Detmold. Es tut sich etwas in Lippe – die Digitalisierung schreitet in allen Bereichen rasant voran. Viele Erledigungen des täglichen Lebens lassen sich bereits jetzt mit einer passenden Smartphone-App abwickeln. Im Gegensatz dazu sind bei Verwaltungsangelegenheiten wie der Anmeldung eines neuen Kraftfahrzeugs, der Beantragung eines neuen Reisepasses oder eines Anwohnerparkausweises vielerorts noch lange Warteschlangen mit Nummernziehen an der Tagesordnung. Dies soll bald der Vergangenheit angehören. So versprach es Dr. Axel Lehmann auf bei der Auftaktveranstaltung des 1. Forums Open Government Ende August im Detmolder Kreishaus. Am Anfang stehe der Breitbandnetzausbau – hierzu liefen bereits alle Förderanträge. „Das ist jedoch erst der Anfang. Auf einer weiteren Stufe soll es darum gehen, Verwaltungsdaten internetfähig zu machen und die datentechnischen Nährwerte, die sich dahinter verbergen, auch sinnstiftend zu nutzen“, erklärte der Landrat in seiner Begrüßungsansprache an Gäste und Referierende. Er ergänzte: „Wir in Lippe haben die Bedeutung der Digitalisierung frühzeitig erkannt. Sie ist eine große Chance für wirtschaftliches Wachstum, Bildung und Gesundheit und hilft uns dabei, die Attraktivität des ländlichen Raumes zu stärken.“
Wirtschaft, Politik und Bürgerschaft vernetzen
Politik und Verwaltung, speziell die Lokalpolitik auf Kreis-, Landes- und Bundesebenen, präsentiert sich häufig bürgerfern – davon geht zumindest Dr. Anke Knopp, freiberufliche Beraterin für Regionen und Kommunen aus Gütersloh, aus. Es sei auch diese Ferne, die eine erhöhte und wachsende Politikverdrossenheit hervorrufe. Ihr Lösungsvorschlag: die Beziehung zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft neu definieren. „Wir brauchen grundsätzlich eine neue Haltung, ein neues Aushandeln der Trias zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Dabei ist es unerlässlich, verstärkt auch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten und technischen Möglichkeiten einzubeziehen.“ Hierbei sieht Dr. Knopp allerdings zwei große Herausforderungen – die einer ländlichen Infrastruktur und die einer alternden Gesellschaft. Über die Bewohner des Landkreises sagt sie: „Sie haben eine Klientel vor sich, die es mittlerweile gewöhnt ist, mit zwei Mausklicks ihr tägliches Leben zu organisieren. Dies betrifft den Einkauf ebenso wie andere Services und Interaktionen.“ Doch nicht nur im privaten Alltag wünschen sich Bürgerinnen und Bürger oft mehr Transparenz und unkomplizierte Vorgänge – die Konzepte Open Government und Open Data sind selbstredend untrennbar mit der Wirtschafts- und Arbeitswelt verknüpft. Dazu äußert sich auch Wilfried Kruse, ehemaliger Beigeordneter und geschäftsführender Gesellschafter des IVM² Instituts. „Das Zeitalter der Industrie 4.0 begann im Jahr 2013 auf der CeBit in Hannover mit dem M2M-Prinzip, also Maschinen, die miteinander kommunizieren, über Module und Sensoren. Diese Entwicklung hat natürlich auch starke Auswirkungen auf die Arbeitswelt und zwar weit über die Fabrikhallen hinaus“, weist Kruse auf eine Entwicklung hin, die sowohl enorme Vorteile als auch Herausforderungen mit sich bringt. Weiterhin erklärt er die Notwendigkeit für Akteure der deutschen Wirtschaft, Industrie 4.0 zu ihrem Prinzip zu machen: „Ohne Zweifel brauchen wir Industrie 4.0, damit ‚made in Germany‘ auch weiterhin Bestand und Erfolg auf den globalen Märkten hat.“ Nach den Grundsätzen von Open Data, Smart Cities und Smart Factories ruft er auch die Verwaltungsebene dazu auf, Unternehmen zeitgemäß und digital zu begegnen: „Wenn die öffentliche Verwaltung sich nicht auf den Weg macht, Industrie 4.0 ganzheitlich und auf Augenhöhe wahrzunehmen, kann die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nicht gehalten und ausgebaut werden.“ Kruse verwies in seiner Ansprache an die aus seiner Sicht notwendige digitale Anpassung der administrativen Datenbereitstellung, Services und Infrastruktur.
