Frankfurt/Main (dapd). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble findet, dass es seinen Posten auch auf europäischer Ebene geben sollte. Europa brauche eine gemeinsame Finanzpolitik, sagte er der CDU-Politiker am Donnerstag im Sender HR-Info. „Und deswegen braucht man ein Parlament, eine Regierung und auch so etwas wie einen Finanzminister.“ Schäuble will zudem das Europaparlament weiterentwickeln und mit mehr Befugnissen ausstatten. „Der jetzige Zustand, dass alle Entscheidungen mit Budget-Auswirkung durch die nationalen Parlamente verantwortet werden müssen, kann auf die Dauer nicht wirklich funktionieren“, sagte er. dapd (Politik/Politik)
Kategorie: Politik
Gabriel, Linke und Julis wettern gegen neues Meldegesetz
Berlin (dapd). Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat am Donnerstag scharf gegen das neue Meldegesetz der Bundesregierung protestiert. „Ich will nicht, dass meine Heimatstadt meine Adresse an Werbefirmen oder professionelle Datensammler verkaufen kann. Genau das sieht aber das neue Meldegesetz vor, das CDU/CSU und FDP gegen die SPD bereits durch den Bundestag gebracht haben“, beschwerte sich Gabriel in einem Facebook-Eintrag. Die Bundesregierung sei der Lobby der Datensammler gefolgt: „Jetzt wollen Union und FDP den Verkauf von Daten immer erlauben – es sei denn, der Bürger widerspricht“, bemängelte Gabriel. Selbst bei einem Widerspruch könnten Datensammler vorhandene Informationen mit denen in den Einwohnermeldeämtern abgleichen. Das sei „gefährlicher Unsinn“, kritisierte der SPD-Chef und fügte hinzu, er wundere sich „ein bisschen, dass der öffentliche Aufschrei der Empörung bislang ausgeblieben ist.“ Empört reagierte allerdings auch die Linke-Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter. Sie sprach von einem „schweren Datenskandal.“ Die Bürger müssten selbst entscheiden können, was mit ihren Daten geschieht und wer zu welchem Zeitpunkt Zugriff darauf hat. Für Union und FDP hätten aber die Anliegen von Lobbyisten aus der Wirtschaft stets mehr Gewicht, als das Datenschutzinteresse der Allgemeinheit. Widerspruch kam am Donnerstag allerdings auch aus den Reihen der FDP: „Wir JuLis sind enttäuscht über die Novelle des Melderechts“, sagte der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker. „Gerade Liberale sollten an dieser Stelle eine größere Sensibilität walten lassen. Die Daten der Einwohnermeldeämter sind dafür da, dass öffentliche Verwaltungen einen gesicherten Datenbestand haben und nicht damit irgendwelche Versandhändler meine Adressdaten überprüfen können.“ Die Gesetzesänderung soll am 1. November 2014 in Kraft treten und bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. dapd (Politik/Politik)
Lawrow düpiert Westerwelle bei Moskau-Besuch
Moskau (dapd). Sergej Lawrow könnte nicht deutlicher werden. Der russische Außenminister scheint mit seiner Geduld am Ende: Seit Monaten wird sein Land von allen Seiten bearbeitet, sich zu bewegen und die Unterstützung für die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar Assad aufzugeben. Auch der deutsche Chefdiplomat Guido Westerwelle ist nach Moskau gekommen, um vorsichtig bei den Russen anzuklopfen, ob sie nicht zum Einlenken bereit sind. Doch Lawrow sagt Nein, Nein und noch mal Nein und düpiert seinen deutschen Gast. Westerwelle trifft seinen Amtskollegen im Gästehaus des Außenministeriums in Moskau. Zur Begrüßung setzt Lawrow ein freundliches Gesicht auf und lenkt den Ministerkollegen durch das Gebäude mit verschnörkelten Stuckdecken und wuchtigen Kronleuchtern. Die beiden nehmen an einer langen Tafel Platz und tauschen diplomatische Höflichkeiten aus, während die Fotografen eifrig knipsen. Dann schließen sich die Türen für den weniger unbeschwerten Teil des Besuchs. Die Positionen Deutschlands und Russlands im Syrien-Konflikt liegen weit auseinander. Die Deutschen wollen wie viele andere westliche Staaten ein geschlossenes Signal der internationalen Gemeinschaft gegen Assad, sehen eine Zukunft für das Land eher ohne den bisherigen Machthaber. Die Russen aber halten Assad die Treue. Die Führung in Moskau stemmt sich hartnäckig gegen Rücktrittsforderungen an den Präsidenten und verhindert bislang entschiedene Schritte gegen das Regime im UN-Sicherheitsrat. Und die Russen denken nicht daran, sich dem internationalen Druck zu beugen und von ihrer Haltung abzurücken. Das macht Lawrow unmissverständlich klar. Als er mit Westerwelle vor die Presse tritt, ist die freundliche Miene verschwunden. Westerwelle versucht es anfangs noch mit der Ode an die Freundschaft, die offene Worte und unterschiedliche Positionen zwischen engen Partnern erlaube. Doch Lawrow dreht immer weiter auf. Die Syrer müssten selbst über ihre Zukunft entscheiden, eine Einmischung von außen dürfe es nicht geben und eine Intervention werde sein Land nicht unterstützen, sagt der russische Außenminister. Bei der Gestaltung des Übergangsprozesses müssten alle Gruppen beteiligt sein, also auch die Regierung in Damaskus. Dass einige Partner Vorbedingungen für den Übergang in Syrien stellen wollten, lasse Russland nicht zu. Assad habe auf dieser Grundlage Gesprächsbereitschaft signalisiert. „So etwas habe ich von der Opposition noch nicht gehört“, stichelt er. Irgendwann kommt die Frage nach Medienberichten, wonach der syrische Machthaber nach Russland ins Exil gehen könnte. Solche Meldungen seien entweder ein „Versuch der Irreführung“ oder offenbarten ein „Unverständnis des Sachverhalts“, poltert Lawrow und schiebt nach: Er hoffe, kein Geheimnis zu verraten. Aber derartige Überlegungen seien erstmals von deutscher Seite beim Antrittsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Juni bei Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgekommen. „Wir dachten, das sei ein Scherz“, schimpft der Minister. Und dabei solle man es auch belassen. Inzwischen ist auch Westerwelles Gesicht eingefroren. Als ein deutscher Journalist fragt, ob Russland bei einem Scheitern aller Friedensbemühungen auch einer UN-Mission in Syrien zustimmen und Soldaten entsenden würde, platzt Lawrow der Kragen. „Sendet lieber eure Truppen“, blafft er knapp in Richtung des Reporters, um danach länger auszuführen, warum eine Intervention für Russland nicht infrage kommt. Westerwelle betont immer wieder, wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben – trotz unterschiedlicher Auffassungen an einigen Stellen. Irgendwann scheint aber auch dem deutschen Gast die Lust zu vergehen. Ein Journalist fragt Westerwelle nach dessen Einschätzung zu russischen Gesetzesplänen, die von Nichtregierungsorganisationen kritisch beäugt werden. Lawrow geht dazwischen und empfiehlt, den deutschen Minister nach einem USA-Besuch doch bitte zu fragen, ob er das Thema auch dort anspreche. Schließlich habe Russland das Vorhaben aus der US-Gesetzgebung übernommen. Da schaltet sich Westerwelle noch mal ein und stellt klar, er komme nicht aus den USA, sondern aus Deutschland. „Ich bin der deutsche Außenminister“, sagt er mit gequältem Lächeln. „Und ich spreche für meine Regierung.“ Die Stimmung könnte deutlich besser sein. Westerwelle räumt ein, er sei nicht mit der Hoffnung auf einen Durchbruch nach Moskau gekommen. Es sei aber besonders wichtig, Russland bei der politischen Lösung des Syrien-Konflikts mit an Bord zu haben. „Sonst wird es kaum gelingen.“ Das russische Zögern und Bremsen hat vielfältige Gründe: Russland ist Syriens wichtigster Verbündeter und der größte Waffenlieferant des Landes. Ein Abbruch der Beziehungen zu Damaskus könnte Moskau auch lukrative Geschäfte in anderen Bereichen kosten. Russland unterhält eine wichtige Marinebasis in Syrien. Außerdem würde ein Machtwechsel in Damaskus den russischen Einfluss im Nahen Osten deutlich schmälern. Lawrows Auftritt in Moskau lässt wenig Hoffnung, dass Russland seine Haltung bald ändern könnte. dapd (Politik/Politik)
Caritas-Studie belegt massives Bildungsgefälle in Deutschland
Berlin (dapd). Der Süden Deutschlands bleibt Bildungsspitze: In Baden-Württemberg und Bayern verlassen fast drei Mal weniger Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss als in Mecklenburg-Vorpommern. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag in Berlin vorgestellte Studie des Caritasverbandes. Danach lag der bundesweite Durchschnitt 2009 bei 7,2 Prozent, alle ostdeutschen Bundesländer lagen noch darüber. Caritas-Präsident Peter Neher nannte die Zahlen „inakzeptabel hoch“ und forderte konkrete Maßnahmen. Schlusslicht im Ländervergleich war Mecklenburg-Vorpommern, wo 16,2 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne mindestens einen Hauptschulabschluss verließen. Besonders krass: In der Stadt Wismar lag diese Quote mit 26,6 Prozent über dem Zehnfachen der besten deutschen Regionen. München beispielsweise kam auf eine Quote von 2,55 Prozent. Überhaupt zeigt sich Süddeutschland in guter Schulverfassung. Baden-Württemberg glänzt im Bundesvergleich mit 5,95 Prozent und Bayern mit 5,97 Prozent. Das beste ostdeutsche Bundesland war Thüringen, wo mit 9,45 Prozent fast jeder zehnte Schulabgänger kein Zeugnis erhielt. Berlin liegt bei 10,6 Prozent. Insgesamt liegen sechs Länder – neben Baden-Württemberg und Bayern sind das Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – unter dem Durchschnitt und zehn Länder darüber. Entscheidende Ursachen für diese regionalen Unterschiede sind laut Neher der Anteil an den Förderschulen und die Arbeitslosenquote in den jeweiligen Kreisen. Mehr Förderschüler und eine hohe Arbeitslosigkeit führen zu mehr Jugendlichen ohne einen Abschluss, sagte er. „Die Förderschule kann sich offensichtlich als bildungspolitische Sackgasse erweisen.“ Dagegen habe die kommunale Verschuldung laut der Studie keinen Einfluss auf die schulische Laufbahn der Jugendlichen. Somit könne das Argument, verschuldete Kreise hätten weniger Möglichkeiten ihren Jugendlichen zu einem Abschluss zu verhelfen, nicht länger gelten, sagte Neher und fügte hinzu: „Keine Kommune kann sich mit Blick auf ihre Verschuldungssituation ihrer Verantwortung entledigen.“ Auch bestehe kein Unterschied zwischen Städten und ländischen Regionen. Als Konsequenz aus der Studie fordert der Caritasverband eine bessere Zusammenarbeit der politischen Verantwortlichen mit den Schulen und den Behörden vor Ort. Wenn es allen Akteuren gemeinsam gelinge, die bundesweite Quote der Schulabgänger ohne Abschluss auf vier Prozent zu senken, könnte jährlich 25.000 Jugendlichen die Erfahrung des Scheiterns in der Schule erspart werden, sagte Neher. Der FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt forderte die Landesregierungen auf, „ihrer bildungspolitischen Verantwortung gerecht zu werden“. Alle Länder hätten sich verpflichtet, die Schulabbrecherzahlen zu halbieren, sagte er. Daher habe er kein Verständnis, wenn eine Landesregierung nicht alles für die Umsetzung dieser Vorgabe tue. Interaktive Grafik zu Bildungschancen in Deutschland im Internet: http://url.dapd.de/x8CXXb dapd (Politik/Politik)
Häufige Schulfehlzeiten gehen oft mit Mobbing einher
Heidelberg (dapd). Schüler mit hohen Fehlzeiten werden einer Studie zufolge häufig gemobbt oder leiden unter psychischen Problemen. Schüler, die dem Unterricht oft fernblieben, seien doppelt so oft von Mobbing betroffen wie ihre Mitschüler, ergab die erste Auswertung einer Studie des Universitätsklinikums Heidelberg, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Häufiges Fehlen gehe zudem oft mit psychischen Problemen wie sozialer Angst oder Depression einher. Befragt wurden rund 2.700 Schüler an Schulen der Stadt Heidelberg und des Rhein-Neckar-Kreises. Anders als oft vermutet machten sich Schüler mit häufigen Fehlzeiten meist keine schöne Zeit außerhalb der Schule, erklärte Studienarzt Christoph Lenzen. Viele Betroffene klagten über psychosomatische Beschwerden wie Schwindel, Bauchschmerzen und Übelkeit. dapd (Politik/Politik)
