Karlsruhe (dapd). Das Bundesverfassungsgericht will die Eilanträge gegen die Gesetze zur Euro-Rettung in Ruhe prüfen und sich dafür offenbar länger Zeit lassen. Statt einer schnellen Entscheidung binnen drei Wochen sei auch eine „sehr sorgfältige Prüfung“ der Rechtslage denkbar, was dann aber Monate dauern könne, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Dienstag während der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) pochte hingegen auf einen zügigen Richterspruch. Sonst sei weit über Deutschland hinaus eine „erhebliche Verunsicherung in den Märkten“ zu befürchten. Der Zweite Senat verhandelte am Dienstag über mehrere Eilanträge gegen die am 29. Juni vom Bundestag beschlossenen Zustimmungsgesetze zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm (ESM) und zum Fiskalpakt, der den Euro-Staaten eine strengere Haushaltsdisziplin auferlegt. Zur Entscheidung stehen eine von Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertretene Massenklage von inzwischen 23.000 Bürgern sowie Anträge einer Professorengruppe, des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und der Linken im Bundestag. Nach dem Willen der Kläger soll das Verfassungsgericht dem Bundespräsidenten vorerst untersagen, diese Gesetze zu unterzeichnen. Diese einstweilige Anordnung würde dann so lange gelten, bis das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze in einem Hauptsacheverfahren geklärt hat. Letztlich wird gerichtlich geprüft, ob der Bundestag mit seiner Zustimmung zu den weitreichenden Verträgen zur Euro-Rettung seine eigene haushaltspolitische Kontrolle zu stark beschnitten und damit gegen das Grundgesetz verstoßen hat. Die Kläger halten wegen der in Rede stehenden Summen von mehreren hundert Milliarden Euro die eingegangenen Haftungsrisiken für nicht verantwortbar. Bisher hieß es, dass der Senat schon in „wenigen Wochen“ über die Eilanträge entscheiden werde. Voßkuhle betonte aber nun, das Gericht wisse, dass es in dem Augenblick, wo es eine einstweilige Anordnung erlassen werde, in der Auslandspresse sofort heiße: „Euro-Rettung gestoppt!“ Über diese „Gefahr“ sei sich der Senat im Klaren. „Versuchung“ einer einfachen Entscheidung widerstehen Voßkuhle bezeichnete die Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren wegen der nötigen Folgenabwägung als „in mehrfacher Hinsicht nicht einfach“. Man werde aber „der Versuchung widerstehen, sein ‚Herz über die ein oder andere Hürde zu werfen‘, sondern mit beiden Füßen auf dem Grundgesetz stehend“ über die Anträge entscheiden. In der Politik erforderten Krisen oft ungewöhnliche Maßnahmen, fügte Voßkuhle hinzu. Es sei jedoch Aufgabe des Verfassungsgerichts, „den Regeln, die wir uns gegeben haben, auch in den Situationen zur Geltung zu verhelfen, in denen es politisch nicht opportun erscheint und uns besonders viel Mühe und Kraft kostet“. Voßkuhle betonte: „Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert.“ Schäuble mahnt Finanzminister Schäuble warnte hingegen vor einer Verschiebung des ESM über den Juli hinaus. Dies würde weit über Deutschland „erhebliche Verunsicherung in den Märkten bedeuten“. Falls die Eilanträge der Kläger Erfolg hätten, könnte dies „zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen in der Eurozone“ führen. Fiskalpakt und ESM seien „wichtige Schritte auf dem Weg zu einer europäischen Stabilitätsunion“. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte hingegen, selbst eine rasche Ratifizierung des ESM durch Deutschland wäre „keine Garantie dafür, dass sich die Krise nicht weiter zuspitzt“. Klägeranwalt Dietrich Murswiek hielt entgegen, das Gesetzespaket öffne „das Tor zu einer Haftungs- und Transferunion“. Rechtsprofessor Albrecht Schachtschneider ergänzte, die Souveränität der Mitgliedsstaaten werde durch die geplanten Euro-Rettungsgesetze aufgegeben. Die Politik strebe letztlich einen europäischen Bundesstaat an, für den aber in Deutschland eine Volksabstimmung nötig wäre. Das Gericht habe eine „historische Verantwortung für das Recht“. Gysi zu Richtern: „Diesmal beneidet Sie niemand“ Linke-Politiker Gregor Gysi sagte, das Bundesverfassungsgericht habe bislang noch nie durch eine einstweilige Anordnung einem Bundespräsidenten verboten, ein Gesetz zu unterzeichnen. Das Gericht stehe damit vor einer neuen und erstmaligen Entscheidung. „Diesmal beneidet Sie niemand“, sagte Gysi zu den acht Richtern des Zweiten Senats. „Jeder ahnt, vor welche schwieriger Entscheidung Sie stehen.“ dapd (Politik/Politik)
Karlsruhe will für Eilentscheidung über Euro-Rettung mehr Zeit
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Peer-Michael Preß
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