einen Schuldenrückkauf zu finanzieren. Das Steuergeld der Bürger fließe wieder an die Banken. „Das ist doch der realexistierende Wahnsinn“, kritisiert die Linken-Politikerin. Und das nenne Bundeskanzlerin Merkel „marktkonforme Demokratie“. Das habe nichts mit wirklicher Demokratie zu tun, da es nicht um das Vertrauen der Bürger, sondern um das der Banken gehe. Kipping „an der richtigen Stelle“ Wagenknecht hat die Anhänger begeistert. Gegen die 43-Jährige wirkt die fast zehn Jahre jüngere Parteichefin Katja Kipping zuvor fast blass. „Als Rednerin ist sie einfach großartig, die Sarah Wagenknecht“, sagt Jeannine Geisler . „Aber inhaltlich ist Katja Kipping an der richtigen Stelle“, fügt sie hinzu. Auch diese hat das „Faust“ in Hannover als Plattform für Bundesthemen genutzt. Fazit der Linken-Anhängerin: „Landesthemen habe ich nicht vermisst. Bundespolitik wird auch über die Länder gemacht.“ dapd (Politik/Politik)
Sahra Wagenknechts Plattform für Bundesthemen
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen