Berlin (dapd). Nach der Pannenserie beim Verfassungsschutz muss auch der Chef des Inlandsgeheimdienstes in Thüringen gehen: Thomas Sippel habe „nicht mehr das Vertrauen des Parlaments“, sagte Innenminister Jörg Geibert (CDU) am Dienstag in Erfurt. Am Sonntag hatte bereits der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, seinen Rückzug angekündigt. Untersuchungsausschüsse im Bund und in den Ländern versuchen derzeit zu klären, warum der rechtsterroristische Nationalsozialistische Untergrund jahrelang unbehelligt blieb. Thüringens Innenminister Geibert sagte, er habe die Landesregierung gebeten, den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Darauf habe er sich mit Sippel in einem Gespräch geeinigt. In Berlin nimmt jetzt der Untersuchungsausschuss des Bundestags den Verfassungsschutz genau unter die Lupe: Er bekommt am Mittwoch Einsicht in 25 geheime Akten der Behörde zur umstrittenen Operation „Rennsteig“. Auch die Klarnamen der V-Leute sollen den Bundestagsabgeordneten offengelegt werden. Zudem will das Gremium am Donnerstag den Geheimdienstmitarbeiter befragen, der nach Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle im November 2011 einen Teil der „Rennsteig“-Akten schreddern ließ. Aus den Akten soll hervorgehen, wie die Sicherheitsbehörden mit Informanten aus dem NSU-Umfeld gearbeitet haben. Der NSU hat mehr als ein Jahrzehnt unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund agiert und nach bisherigen Erkenntnissen zehn Menschen ermordet. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy, forderte, dass nun auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) seine „Rennsteig“-Akten offen legen müsse. Bisher verweigere der Geheimdienst dies. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums widersprach dem allerdings: „Wir haben Unterlagen geliefert und wir werden auch in Zukunft Unterlagen liefern“, sagte der Sprecher der Nachrichtenagentur dapd. Eine Operation „Rennsteig“ gebe es im Übrigen im MAD aber nicht, betonte er. Zudem kündigte Edathy an, der Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der die Akten vernichten ließ, solle noch an diesem Donnerstag vor dem Ausschuss aussagen. Das Amt bestätigte auf dapd-Anfrage, der Beamte habe eine Aussagegenehmigung erhalten. Am Donnerstag wird auch der scheidende Präsident des Verfassungsschutzes, Fromm, von dem Gremium vernommen. Fromm hatte am Sonntag um frühzeitige Pensionierung gebeten und wird zum Ende des Monats seinen Posten räumen. Der Obmann der Grünen in dem Ausschuss, Wolfgang Wieland, betonte, bei den Befragungen müsse vor allem geklärt werden, ob der Verfassungsschutz einen der NSU-Terroristen als V-Mann geführt oder versucht habe, ein Mitglied der Terrorzelle zu werben. Das wäre „der GAU“ für die Sicherheitsbehörden. Zudem forderte er, nach „Fromms Rücktritt“ sollten sich auch andere Personen überlegen, ob sie seinem Beispiel folgen wollten. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den „unbefriedigenden Auftritt“ von BKA-Präsident Jörg Ziercke vor dem Ausschuss. Auch der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin sagte, der Rückzug Fromms reiche nicht aus: „Aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden müssen weitere personelle Konsequenzen folgen.“ Das betreffe insbesondere BKA-Chef Jörg Ziercke, sagte er der „Bild“-Zeitung. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte derweil „eine grundlegende Reform der Strukturen der Sicherheitsinstitutionen“. „Es ist ein alter Gedanke von mir, dass wir das Bundesamt und die 16 Landesbehörden stärker zusammenführen müssen. Parallele Strukturen und unklare Zuständigkeiten tun der Sicherheit in diesem Bereich nicht gut“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die Obfrau der Linken, Petra Pau, verlangte, dass auch die Frage nach der politischen Verantwortung gestellt werde. So müsse etwa geklärt werden, warum der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unmittelbar nach dem Nagelbombenanschlag in Köln im Juni 2004 erklärt habe, dass ein fremdenfeindlicher Hintergrund ausgeschlossen werden könne und wie diese Erklärung die Ermittlungen beeinflusst habe. Auch CDU/CSU-Obmann Clemens Binninger forderte, dem nachzugehen. Der Ausschuss befasste sich in seiner Sitzung am Dienstag mit den beiden NSU-Sprengstoffanschlägen in Köln und dem Mord an einem Kioskbesitzer in Dortmund 2006. Geladen waren dazu drei Polizisten und ein Staatsanwalt aus Nordrhein-Westfalen. Bei den Bombenanschlägen 2001 und 2004 wurden insgesamt 23 Personen verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Unterdessen wurde bekannt, dass das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz offenbar mehr Akten über die „Operation Rennsteig“ hat als bislang zugegeben. Es handle sich um zwei Ordner, die jetzt dem NSU-Untersuchungsausschuss des Erfurter Landtags zur Verfügung gestellt würden, zitierte der Sender MDR Thüringen aus der nichtöffentlichen Sitzung des Gremiums. In den Unterlagen würden sich demnach auch Dokumente des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) befinden. Diese seien aber derart geschwärzt, dass sie nicht zu entziffern sind. Die Landesregierung wolle möglichst viele Schwärzungen wieder entfernen lassen, hieß es aus dem Ausschuss weiter. dapd (Politik/Politik)
Nach Pannenserie geht auch Thüringens Verfassungsschutzpräsident
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Peer-Michael Preß
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