Merkel im Stimmungshoch
Köln (dapd). Bundeskanzlerin Angela Merkel ist bei den Deutschen so beliebt wie zuletzt im Dezember 2009. Das zeigt der neue „Deutschlandtrend“ der ARD vom Donnerstag. 66 Prozent der Bürger sind demnach mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden – ein Plus von acht Prozentpunkten im Vergleich zum Vormonat. Der EU-Gipfel Ende Juni, dessen Ergebnisse vielfach als Niederlage für Merkel gewertet wurden, hat demnach ihrem Ansehen bei den Bürgern nicht geschadet – im Gegenteil. Eine Mehrheit der Deutschen von 58 Prozent ist der Ansicht, dass die Regierungschefin „in der Euro-Krise richtig und entschlossen gehandelt“ hat. Auch Merkels Partei erscheint ihnen vergleichsweise kompetent: 42 Prozent trauen am ehesten der Union zu, die Euro- und Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Nur 17 Prozent setzen auf die SPD. 36 Prozent geben an, die Bewältigung der europäischen Probleme keiner Partei zuzutrauen. Gleichzeitig ist die Sorge groß, dass die Krise sich ausweitet. 85 Prozent der Befragten denken, „der schlimmste Teil der Euro- und Schuldenkrise steht uns noch bevor“. Dies ist der bisher höchste Wert für diese Aussage im „Deutschlandtrend“. Falls mehr nationale Kompetenzen an die EU abgegeben werden sollten, müsste es darüber eine Volksabstimmung geben, finden 71 Prozent der Befragten. Nur 27 Prozent meinen, dass eine solche Entscheidung vom Bundestag getroffen werden könnte. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, käme die Union der Umfrage zufolge auf 35 Prozent (minus eins im Vergleich zum Vormonat). Die SPD liegt unverändert bei 30 Prozent. Die FDP kommt auf vier Prozent (minus eins), die Grünen liegen bei 14 (plus eins). Die Linke gewinnt zwei Punkte hinzu, die Piratenpartei verliert zwei – im Ergebnis liegen beide Parteien jetzt bei sieben Prozent. Könnten die Bürger die Bundeskanzlerin direkt wählen, hätte Merkel beste Chancen. Kein Mitglied der SPD-Troika würde gegen sie gewinnen. Die besten Chancen für die Sozialdemokraten hätte in diesem Monat Peer Steinbrück: 45 Prozent würden sich für Merkel und 41 Prozent für Steinbrück entscheiden. Würde SPD-Chef Sigmar Gabriel antreten, käme die Amtsinhaberin auf 61 Prozent, Gabriel hingegen nur auf 25 Prozent. Im Falle einer Direktwahl zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier würden sich 52 Prozent für Merkel und 36 Prozent für Steinmeier entscheiden. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap hatte im Auftrag der ARD-„Tagesthemen“ vom 2. bis 4. Juli 1.004 Bürger befragt, für die Sonntagsfrage waren es 1.504 Bürger. dapd (Politik/Politik)
Bluttest auf Down-Syndrom laut Gutachten illegal
Berlin (dapd). Der geplante „Praena-Test“ zur Erkennung eines Down-Syndroms während der Schwangerschaft ist einem Gutachten zufolge illegal, wird aber vermutlich trotzdem bald auf den Markt kommen. Der Bluttest sei kein zulässiges Diagnosemittel nach dem Gendiagnostikgesetz, erklärte der Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz am Donnerstag in Berlin. Ein Verbot liegt demnach in den Händen der Länder, allerdings könnte der Hersteller klagen. Das Konstanzer Unternehmen erhielt Fördermittel des Bundes. Unionspolitiker protestierten scharf gegen den Test. Gärditz kommt in seinem Gutachten auch zu dem Schluss, dass der „Praena-Test“ gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstößt. Der Staat müsse verhindern, „dass behinderte Menschen vorgeburtlich routinemäßig ausgesondert werden“. Das