Berlin (dapd). Mehrere hundert Demonstranten haben in Berlin Rechtssicherheit für die religiöse Beschneidung von Jungen verlangt. „Das Ja zur Beschneidung muss in ein Gesetz gegossen werden“, forderte Lala Süßkind, die ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin. An der Demonstration am Sonntag nahmen laut Polizei rund 300 Menschen teil – hauptsächlich Juden, aber auch Muslime und Christen. Die Kundgebung auf dem Bebelplatz stand unter dem Motto „Für Religionsfreiheit, gegen Kriminalisierung und Bevormundung“. Hintergrund der Demonstration war ein im Juni veröffentlichtes Urteil des Kölner Landesgerichtes, das die Beschneidung von Jungen als strafbare Körperverletzung wertet – selbst wenn die Eltern einwillgen. Daraufhin war eine Debatte entbrannt, die auch im Ausland für Aufsehen sorgt. Süßkind nannte es unerträglich, „dass sich immer wieder inkompetente und intolerante Menschen zu Wort gemeldet haben“. Sie verwies auf die identitätsstiftende Bedeutung des Rituals für jüdische und muslimische Jungen. Außerdem sei der Eingriff medizinisch weltweit akzeptiert und von der Gesundheitsorganisation WHO empfohlen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, nannte es unerträglich, dass Juden nun als Kinderquäler abgestempelt würden. Er beklagte im „Focus“ die teils „unerbittliche Härte und den rüden Anklageton“ in der Diskussion. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte ebenfalls seine große Sorge. Die Debatte werde außerhalb Deutschlands in keiner Weise verstanden. „Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass jüdische Familien in Deutschland ihre Jungen nicht mehr beschneiden dürfen“, sagte er dem „Focus“. „Unter optimalen hygienische Bedingungen“ Kenan Kolat, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland sagte auf der Demonstration: „Niemand wird die Beschneidung in Deutschland stoppen können.“ Außerdem werde das Ritual unter optimalen hygienischen Bedingungen und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern durchgeführt. Die Vorwürfe der Beschneidungsgegner zeigten die Vorurteile einiger Deutscher sowie den schwelenden Antisemitismus und Antiislamismus, ergänzte Kolat. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte am Mittwoch eine Übergangsregelung vorgestellt, mit der in der Hauptstadt ab sofort die Beschneidung, wenn auch unter strengen Voraussetzungen, straffrei ist. Süßkind bezeichnete diese Zwischenregelung als „gut gemeint, aber ungenügend“. Es sei problematisch, dass die Eltern die religiöse Motivation nachweisen müssten. Süßkind sagte, sie wolle sich weder durch ein großes J auf der Brust noch durch den zweiten Vornamen Sarah als Jüdin ausgeben müssen. Die Bundesregierung will bald ein Gesetz vorlegen, das Klarheit bei der religiösen Beschneidung schafft. „Die entstandene Rechtsunsicherheit wird durch eine bundesgesetzliche Regelung schnell beseitigt werden“, versprach Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Donnerstag Juden und Muslimen. Kinder- und Jugendärzte wollen sich indes weiterhin nicht an religiösen Beschneidungen von minderjährigen Jungen beteiligen. Das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung und auf körperliche Unversehrtheit habe einen höheren Stellenwert als das Recht der Eltern, die Unversehrtheit aufgrund religiöser Überzeugungen zu beeinträchtigen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, im RBB-Inforadio. Er kündigte an, dass sein Verband sich an einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligen werde, falls der Bund die Beschneidung gesetzlich zulasse. dapd (Politik/Politik)
Hunderte Demonstranten fordern Rechtssicherheit für Beschneidung
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Peer-Michael Preß
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