Open Data hat viele Gesichter
Die sinnvolle und transparente Verwendung öffentlicher Daten beginnt schon bei der Stadt-, Bebauungs- und Flächennutzungsplanung. Michael Haußmann, Vorsitzender Verband Deutscher Städtestatistiker, erläutert dazu: „Im Kern geht es bei Open Data darum, Daten auf Plattformen einzustellen, speziell von Rohdaten in unterschiedlichen Formatierungen, und es den Kräften des freien Marktes zu überlassen, diese Daten auszuwerten. Ganz entscheidend ist ein flexibel erweiterbares Wertschöpfungsnetzwerk, in dem nicht nur der öffentliche Sektor Daten liefert. Auch andere Verwaltungen, Wirtschaft und Wissenschaft sollen im nächsten Schritt ihr Datenmaterial einspeisen können.“ Haußmann beobachtet schon seit einer Weile die Entwicklung „digitaler Landkarten“ in unterschiedlichen Städten und Regionen Deutschlands und ist überzeugt davon, dass dies einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor darstellt – auf regional und auf Bundesgebiet, aber auch global. „Der Wettbewerb der digitalen Regionen wird zunehmen“, betont der Statistikexperte und lobte in seinem Vortrag den Kreis Lippe, der als Modellregion für Open Government eine Vorreiterrolle einnehme. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung „1. Forum Open Government“ sprach sich Lars Hoppmann, Stellvertretender Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums (krz) Lemgo, für Shared Services und eine stärkere Standardisierung in der digitalen Kommunikation aus. Weiterhin verwies er auf die Dringlichkeit für alle Akteurinnen und Akteure, sich vorrangig mit dem Thema Datenschutz und -sicherung auseinanderzusetzen. Christian Elsner, Dezernent bei Geobasis.NRW, vormals Landesvermessungsamt NRW, appellierte sowohl an Verwaltungsverantwortliche, Wirtschaftsvertreter und die Bürgerschaft, in Bezug auf offene Geodatensysteme enger und vernetzter als bisher zusammenzuarbeiten. Hans Römer von der Stadt Detmold vertrat seinen Standpunkt als IT-Verantwortlicher und -Experte, freute sich über die bislang erfolgreiche Datenkooperation zwischen den Städten Lemgo und Detmold und forderte ein stärkeres Bewusstsein aller Beteiligten für Datennutzungsoptionen und Datenschutzrechte. Hierzu müsse dieser Themenkomplex rund um technologische und rechtliche Kompetenz „zur fünften Grundrechenart in der Schule“ machen. Als Vertreter des Kreises Lippe und Mitorganisator der Veranstaltung äußerte sich schließlich Olaf Konrad: Sowohl die Wirtschaft als auch Bürgerinnen und Bürger müssten in Zukunft eine größere Teilhabe bekommen und wahrnehmen, wenn es um öffentliche, gemeinschaftlich zu nutzende Daten ginge. Dabei verwies er unter anderem auf die bestehende Initiative „OpenNRW“. Weitere neue Erkenntnisse zur Zukunft der Konzepte Open Government und Open Data wird es auf der zweiten Forumsveranstaltung am 19. Oktober 2017 geben.
2 Gedanken zu „Kreis Lippe Modellregion für Open Government“