Gutachten hatte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, in Auftrag gegeben. Der Test diskriminiere Menschen mit Behinderung und ermögliche eine „Rasterfahndung“, erklärte Hüppe. Es gehe bei dem Test „fast ausschließlich um die Selektion von Menschen mit Down-Syndrom“. Hüppe und Gärditz mussten allerdings eingestehen, dass sie den Verkauf des Produkts in Deutschland direkt nicht verhindern können. Laut Gärditz müssten die Bundesländer den Verkauf des Tests stoppen. Dieser werde als Medizinprodukt angeboten, eine Zulassung wie bei Medikamenten sei nicht erforderlich. Was bedeutet: Die Behörden müssten ein Verbot prüfen, das Unternehmen könnte dagegen beim Verwaltungsgericht klagen. Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Jeanne Nicklas-Faust, verwies darauf, dass bei Gentests allgemein der Arztvorbehalt gelte, diese Tests also nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen. Zudem sei die Bundesrepublik durch die Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zu schützen und zu achten. „Und dagegen verstößt dieser Test auf jeden Fall.“ Nicklas-Faust kritisierte, die finanzielle Unterstützung des Forschungsministeriums für den Test verstoße „ganz stark“ gegen den Grundsatz, dass das Leben eines Menschen mit Behinderung genauso viel Wert sei wie das Leben eine Menschen ohne Behinderung. Das Ministerium gab bis Donnerstagnachmittag auf Anfrage keine Stellungnahme ab. Es hatte sich allerdings bereits im August letzten Jahres gegen Vorwürfe Hüppes gewehrt. Damals hieß es, es sei „ethisch unvertretbar, die Weiterentwicklung einer in Deutschland angewandten Untersuchungsmethode nicht fördern zu wollen, die das ungeborene Leben und die werdende Mutter besser schützen könnte“. Die mögliche Anwendung des Verfahrens entbinde im Übrigen alle Beteiligten nicht von der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Einem Medienbericht zufolge flossen 230.000 Euro Unterstützung. Das Unternehmen Lifecodexx in Konstanz gab auf Anfrage unmittelbar nach der Pressekonferenz keine Stellungnahme ab. „Praena-Test“ kostet den Angaben zufolge 1.249 Euro und soll ab der 12. Schwangerschaftswoche „bereits aus einer Blutprobe der Schwangeren eine Trisomie 21 zuverlässig ausschließen oder bestätigen“. Nach Einschätzung der Behindertenbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erhöht der Test den Druck auf Eltern behinderter Kinder. „Mit einem neuerlichen Testverfahren soll die Fahndung nach Kindern mit Behinderung im Mutterleib vorangetrieben werden“, erklärte die CDU-Politikerin. Es stehe außerdem zu befürchten, dass in Zukunft immer mehr Mütter, die ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt brächten, „in eine Rechtfertigungsschleife geraten, warum sie die entsprechende Diagnostik offenbar nicht genutzt haben“. Hüppe warnte, dass noch weitere Unternehmen mit anderen Tests auf dem Markt seien, „zeigt die Dimension auf, die in den nächsten Jahren auf uns zukommt“. Die stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Ingrid Fischbach (CDU) und Johannes Singhammer (CSU) erklärten, der Test leiste „der routinemäßigen Selektion menschlichen Lebens Vorschub“. Er sei ausschließlich auf Erkennung des Down-Syndroms ausgerichtet und ziele nicht auf therapeutische Maßnahmen zugunsten des Kindes, sondern auf den Abbruch der Schwangerschaft. „Dieses Aussortieren von Leben verstößt gegen die Menschenwürde. Der Druck auf werdende Eltern, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, wächst.“ Beide forderten die zuständigen Landesbehörden auf, den Verkauf des Tests zu unterbinden. ( www.behindertenbeauftragter.de/DE/Home/home_node.html ) ( http://www.lebenshilfe.de/de/index.php ) ( http://lifecodexx.com/lifecodexx-praenatest.html ) dapd (Politik/Politik)
Russland bleibt in Syrien-Frage stur
Moskau (dapd). Russland ist in der Syrien-Frage nicht zum Einlenken bereit. Bei einem Treffen mit dem deutschen Chefdiplomaten Guido Westerwelle in Moskau machte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit deutlichen Worten klar, dass sein Land anders als der Westen keinen Regimewechsel in Syrien anstrebe. Das syrische Volk müsse selbst über die Zukunft des Landes entscheiden – „ohne Einmischung von außen“. Eine Intervention werde Russland nicht unterstützen. Westerwelle räumte ein, er sei nicht mit der Hoffnung auf einen Durchbruch nach Moskau gekommen. Die russische Führung hat eine Resolution gegen das syrische Regime im UN-Sicherheitsrat bislang blockiert und lehnt auch Rücktrittsforderungen an den syrischen Präsidenten Baschar Assad kategorisch ab. Lawrow rief dazu auf, nicht in die „Angelegenheiten von anderen Staaten“ einzugreifen. Alle syrischen Kräfte müssten den Übergangsprozess in ihrem Land selbst gestalten. Die Versuche einiger Partner, Vorbedingungen für diesen Prozess zu stellen, lasse Russland nicht zu. Während andere Staaten einen friedlichen Übergang in Syrien nur ohne Assad und die bisherige Führungsriege für möglich halten, will Russland die bisherige Regierung bei diesem Prozess nicht ausschließen. Die syrische Opposition lehnt einen Dialog mit der Regierung allerdings ab. Lawrow würdigte die Gesprächsbereitschaft des Assad-Regimes und beklagte, eine ähnliche Offenheit vermisse er bei der Opposition. Die Führung in Syrien habe sicher Fehler gemacht, aber unter den Gegnern gebe es auch jene, die für einen Regimewechsel seien, „nur um selbst an die Macht zu kommen“. Außerdem verbinde ein erheblicher Teil der Syrer die eigene Sicherheit mit dem jetzigen Präsidenten. „Es ist unzulässig, dass diese Stimme nicht gehört wird“, mahnte er. „Wir sind für Frieden und nicht für Gewalt“, betonte der russische Außenminister. Eine Einmischung von außen dürfe es aber nicht geben. Deutlich dementierte Lawrow auch internationale Medienberichte, wonach der syrische Machthaber in Russland ins Exil gehen könnte. Solche Meldungen seien entweder ein „Versuch der Irreführung“ oder offenbarten ein „Unverständnis des Sachverhalts“. Lawrow sagte, er hoffe, kein Geheimnis zu verraten. Aber derartige Überlegungen seien erstmals von deutscher Seite beim Antrittsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Juni bei Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgekommen. „Wir dachten, das sei ein Scherz“, sagte Lawrow. Und dabei solle man es auch belassen. Westerwelle räumte ein, er sei nicht mit der Erwartung nach Moskau gereist, einen gemeinsamen Durchbruch im Syrien-Konflikt zu erreichen. „Wichtig ist aber, dass wir im Gespräch bleiben.“ Deutschland und Russland seien sich einig in dem Wunsch nach einer politischen Lösung. Es sei aber nicht zu verschweigen, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Wege dahin gebe. Die Beziehungen beider Länder seien so freundschaftlich, „dass wir in der Lage sind, auch unterschiedliche Positionen auszutauschen“. Der deutsche Chefdiplomat mahnte, der Austausch müsse weitergehen. Es sei besonders wichtig, Russland bei der politischen Lösung des Konflikts mit an Bord zu haben. „Sonst wird es kaum gelingen.“ Von Moskau aus wollte Westerwelle direkt weiter nach Paris fliegen, wo am Freitag das dritte Treffen der „Freunde Syriens“ ansteht. Angesichts der eskalierenden Gewalt in Syrien hatten sich zahlreiche Länder zum Jahresbeginn in dieser Runde zusammengeschlossen, um den Druck auf Assad zu erhöhen und dem Blutbad ein Ende zu setzen. Seit dem Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März 2011 wurden laut Schätzungen von Aktivisten mehr als 14.000 Menschen getötet. In Paris werden Vertreter von rund 100 Staaten und internationalen Organisationen erwartet. dapd (Politik/Politik)
Merkel sagt Libanon Hilfe bei Grenzsicherung zu
Berlin (dapd). Deutschland will Libanon helfen, sich aus dem Syrien-Konflikt herauszuhalten. Sie begrüße es, dass das Nachbarland eine „eigenständige Entwicklung“ verfolge, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati. „Deutschland möchte Libanon auf diesem Weg unterstützen.“ Das gelte für „die Grenzsicherung zu Syrien“ ebenso wie für die UNIFIL-Mission, sagte die Kanzlerin. Der Bundestag hatte erst kürzlich mit großer Mehrheit den Bundeswehreinsatz vor der libanesischen Küste um ein Jahr bis Juni 2013 verlängert. Mikati bedankte sich für die Verlängerung der UNIFIL-Mission. Nach dem Treffen im Kanzleramt fügte er hinzu, er habe Merkel „beruhigt. Wir haben jetzt Stabilität im Libanon“, sagte Mikati. Zuletzt hatten Gefechte zwischen Unterstützern und Gegnern des Regimes von Syriens Präsident Baschar Assad mehrfach auf den Norden des Nachbarlandes übergriffen. Die Kanzlerin bekräftigte, es müsse für die Lösung des Syrien-Konflikts einen „friedlichen Weg“ geben. Zugleich warf sie Machthaber Assad erneut vor, Verantwortung für die „dramatische Gewalt“ und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien zu tragen. dapd (Politik/Politik)
Chef des Verfassungsschutzes gibt schwere Niederlage zu
Berlin (dapd). Der scheidende Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, hat bei seiner Befragung vor dem NSU-Untersuchungsausschuss gravierende Fehler eingeräumt. Die Mordserie der Neonazi-Terrorzelle sei „eine schwere Niederlage für die deutschen Sicherheitsbehörden“, sagte Fromm am Donnerstag vor dem Bundestagsgremium. Seine eigene Behörde habe möglicherweise zu „borniert“, zu „engstirnig“ ermittelt. Der Verfassungsschutz sei zudem durch die Akten-Affäre in seinem Ansehen erheblich geschädigt worden. Die Folgen für die Funktionsfähigkeit der Behörde seien kaum vorhersehbar. Er könne sich immer noch nicht erklären, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Fromm bekräftigte, mit seinen Rücktritt habe er den Weg für einen „personellen Neuanfang“ freimachen wollen. Auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hatte bei seiner Befragung durch den Ausschuss vor einer Woche eingestanden: „Wir haben versagt.“ Der Verfassungsschutz steht wie die Polizei seit Monaten wegen Ermittlungsfehlern im Fall der im November aufgeflogenen Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in der Kritik. Die Gruppe agierte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Behörden im Untergrund und ermordete bundesweit zehn Menschen. Vergangene Woche war überdies bekannt geworden, dass im Verfassungsschutz just nach Auffliegen der Terroristen Akten zum Fall des NSU geschreddert wurden. Fromm hatte daraufhin seinen Rückzug vom Amt zum Ende des Monats angekündigt. Die Befragung des für die Aktenvernichtung verantwortlichen Referatsleiters des Verfassungsschutzes durch den Ausschuss führte nicht zu mehr Klarheit. Der Ausschussvorsitzende, Sebastian Edathy (SPD), sagte nach der Vernehmung, der Verfassungsschützer habe sich auskunftswillig gezeigt, jedoch zu Einzelheiten seine Aussage verweigert. Gegen den Beamten wird derzeit dienstrechtlich ermittelt. Der frühere Koordinator der Nachrichtendienste im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer, empfahl, das Spitzenpersonal des Verfassungsschutzes auszuwechseln. „Um einen Neuanfang möglich zu machen, sollte sich der Verfassungsschutz personell an der Spitze komplett erneuern“, sagte Schmidbauer der Nachrichtenagentur dapd. Der CDU-Politiker hält nichts davon, den Stellvertreter des scheidenden Präsidenten Heinz Fromm, Alexander Eisvogel, ins höchste Leitungsamt aufsteigen zu lassen. „Jetzt Stellvertreter zu Nachfolgern zu machen wäre der falsche Weg“, sagte Schmidbauer. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte angekündigt, sich bei der Personalentscheidung Zeit lassen zu wollen. dapd (Politik/Politik)